Predigt zum Fest des Allerheiligsten Namens Jesu am 3. 1. 2021, von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Namen.

Niemand von uns möchte namenlos sein. Namenlosigkeit macht Angst. Man spricht sogar von der namenlosen Angst. Wenn wir etwas nicht definieren können, wenn wir es nicht erklären können, wenn wir einer Situation keinen Namen geben können, sind wir unsicher und fühlen uns leicht bedroht. Andererseits sagen wir von jemandem, der eine besondere Persönlichkeit ist und etwas Besonderes geleistet hat, zu Recht: Er hat sich einen Namen gemacht.

Der Name des Menschen ist ein wesentlicher Teil seiner Existenz. Der Mensch braucht einen Namen. Wir geben unseren Kindern von Anfang an einen Namen und dieser Name wird bestätigt, erhöht und geheiligt durch die Taufe, in der er feierlich verliehen wird. Der Name des Menschen ist unveränderlich. Nach der klassischen Rechtsprechung ist dieser unveränderliche Name mit der Identität des Menschen eng verbunden. Nur wer einen Namen hat, kann gekannt werden. Nur wer einen Namen hat, kann angesprochen werden. Deswegen ist der Name exklusiv. Wir dürfen den Namen der anderen nicht missbrauchen. Wir dürfen unseren eigenen Namen nicht mit Dingen oder Taten verbinden, die nicht die unseren sind. Mit dem persönlichen Namen verbinden wir diese Exklusivität der Identität, die das Gesetz schützt und die verhindert, dass wir in die gefährliche Namenlosigkeit verfallen.

Auch gibt uns der Name die Möglichkeit, Beziehungen herzustellen. Wenn man sich begegnet, stellt man sich einander mit dem Namen vor. Durch den Namen erkennen wir Familenzugehörigkeiten. Geliebte Menschen und Familienmitglieder nennt man gerne beim Vornamen. Aber auch, wenn jemand etwas verbrochen hat, wenn etwas nicht gut war, fragen wir nach dem Namen, damit wir den identifizieren können, der verantwortlich ist. Sogar wenn wir beten, wenden wir uns nicht an namenlose Geister, sondern wir wenden uns an Gott, Seine Engel und Heiligen mit den Namen, die wir aus Schrift und Tradition kennen. Selbst wenn die Kirche in der Macht, die Christus ihr gegeben hat, Exorzismen über die Dämonen betet, dann muss der Priester nach dem Namen fragen, denn wenn der Name fällt, dann hat die Kirche Gewalt, den Dämon auszutreiben. Der Name, auch der Name der gefallenen Engel ist so stark, dass Macht damit verbunden ist, ihn zu wissen.

Aber über allen diesen Namen, über den Namen der Menschen, über den Namen der Engel, über den Namen der Heiligen steht jener Name, den die Kirche uns heute vorschreibt zu feiern: Der Name Jesu, der Name, vor dem sich alle Knie beugen, der Name, in dem allein Heil ist. Jesus ist eine Verkürzung des hebräischen Namens Joschua, Gott ist der Retter, Gott ist der Befreier, Gott ist der Herr. Im 1. Kapitel des Matthäus-Evangeliums wird darin zurecht eine Erfüllung jener Prophezeiung gesehen, dass der Erlöser Emmanuel ist, nämlich der Gott mit uns, der nahe Gott, der Sich um Seines Namens willen jedes Einzelnen erbarmt, der uns beim Namen gerufen hat, der unseren Namen kennt und dessen Name uns gegeben ist, damit wir gerettet werden können.

Jesus ist wirklich ein naher Gott, deswegen hat er für uns einen menschlichen Namen angenommen. In diesem Namen handelt die Kirche. Sie betet im Namen Jesu, sie spendet die Taufe im Namen Jesu und der anderen göttlichen Personen. Die Sakramente werden niemals gespendet, ohne dass der Name des Herrn über uns ausgerufen wird. Der Name Jesu Christi ist der Name, der gleichsam in jedem Tabernakel fleischgeworden gegenwärtig ist, der Name der Kraft, der Gewalt, der Größe Gottes. Wegen dieser Majestät des göttlichen Namens wurde im Alten Testament der Name Gottes selten ganz geschrieben und niemals ausgesprochen.

Wir aber haben einen menschgewordenen Gott. Er hat uns Seinen Namen gegeben, damit wir Ihn rufen können. Er hat Sich uns mit Seinem Namen vorgestellt. Er hat uns gleichsam durch Seine Barmherzigkeit in der Anrufung Seines Namens Macht über Sich gegeben, und Er hat diesen Namen ausgerufen, damit Sein heiliges Volk, die Kirche, in diesem Namen geschützt wird. Wir dürfen sogar im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes beten und mit Jesus ausrufen: Abba, Vater!

Die ganze Majestät der göttlichen Namen aber ist im Namen Jesu vereint: Als während der Türkenkriege des 17. und 18. Jahrhunderts die Franziskaner den Namen Jesu und seine Verehrung verbreitet haben, da haben die Christen diesen Namen angerufen, um die große weltliche Gefahr zu bannen, in der sie standen. Als dann nach der entscheidenden Schlacht Innozenz XIII. auf Betreiben Kaiser Karls VI. das Fest des heiligen Namens Jesu 1712 in der ganzen Kirche eingeführt hatte, wussten die Menschen: Wenn wir den Namen Jesu aussprechen, dann haben wir Schutz, dann sind wir unter der behütenden Macht des Herrn Selber, dann wissen wir, dass Seine Kraft und Seine Gnade siegen, dann gibt eine keine namenlose Angst!

Deswegen wollen wir auch heute, an diesem Festtag und an jedem Tag des Neuen Jahres den Namen Jesu auf uns herabrufen. Das ist der Name, in dem alle Gewalt des Himmels und der Erde beschlossen ist und vor dem sich alle Knie beugen sollen, im Himmel und auf Erden. Wenn wir diesen Namen täglich oft aussprechen im Jesusgebet, im Kreuzzeichen, als Stoßgebet, wenn wir diesen Namen mit Ehrfurcht behandeln und ihn nicht missbrauchen in gedankenloser Rede, wenn dieser Name uns voranleuchtet, dann wissen wir: Ja, Gott ist unser Retter, Gott ist unser Befreier, Gott ist der Herr, der Emmanuel, der Gott-mit-uns: Er verlässt uns nicht! Sind wir sicher mit der ganzen Kirche, der Herr hat Sich einen Namen gemacht, einen einzigartigen Namen, der alle dunkle Namenlosigkeit bekämpft und in dem wir gerettet sind, denn dieser heiligste Name wird von der Kirche täglich über uns ausgerufen und wir alle stehen unter Seinem Schutz!

Amen.