NACHRUF auf PROF. DR. DR. h. c. WOLFGANG GRAF WALDSTEIN
Generalgouverneur der Herz Jesu Gemeinschaft im Institut Christus König und Hohepriester
Der Generalgouverneur unserer Herz Jesu Gemeinschaft, Prof. Dr. Dr. hc. Wolfgang Graf Waldstein, ist am 17. Oktober, dem Fest der heiligen Margareta Maria Alacoque, Künderin der Geheimnisse des Herzens Jesu, umgeben von seiner Familie in Salzburg im Alter von 95 Jahren verstorben. Die göttliche Vorsehung hat gewollt, dass zur gleichen Zeit unser Generalprior in Neapel das Dankamt anlässlich der Einkleidung von weiteren fünf Novizinnen unserer Anbetungsschwestern zelebrierte, die gerade von S. Eminenz Dominique Kardinal Mamberti, dem Präfekten des Obersten Tribunals der Apostolischen Signatur in Rom, eingekleidet worden waren. Die tiefe Verbindung Wolfgang Graf Waldsteins zu unserem Institut wurde dadurch nochmals vom Wirken der Gnade unterstrichen.
Prof. Waldstein war seit seiner Studentenzeit mit der ursprünglichen Herz Jesu Gemeinschaft auf das engste verbunden und hat oft davon erzählt, wieviel er ihr und ihren Mitgliedern verdankte. Er hat sie bereits früh kennengelernt, vor allem von Prof. Eduard Seifert und Prof. Hofrat Ernst Wenisch zu ihr hingeführt. Prof. Dietrich von Hildbrand und Prof. Balduin Schwarz wie auch die große Wohltäterin des Institutes, Frau Dr. Karla Mertens, gehörten ebenso zu seinen engen Freunden. Er hat durch seine profunden Vorträge, durch seine tiefe Liebe zur Wahrheit, durch sein großes rechtswissenschaftliches, philosophisches und theologisches Wissen ebenso zum Wachstum der Gemeinschaft beigetragen wie durch sein Bespiel absoluter menschlicher Integrität, liebenswürdigster Nächstenliebe, starker Willenskraft und tiefsten kindlichen Glaubens. Ihm verdankt die Herz Jesu Gemeinschaft unter vielem anderen ihre ersten grundlegenden Konstitutionen wie auch die Anthologie der für die Gemeinschaft wichtigen Schriften. Uns sind er und seine uns allen so sehr an Herz gewachsene liebe Frau Marie Theresa „Esi“ Waldstein unvergesslich als ein Ehepaar, das sich immer den Glanz der ersten ehelichen Liebe und Zuneigung bewahrt hat und diesen Glanz mit anderen, auch den geistig und materiell Bedürftigen, großzügig geteilt hat. Nicht nur waren beide gute und selbstlose Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, sondern auch treue und hingebungsvolle Freunde für viele in und außerhalb der Herz Jesu Gemeinschaft.
Da beide von großer persönlicher Bescheidenheit waren und wenig von sich selbst zu sprechen pflegten, ist es gut, an Wolfgang und Marie Theresa Waldsteins Leben wenigstens in großen Linien zu erinnern, damit ihr Wert als Menschen und Christen noch deutlicher hervortritt:
Der 1900 in St. Petersburg geborene Vater Wolfgang Waldsteins, Ludwig Graf Waldstein von Halben, war Pianist, Musikerzieher und Komponist von Klavierwerken und Kammermusik neuklassischer Richtung sowie von Orgelwerken. Er entstammte der Arnauer Linie des berühmten böhmischen Adelsgeschlechts. Der Großvater diente als kaiserlicher Beamter dem russischen Zaren und war Direktor der Kaiserlichen Theater. Nach der kommunistischen Revolution, die das Zarenreich zur Sowjetunion machte, ging der Vater nach Finnland, wo er seine Frau, eine Finnländerin, eine Angehörige der schwedischen Minderheit in Finnland, kennenlernte. Finnland hatte bis 1917 zum Zarenreich gehört. Nur knapp entging er bei einem Konzert, schwer verletzt, einem politisch motivierten Mordanschlag. Wolfgang Waldsteins Mutter war in erster Ehe mit Fürst Nikolai Paschkow, aus einer ursprünglich aus Litauen stammenden Familie, verheiratet, den die Bolschewiken auf der Krim erschossen hatten.
Wolfgang Graf Waldstein wurde 1928 im mehrheitlich schwedischen Hangö geboren. In Helsingfors (finn. Helsinki) besuchte er die dortige deutsche Schule. Als im Herbst 1939 der sowjetische Angriff auf Finnland einsetzte, emigrierte die Familie nach Salzburg, wo der Vater Professor am berühmten Mozarteum wurde. In der Familie fühlte man sich auch in Finnland, gemäß der Familientradition, als Österreicher. Nichts schien naheliegender als eine Rückkehr in die Heimat, die es der Familie gerade während der Zeit des Nationalsozialismus nicht nur leicht machte, was Wolfgang sehr geprägt hat. Als Jugendlicher und Student hat er Armut und Entbehrung am eigenen Leib kennengelernt.
Wolfgang Waldstein legte in Salzburg das Abitur ab und nahm anschließend ein Studium der Rechtswissenschaften in Innsbruck auf. Nach Studienaufenthalten in den USA wurde er Assistent an seiner Alma Mater, an der er sich 1963 mit einer Arbeit über Römisches Recht habilitierte. Er wurde außerordentlicher Professor in Innsbruck und wechselte 1965 als ordentlicher Professor an die wiedererrichtete Paris-Lodron-Universität. Er war Gründungsdekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät und im akademischen Jahr 1968/69 Rektor der Universität. Damals hatte er große Kämpfe zu bestehen, von denen er mit Schmerz erzählte. Seine Lehrtätigkeit in Salzburg in Römischem Recht und Rechtsphilosophie dauerte bis 1992, als er in den Ruhestand trat. Anschließend nahm er eine Professur an der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom an. 1998 verlieh ihm Papst Johannes Paul II. die Würde eines Komturs des päpstlichen Ritterordens des heiligen Gregor des Großen.
Seinen Schwerpunkt legte Wolfgang Waldstein in seiner Lehre auf das Naturrecht bzw. dessen Wiederbelebung, da es durch den Rechtspositivismus weitgehend verdrängt worden war. Mit vielen Publikationen und Vorträgen wirkte er in diesem Sinn. Zum hl. Papst Johannes Paul II wie auch zu dessen deutschem Nachfolger Benedikt XVI konnte der Salzburger Jurist auch persönliche Beziehungen knüpfen. So war er Gast jener berühmten Frühstücke in der päpstlichen Wohnung im Apostolischen Palast, wo auf ungezwungene und direkte Weise wichtige Themen besprochen werden konnten. Papst Benedikt erinnerte sich zeitlebens an die gute Küche, die er als Kardinal in der römischen Wohnung der Waldsteins aus der Hand der Gräfin genossen hatte.
Sein Werk „Ins Herz geschrieben. Das Naturrecht als Fundament einer menschlichen Gesellschaft“ wurde von dem mit ihm befreundeten Papst Benedikt XVI. mehrfach in dessen Rede vor dem Deutschen Bundestag 2011 zitiert. Papst Johannes Paul II. berief den Rechtsgelehrten und Freund 1994 als Gründungsmitglied in die damals neugegründete Päpstliche Akademie für das Leben.
Wolfgang Waldstein hat sich Zeit seines Lebens, auch schon als junger Mann, der überlieferten Liturgie verbunden gefühlt, die in der Gemeinschaft, auch bevor der Vereinigung mit unserem Institut, nie ganz aufgegeben worden war. Er fühlte sich dem überlieferten Ritus verpflichtet und hat sich selbstlos und zunächst oft auf Unverständnis stoßend um dessen Beibehaltung bzw. Wiederzulassung bemüht. Er war daher überglücklich, als die damalige Gemeinschaft sich einstimmig dem Institut Christus König und Hohepriester anschloss, dem er seit seiner Gründung verbunden war, und damit als Herz Jesu Gemeinschaft zum Laienzweig einer Gesellschaft apostolischen Lebens in kanonialer Form wurde, die ausschließlich den überlieferten Ritus pflegt. Für alle seine Verdienste um die traditionelle Liturgie ernannte ihn die Vereinigung Pro Missa Tridentina ernannte ihn 2007 zum Ehrenvorsitzenden. Schon direkt nach der Vereinigung des Institutes mit der Herz Jesu Gemeinschaft ernannte ihn unser Generalprior Msgr. Dr. Gilles Wach in Ansehung seiner herausragenden Persönlichkeit als Christ und Wissenschaftler zum Generalgouverneur der Herz Jesu Gemeinschaft, was er bis zu seinem Tode trotz schwerer Krankheit bleiben konnte.
Wolfgang Waldstein war, wie schon gesagt, gerne Ehemann und Familienvater. Seine Frau Marie Theresa Fröhlicher, unsere liebe „Esi“, war eine in den USA geborene Schweizerin. Sie ist bereits 2017 im Alter von 87 Jahren heimgegangen. Die direkte Nachfahrin des protestantischen Schweizer Reformators Huldrych Zwingli, deren Familie allerdings katholisch war, ging auf Vermittlung von Dietrich von Hildebrand nach dem Krieg nach Österreich zur Familie Seifert, wo sie ihren künftigen Ehemann kennenlernte. Es war, wie Wolfgang gerne schilderte, „Liebe auf den ersten Blick“. Ihre Hochzeit fand in New Jersey, Marie Theresas Geburtsort, statt. Dietrich von Hildebrand war ihr Trauzeuge. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor. Marie Theresa Waldstein war die große und unermüdlich liebevolle Stütze Wolfgang Waldsteins. Ihre Verbindung war so innig und unverstellt, so beispielhaft und liebenswürdig, dass wir sie, gerade in den späteren Jahren, oft mit Philemon und Baucis, oder, natürlich viel passender, mit Joachim und Anna verglichen haben. Marie Theresa Gräfin Waldstein war lange Jahre Mutter und Seele der Gemeinschaft und setzte sich für das Wohl aller immer großzügig ein.
Für mich als junger Diakon und Priester, – ich durfte Wolfgang und Esi im Sommer 1981 zum ersten Mal bei der jährlichen Tagung der Gemeinschaft in Bayerisch Gmain kennenlernen und später noch besser als geistlicher Leiter der Gemeinschaft, was ich auf Wolfgangs und Dr. Karla Mertens‘ Anregung geworden war -, war das Ehepaar immer ein Unterpfand dafür, dass Heiligkeit auch in der Welt durchaus erstrebt und gelebt werden kann. Wolfgang Waldstein war als passionierter Bergsteiger ein Kämpfer, der viele geistliche und geistige Schlachten überstanden hatte, aber trotzdem nicht hart, sondern immer milder geworden war, auch weil Elisabeth Waldstein mit ihrer mütterlichen Güte, Liebe und Geduld ihm dabei immer zur Seite stand. Die unbedingte Liebe zur Wahrheit, die entschiedene und klug durchdachte Ablehnung des Irrtums, die unverbrüchliche Treue zu Glaube und Moral der heiligen Kirche verband sich bei Wolfgang Waldstein immer mit der, manchmal innerlich erkämpften, aber stets entschlossenen Feindesliebe und dem Versuch, alle, auch die Fernstehendsten, durch Liebenswürdigkeit und freundliche Überzeugungsversuche, zu Gott und Seiner Kirche zu führen. Esi Waldstein war dabei nicht nur oft das ausgleichende Element, sondern immer auch die gute Frau und Mutter, die mit unnachahmlicher Liebenswürdigkeit, Heiterkeit und Herzensgüte, gepaart mit Festigkeit und Weisheit, ihrem Mann, ihren Kindern und allen ihren vielen Freunden zur Seite stand. Freude und Frohsinn fehlten beiden nicht und Wolfgang Waldstein hat uns sehr oft zum Lachen gebracht, vor allem mit seinen berühmten „Limericks“. Tägliches Gebet auch des Breviers, die tägliche Messfeier und der heilige Rosenkranz, die häufige Beichte und die Lektüre der Schriften der Heiligen, vor allem auch der Regel des hl. Benedikt und der „Philothea“ des Heiligen Franz von Sales waren dabei die selbstverständlichen Hilfsmittel und letzter Grund aller Freude, von denen sie nicht viel Aufhebens machten, die sie aber beide ein Leben lang begleitet haben.
Esi Waldstein ist Wolfgang vorangegangen, doch nun dürfen wir hoffen, beide wieder vereint zu sehen. Wir vermissen sie beide, denn sie waren beide besondere Menschen, tiefgläubige Katholiken und uns allen oft ein Beispiel der Nächstenliebe und der Glaubenstreue. Beten wir für sie und danken wir Gott, dem Allmächtigen, zusammen mit ihrer zahlreichen Schar von Kindern, Enkeln und Urenkeln, dass wir diese außerordentlichen und tiefgläubigen Menschen kennen durften und sind wir sicher, dass die Freundschaft und Liebe, die sie mit uns verbindet, nicht enden wird.
- Das Requiem findet am 31. Oktober um 10.30 Uhr in der Rektoratskirche St. Sebastian in Salzburg statt. Die Beerdigung folgt um 13 Uhr auf dem Friedhof in Salzburg-Aigen. Sein Enkel P. Edmund Waldstein OCist wird das Requiem zelebrieren und Msgr. Schmitz wird predigen.
- In der Klosterkirche Maria Engelport wird das feierliche Requiem für Wolfgang Graf Waldstein am 31. Oktober um 17.15 Uhr stattfinden, in der Sankt Ägidi Kirche in Bad Reichenhall am 16. November um 18.30 Uhr.
Msgr. Michael Schmitz
Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am 16. April 2023 (Weißer und Barmherzigkeitssonntag, Primiz und Erstkommunion)
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Hochwürdiger lieber Neupriester, liebes Kommunionkind, liebe Kanoniker, Geliebte im Herrn!
Dominus meus et Deus meus, Mein Herr und mein Gott! (Jo 20, 28). Der Apostel Thomas hat an die Gottheit Jesu Christi erst geglaubt, als er Ihn gesehen hat und seine Hände in Seine Wunden legen konnte. Der Herr weiß, dass wir, um glauben zu können, der Vermittlung von sichtbaren Zeichen bedürfen. Deswegen sind die drei großen Geheimnisse, die wir heute durch eine Fügung der göttlichen Vorsehung gemeinsam feiern können, durch das Geheimnis der Mittlerschaft verbunden: die göttliche Barmherzigkeit, das Priestertum Jesu Christi und der Kirche sowie die heilige Eucharistie.
Liebe ist für den Menschen immer vermittelt. Sicher können und sollen wir uns selbst in einem gewissen Maß lieben, aber in unserem Herzen ist eine größere Sehnsucht, eine tiefe Sehnsucht nach Liebe und Erfüllung, die uns nur – und immer nur – eine andere Person schenken kann. Das ist in der Ehe der Ehegatte, in der Freundschaft der Freund oder die Freundin, das ist in unserer Beziehung zu Gott der Herr Selbst, Der sich uns barmherzig naht.
Liebe ist immer vermittelt. Zunächst vermittelt im undurchdringlichen Geheimnis der göttlichen Dreifaltigkeit. Der Vater liebt den Sohn durch die Vermittlung des Heiligen Geistes, der die Brücke einer ganz göttlichen und geheimnisvoll personhaften Liebe zwischen der ersten und der zweiten Person der göttlichen Trinität bildet. Auch im inneren geheimnisvollen Leben Gottes ist die Liebe vermittelt, und zwar durch den liebenden Gott Selbst.
Um uns die Teilhabe an der trinitarischen Liebe schenken zu können, hat der Allmächtige Gott uns wiederum einen Mittler, ja den Mittler für diese Welt gesandt, Der uns Seine barmherzige Liebe bringt: Unseren Herrn Jesus Christus. Er nimmt in Seiner Menschwerdung, um Mittler sein zu können, unsere Natur an und bleibt doch Gott, damit Er uns, geopfert als Mensch auf dem Kreuz, durch die göttliche Kraft in diesem Erlösertod die Liebe der Barmherzigkeit Gottes endgültig vermitteln kann. Christus ist Seinem Wesen nach ein Mittler! Er ist nach Seinem Wesen als Gottmensch der mittlerische Priester, den der Vater uns schenkt, damit wir die vermittelte Liebe der Barmherzigkeit in unsere Herzen hineinnehmen können.
Deswegen ist das Mittlertum auch ein Prinzip der Kirche. Der Herr beschränkt sich nicht darauf, als der Mittler unseres Heils am Kreuz zu sterben, sondern Er hinterlässt uns die vermittelte Liebe in Seinem eigenen Priestertum. Er schenkt der Kirche nicht nur Sein eigenes Hohepriestertum, mit dem Er ein für allemal uns die Liebe Gottes am Kreuz vermittelt hat, sondern Er sendet uns menschliche Mittler, Mittler, an denen wir sehen können, dass Gottes barmherzige Liebe uns nicht verlässt; priesterliche Mittler, die, obwohl sie schwache Menschen bleiben und, wenn wir nicht genug für sie beten, auch fallen können, doch unmittelbar notwendig sind, damit wir an der vermittelten Liebe Gottes teilhaben können. Denn jeder priesterliche Mittler, den Christus gesandt hat – „So wie der Vater Mich gesandt hat, so sende Ich euch“ (Jo 20, 21) – hat die göttliche Kraft erhalten, durch sein Amt die Liebe Gottes in wirksamen Zeichen zu vermitteln.
Sie, lieber Herr Kanonikus Bell, sind daher schon als junger Priester mit besonderer Kraft und Macht ausgestattet, die vor dem Bösen in der Welt nicht halt zu machen braucht. Als Priester Jesu Christi vermitteln Sie den Menschen nicht nur die sichtbare Liebe und die Barmherzigkeit Gottes. Sie vermitteln ihnen in der heiligen Beichte ebenso die unendliche und immer erneuerte liebende Vergebung des Herrn. Sie vermitteln vor allem in dem großen eucharistischen Glaubensgeheimnis, das wir gleich feiern werden, uns allen die Gegenwart Jesu Christi, die auf andere Weise auch in Ihnen vorhanden ist, denn Sie sind, vor allem am Altar und bei der Sakramentenspendung, ein alter Christus, ein zweiter Christus. Sie handeln gleich bei der heiligen Wandlung in der Person Christi und machen den Herrn unter uns gegenwärtig mit Seiner mittlerischen Liebe!
Deswegen müssen wir Gott unendlich dankbar sein, dass Er uns wie dem Thomas Zeichen Seiner Liebe gibt, dass Er uns durch Sein Priestertum niemals allein lässt, dass wir in den Priestern der Kirche, mögen sie auch jung oder alt, schwach oder stark sein, Seine gegenwärtige Liebe verehren können und uns immer sicher sein können, dass es eine Brücke gibt für die Barmherzigkeit Gottes von der Ewigkeit her in unsere Welt hinein.
So sind wir besonders froh, dass wir diese Mittlerschaft heute an dem größten vermittelten Zeichen Seiner Liebe auch als Erstkommunion feiern können. Denn was der Priester gleich am Altar tut, bleibt eben nicht nur ihm selbst vorbehalten. Der Priester wandelt durch das Wort Christi Brot und Wein in Fleisch und Blut unseres Herrn, damit es uns, die wir wohl vorbereitet zur Kommunionbank gehen, gespendet wird; damit wir teilhaben an der Mittlerschaft, damit die barmherzige Liebe, die die Kirche heute besonders feiert, in unser Herz kommt, und damit wir, dadurch gestärkt, ebenfalls Mittler der Liebe werden können.
Liebes Kind, wenn du gleich zum ersten Mal den Herrn empfängst, unter den geheimnisvollen Zeichen, die die Kirche täglich feiert, dann wirst auch du an der Vermittlung der Liebe Gottes mitwirken. Du kannst, wie wir alle, mit diese göttlichen Gabe die Barmherzigkeit Gottes durch ein christliches Leben bezeugen und Du wirst so selbst ein deutliches Zeichen jener barmherzigen Liebe, die der Herr uns niemals entzieht. Dazu hilft Dir der unter der Gestalt der Hostie gegenwärtige Herr, der mit Seiner Liebe in Dein Herz kommt.
So sehen wir, dass diese Glaubensgeheimnisse der heiligen Barmherzigkeit, des Priestertums und der heiligen Eucharistie eng und untrennbar miteinander verbunden sind. Der Barmherzigkeitssonntag zeigt uns an die unendliche Barmherzigkeit Gottes für die reuigen Sünder. Durch unseren Neupriester werden wir an die bleibende priesterliche und sakramentale Gegenwart unseres Herrn erinnert. Die erste heilige Kommunion eines Kindes am Weißen Sonntag offenbart uns, dass auch wir berufen sind, Mittler zu sein in einer Welt, die der vermittelten Liebe unseres Herrn täglich mehr bedarf. Wenn wir vor diesen drei Geheimnissen stehen, dann können auch wir wie der heilige Thomas sehen und glauben. Wir können die in diesen Glaubensgeheimnissen zeichenhaft und wirkmächtig vermittelte Liebe unseres Herrn erkennen und anbeten. Daher dürfen wir mit dem Apostel Thomas und der ganzen Kirche heute froh und dankbar mit österlicher Freude rufen: Dominus meus et Deus meus, mein Herr und mein Gott! Amen.
Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am Ostersonntag, dem 9. April 2023
Im Namen des Vater und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Ohne jeden Zweifel ist die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus das wichtigste Ereignis der Weltgeschichte überhaupt. Alles hat es geändert, weil es plötzlich den Menschen eine Hoffnung gegeben hat, die sie vorher nicht hatten. Nicht nur die Hoffnung auf das ewige Leben, nicht nur die Hoffnung auf ein Fortleben nach dem Tode, sondern die Hoffnung, ja die sichere Glaubensgewissheit, dass sie, wenn sie dem Willen des Vaters entsprechen wollen, durch die Barmherzigkeit Jesu Christi teilhaben an der Gottheit in der ewigen Herrlichkeit.
Wer nicht an die Auferstehung glaubt, hat diese Hoffnung nicht. Wenn die Auferstehung nicht stattgefunden hat, dann leben wir in einer absurden Welt. Dann wäre alles, was der Herr selbst getan hat, ebenso absurd. Im 15. Kapitel des Korintherbriefes sagt uns der heilige Paulus etwas über diese Absurdität, die für diejenigen besteht, die nicht an die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus glauben: Es wäre sinnlos, Christus zu predigen. Der Glaube an ihn wäre nutzlos. Alle Zeugen und Prediger der Geschichte, die von der Auferstehung gesprochen haben, wären Lügner. Niemand könnte von der Sünde erlöst werden. Alle Verstorbenen wären auf immer verloren. Die Christen, so schließt er diese Liste der Absurditäten, wären die bedauernswertesten Menschen. Wir können hinzufügen: Wenn Christus nicht auferstanden wäre, dann wüssten wir nicht, dass es einen barmherzigen Gott gibt, der uns liebt. Wir könnten vielleicht mit den asiatischen Mythen darauf hoffen, vom angeblich immer wiederkehrenden Rad der Zeit in eine vage Göttlichkeit aufgelöst zu werden. Wir würden aber wohl, wie die meisten heidnischen Religionen, die eine persönliche Gottheit annehmen, bis auf den heutigen Tag einen Dämon verehren, der uns gänzlich fremdbestimmt und uns unter seinen despotischen Willen zwingt, dem wir uns sklavisch unterwerfen müssten; wir wüssten nichts von der Würde der Person und ihrer gottgeschenkten Freiheit, denn wir wüssten nichts von einem barmherzigen Gott, der uns liebt.
Nun aber ist Jesus auferstanden! Wie der heilige Paulus sagt, ist er denen, die gestorben sind, voran gegangen. Diese Auferstehung ist so vielfältig bezeugt, dass ihr Zeugnis die Welt im Tiefsten verändert hat, dass alles, was in der Geschichte des Christentums an Dynamischem, an Schönem, an Großem entstanden ist, die Auferstehung als Urgrund hat. Die Auferstehung Christi führt uns zum tröstenden Glauben, dass Gott uns nicht nur liebt, sondern jeden Moment unseres Lebens mit seiner voraussehenden, begleitenden und vollendenden Liebe umgibt.
Das leere Grab; die Wolke von Zeugen für die nachösterlichen Erscheinungen des Herrn; Zeugen, die so authentisch sind wie die Apostel, die ihr Leben hingegeben haben für die Wahrheit der Auferstehung; alles, was wir vom reichen nachösterlichen Gnadenleben der Kirche wissen; die vielen Milliarden von Christen, die ihr Leben auf den Glauben an die Auferstehung aufbauen sowie die fortgesetzten Wunder und Großtaten Gottes in der Geschichte der Kirche; das alles spricht lebendig von der Wahrheit der Auferstehung und sagt uns: Ja, der Herr ist wirklich auferstanden! Es handelt sich eben nicht um einen Mythos, sondern um eine geschichtliche Wahrheit, die besser und öfter bezeugt ist als viele andere geschichtliche Ereignisse, die wir nur aus wenigen Zeugnissen kennen und die auch sonst heute kaum mehr bleibende Folgen zeigen. Unser Glaube an die Tatsache der Auferstehung aber hat wichtige Folgen.
Weil wir aus Zeugnissen und Tatsachen wissen, dass Herr in Wahrheit auferstanden ist, können wir ebenso an die Allmacht Gottes glauben. Wenn wir die Auferstehung leugnen würden, wir würden gleichzeitig den Allmächtigen Gott verkleinern, weil wir Ihm die Macht absprechen würden, Herr über Tod und Leben zu sein. Der Herr, Gott der Allmächtige, kann die Toten auferwecken! Er ist in Jesus Christus erstanden, um uns zu zeigen, dass Er der Sieger über den Tod ist, der nun nicht mehr endgültig unser Leben bedroht.
Die Auferstehung ist ebenfalls Zeugnis und Besiegelung des Sinnes der Menschwerdung und des Kreuzestodes in ihrer ganzen Wichtigkeit. Der Kreuzestod ist nicht der Tod eines bloßen Menschen, der aufgegeben hat und verurteilt worden ist, als Absurdität und Abschluss eines sinnlosen Lebens. Der Kreuzestod, das sehen wir vor allem durch die Auferstehung, ist ein wirkliches Erlösungsopfer! So wie die Menschwerdung den Sinn gehabt hat, dieses Erlösungsopfer vollziehen zu können, so bezeugt uns die Auferstehung, dass dieses Erlösungsopfer wirkliche Frucht getragen hat, die sich auf jedes einzelne Leben jedes Menschen bezieht, der an diese Auferstehung glaubt. Wir sind nicht mehr allein. Gott gibt uns die Gnade, die Christi Leben, Tod und Auferstehung uns verdient haben, jedes Mal, schon bevor wir uns bemühen können, während wir uns bemühen und wenn wir uns bemüht haben, damit wir an der Frucht der Auferstehung Anteil haben und alles in ihr vollendet wird.
Gleichzeitig ist die Auferstehung ein Unterpfand für unsere eigene Zukunft. Wir sind nicht verloren. Wir sind nicht nur in dieser Welt gerettet, sondern wir werden ewig leben, und wenn wir nur wollen und mit der geschenkten Gnade mitarbeiten, werden wir ewig leben in einer Herrlichkeit und einer Schönheit, die wir uns jetzt nicht vorstellen können. Die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, diese wohl bezeugte Tatsache, ist ein Unterpfand dafür, dass uns ein Erlöser, Gott und Mensch, vorausgegangen ist in die Ewigkeit, dass wir einst durch Ihn erweckt und an der Glorie teilhaben werden, die Er uns durch die Auferstehung bezeugt und verdient hat.
Das alles feiert die heilige Kirche am heutigen Tag: Das große, einzigartige, geschichtsumstürzende Ereignis der leiblichen Auferstehung des Gottmenschen Jesus Christus mit allen seinen wunderbaren Folgen für unser Heil. Wir haben, wenn wir an diese reichbezeugte Auferstehung glauben, eine neue Hoffnung! Wir haben ein neues Leben! Wir sind neue Menschen! Wir können mit dem heiligen Paulus rufen: „Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?“ (1 Kor 15, 55). Deswegen dürfen wir in den liturgischen Lobgesang der Kirche einstimmen und singen: „ Scimus Christum surrexisse a mortuis vere: Tu nobis victor rex, miserere! Amen, alleluja.“
Predigt Msgr. Prof. DDr. Rudolf Michael Schmitz am Karfreitag, den 7.4.2023
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Niemand von uns bringt gerne Opfer. Das Leben fordert uns jedoch manche Opfer ab. Manche müssen auf Dinge verzichten wegen ihrer Gesundheit, andere wollen Sport treiben und bringen deswegen Opfer. Für viele ist es das liebe Geld oder persönliche Wünsche, die sie zum Opferbringen veranlassen. Viele bringen Opfer für Familie und Freunde. Diese Opfer sind aber oft genug halbherzig oder nur zwangsläufig. Sie sind selten ganz selbstlos, werden nicht wirklich gerne gebracht und oft lassen sie einen bitteren Geschmack zurück.
Keiner bringt gerne Opfer, aber noch viel weniger möchten wir Opfer sein. Dabei gibt es Hunderttausende von Menschen, die Opfer sind. Opfer von Ungerechtigkeit, Opfer von Krieg, Opfer von Bosheit, schließlich werden wir alle Opfer eines Todes, den wir uns nicht gewählt haben. Das gilt vor allem für die Hilflosen, wie etwa die abgetriebenen Kinder und so viele andere, die ohne eigene Schuld sterben müssen.
Diese Opfer, dieses Leid, dieses Opfersein hätte in dieser Welt gar keinen Sinn, wenn sich nicht jemand entschieden hätte, für all diese Geopferten und für die Opfer so vieler einzustehen mit Seinem eigenen, persönlichen, ganz selbstlosen Lebensopfer: Unser Herr Jesus Christus! Der Herr hat nicht nur Sein ganzes Leben lang unzählige Opfer gebracht, Er hat nicht nur in einer ständigen Entäußerung Seiner Gottheit entsagt und sich für uns in einem Leben voller Opfer hingegeben. Er ist auch das Opfer schlechthin geworden: für alles Unrecht, für alle Sünde, und für den Tod in dieser Welt. Das feierliche Gedenken an dieses Opfer begeht die Kirche an jedem Karfreitag. Aber in unserer Oberflächlichkeit, in unserem auf uns selbst gerichteten Egoismus sehen wir oft nicht, wie groß dieses Opfer ist. Schauen wir deswegen auf einige Elemente dieses kosmischen Opfers.
Zunächst müssen wir uns fragen: Wer handelt in diesem Opfer? Es ist der Allmächtige Gott Selbst, der Seinen Sohn in diese Welt schickt, damit Er einen Leib annimmt und Sich für uns opfern kann. Es handelt sich nicht um ein grausames Menschenopfer, das ein ferner Gott fordert, sondern die zweite Person der Trinität wird selbst Mensch; Gott wird Mensch, er nimmt unsere kleine und unbedeutende Existenz an, er trägt unser Elend mit, damit Er sich in Christusopfern kann für unsere Sünden. Unser Planet wäre völlig vergessen, er wäre verloren und sinnlos in einem riesigen, unbelebten Weltall, wenn Gott, der Schöpfer, Sich nicht unserer erbarmt hätte! Er ist hat uns nicht nur nach seinem Abbild geschaffen, sondern ist nach dem Sündenfall selbst in diese Welt gekommen und hat einen Leib angenommen, den Er für uns opfern kann, damit wir wieder Hoffnung haben. Gott handelt in diesem Opfer, und Gott ist es auch, der den Gegenstand des Opfers schafft. Gott ist es, der das Opferlamm bereitet, indem Er einen Leib annimmt, einen Leib, der in der Passion, die uns heute vor Augen gestellt wird, gegeißelt und blutig geschlagen wird, einen Leib, der wirklich der Leib des Opferlammes geworden ist, das vor den Schächer geführt wird. In Seiner angenommenen Menschheit ist Er selbst das Opfer. Er Selbst nimmt alle Schlechtigkeit und alle Grausamkeit und alle Bosheit der Menschen auf sich, indem Er als das Opferlamm vor den Richter hintritt, um das ungerechte Urteil auf sich zu nehmen. Er, der Gottmensch, zögert keinen Augenblick, Sich hinzugeben für uns, die wir nichts wert wären, wenn Er uns nicht lieben würde.
Dieses Opferlamm bringt sich dar auf einem doppelten Altar. Wir werden gleich den Altar des Kreuzes verehren dürfen, jenen Altar, der der Baum des Lebens geworden ist, an dem das Opferlamm gehangen hat und Seinen letzten Blutstropfen für uns vergossen hat. Doch dieses äußere Opfer, das Opfer, das das Opferlamm sichtbar für uns bringt, würde nichts bewirken, wenn nicht der innere Altar des Herzens Jesu eine echte Opfergesinnung, den tiefen Willen des Gottmenschen, sich für die Sünder zu opfern, in sich beschlossen hätte. Der eigentliche Altar, für den das Kreuz ein sichtbares Zeichen ist, ist das durchbohrte Herz Jesu, das alles auf sich nimmt, das alles annimmt, das sich an unsere Stelle setzt und sich zerreißen lässt für unsere Sünden. Dieser doppelte Altar, der Altar des Kreuzes und der Altar des Herzens wird für uns zu dem einen Altar des Heiles. Deswegen verstehen wir auch, dass derjenige, der sich auf diesem doppelten Altar opfern läßt, identisch ist mit dem Ewigen Hohepriester ist, nach dem wunderbaren Wort des heiligen Augustinus: „Sacerdos et hostia, sacerdos suae hostiae et hostia sui sacerdocii“, „Christus ist Priester und Opfer, Priester seines Opfers und Opfer seines Priestertums.“
Jeder andere Priester, sowohl in den vielen, vergeblichen Opfern des Heidentums, als auch in den das große Opfer Christi vorbildenden Opfern des Alten Testamentes, hat immer jemand anderen oder etwas anderes opfern müssen. Christus ist der Stifter der einzigen wahren Religion, was er dadurch zeigt, das er sich als einziger für seine Gläubigen selbst aufopfert! Unser ewiger Hohepriester opfert sich Selbst in Seinem Priestertum. Er vollzieht das Priestertum Seines eigenen Opfers und Er ist selbst das Opfer Seines Priestertums. In Ihm ist daher alles Priestertum der Welt überhöht und beschlossen. Dieses Priestertum Christi lebt weiter im Priestertum unserer Kirche, wie auch das Opfer weiterlebt auf unseren Altären, weil Christus, der ewige Hohepriester, vom Kreuz herab gegenwärtig ist auf unseren Altären mit Seinem in der Ewigkeit weiterbestehenden Willen, sich für immer für die Sünder zu opfern. Wenn wir Jesus Christus, das Lamm, am Kreuz verehren, dann sehen wir den ewigen Hohenpriester, der in die Welt gekommen ist, das endgültige Opfer unseres Heiles darzubringen.
Der endgültige Moment dieses Opfers aber, den wir heute besonders ehren, ist durch das große Wort des Herrn bezeichnet: Consummatum est, es ist vollbracht! Alle Opfer, die je die Menschen, weil sie irgendwie ahnten oder wussten, dass sie die Gottheit mit sich versöhnen müssen, dargebracht haben, sind in diesem unwiederholbaren Moment zusammengefasst, in dem Ganzhingabe unseres Herrn Jesus Christus für immer besiegelt wird. Für alle Zeiten ist die Sünde damit besiegt, für immer ist der Tod gegenstandslos geworden als ein furchtbares Ende in der Sinnlosigkeit. Neue und endgültige Hoffnung ist gekommen! Denn in dem Moment, wo der Herr spricht: Consummatum est, wird der Ozean jener Verdienste, die Er durch Seine Menschwerdung und durch Seine Entäußerung ein ganzes Leben lang angesammelt hat, ganz aufgefüllt durch den ewigen Verdienst Seines Erlösertodes. In demselben Moment aber, während Seine Gottheit noch geheimnisvoll mit Seinem toten Leib verbunden bleibt, den sie wiederbeleben wird, steht er doch bereits vor dem Thron des Vaters als der Erlöser der Sünder guten Willens: Die Schleusen des Ozeans Seiner Verdienste werden durch das menschgewordene glorreiche Wort Gottes geöffnet, damit wir aus Seiner Barmherzigkeit die Gnade erhalten können, nicht ewig unterzugehen.
Dieser Moment ist so dramatisch, dass er nicht nur das Schicksal der ganzen Welt ändert, sondern das Schicksal des Universums. Plötzlich macht alles Leiden einen Sinn. Plötzlich werden alle Opfer möglich. Plötzlich können wir unser eigenes Leiden, unsere Unwilligkeit zu opfern, die uns trotzdem vor den Opfern des Lebens nicht rettet, dem Herrn hinhalten und Seinen Opfergeist zu unserem machen. Kein sinnvolles Leben, vor allem auch kein wirklich christliches Leben, ist ohne das Opfer Christi möglich! Wir aber haben die große Hoffnung, dass wir angesichts des Kreuzes, das vor uns aufgerichtet ist, an dem der Herr Opferlamm, Priester, Gott und Mensch gleichzeitig ist, wissen dürfen: Unsere Opfer haben einen Sinn, wir sind gerettet, unsere Sünde ist vergeben und wenn wir nur bereuen, dann steht uns die Glorie des Vaters bevor.
Das alles feiert und bedenkt die Kirche am heutigen Tag. Sind wir tief dankbar dafür, dass wir den ewigen Hohenpriester Jesus Christus als unser Opferlamm am Kreuz verehren dürfen. Denken wir daran in jedem Moment, in dem unser Leben schwierig wird und uns Opfer abverlangt, auf dieses Kreuz zu blicken und in Ihm Hoffnung zu schöpfen, damit wir in allen Schwierigkeiten den christlichen Opfergeist bewahren: Ave o Crux, spes unica! Sei gegrüßt, o Kreuz, unsere einzige Hoffnung! Dann können wir uns bei jedem Opfer mit Christus vereinigen und durch Ihn, mit Ihm und in Ihm die Kraft finden, das Wort des Heils zu sprechen, das er zuerst über uns ausgerufen hat: „Consummatum est“, „Es ist vollbracht.“ Amen.
Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am Gründonnerstag, dem 6. April 2023
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Der heutige Abend beinhaltet das größte Glaubensgeheimnis, das wir hier auf Erden von Jesus Christus empfangen haben. Dieser feierliche Abend umfasst alle anderen Glaubensgeheimnisse, alles das, was der Herr uns hinterlassen hat, damit wir durch die Sakramente und Seine göttliche Offenbarung in den Himmel gelangen können.
Das Sakrament aber, das wir heute feiern, die heilige Eucharistie, ist der Mittelpunkt aller heiligen Mysterien. In seiner Enzyklika Mysterium fidei hat Papst Paul VI. schon 1965 gegen grassierende Irrtümer über die Eucharistie Folgendes gesagt: „Wenn die heilige Liturgie im Leben der Kirche den ersten Platz einnimmt, so ist das eucharistische Mysterium gleichsam das Herz und der Mittelpunkt der Liturgie. Weil es der Lebensquell ist, durch den gereinigt und gestärkt, wir nicht mehr für uns, sondern für Gott leben und untereinander geeint sind durch die engsten Bande der Liebe.“ Deswegen hat ein Theologe des 19. Jahrhunderts die heilige Eucharistie als den wirklichen Zusammenfassungspunkt aller Glaubensbekenntnisse bezeichnet: „Cogitanti exhibet integrum fidei christiani conspectum et synthesim“ „Dem denkenden Menschen öffnet [die heilige Eucharistie] einen Überblick des Glaubens, dessen Synthese sie bildet.“
I.
Zunächst erinnert uns die heilige Eucharistie daran, dass wir ohne die Gegenwart des Herrn alle verloren wären. Sie erinnert uns an den Fall unserer Voreltern und daran, dass wir, alle mit der Erbsünde geboren, die unseren Körper und Geist zeichnet, nicht nur durch die Taufe gereinigt werden, sondern, weil wir schwach bleiben, immer wieder gestärkt werden müssen durch die Gabe der Eucharistie, durch das Brot der Engel, durch die Gegenwart unseres Herrn Selbst. Ohne diese Gabe könnten wir dieses Leben nicht so führen, dass es uns zu Gott bringt. Ohne das Brot der Engel wären wir gleichsam jeden Tag dabei, geistlich zu verhungern. Wir wären elend und allein in einer Welt, die immer kälter wird. Die heilige Eucharistie ist in gewisser Weise die Fortsetzung der Menschwerdung unseres Herrn Jesus Christus. Der Herr ist in diese Welt gekommen, um uns von der Erbsünde zu erlösen. Der Herr ist in diese Welt gekommen, um Sühne zu leisten und sich um unseretwillen am Kreuz aufzuopfern.
II.
Die Menschwerdung und die Erscheinung des Herrn werden auf unseren Altären sakramental gegenwärtig. Denn, wie schon der heilige Ignatius von Antiochien im ersten Jahrhundert den Glauben der Kirche zusammengefasst hat: „Die heilige Eucharistie ist das Fleisch unseres Herrn, dasselbe Fleisch, das für uns am Kreuz aufgeopfert wurde und das der Vater auferstehen ließ.“ Wir sind von Gott nicht getrennt, sondern wir können ihn immer wieder in Seiner von Gott ganz verherrlichten Menschheit in unser Herz kommen lassen und uns mit Ihm vereinigen. So ist denn die heilige Eucharistie für uns das wirkliche und wirkmächtige Gedächtnis jenes einzigartigen Opfers, in dem der Herr Sein Fleisch für uns am Kreuz hingegeben hat. Jedes Mal, wenn die heilige Messe gefeiert wird, dann stehen wir alle unter dem Kreuz. Jedes Mal, wenn die heilige Eucharistie uns dargeboten wird, dann sehen wir den durchbohrten Leib unseres Herrn. Dann ist der Herr wiederum als Erlöser unter uns gegenwärtig und Sein Blut fließt über die ganze Welt. Jedes Mal, wenn die heilige Messe gefeiert wird, dann wird das große Geheimnis unserer Erlösung gegenwärtig.
III.
Der Herr offenbart sich uns in der heiligen Eucharistie daher als der Priester unserer Erlösung. Er ist in die Welt gekommen, weil er Priester sein wollte, Mittler zwischen uns und dem Vater, Mittler, der sich derjenigen annimmt, die verloren waren. Er gibt sich in einem einzigartigen priesterlichen Akt selbst als Opfer hin und macht dieses Opfer ist jedes Mal in der heiligen Eucharistie gegenwärtig. Seine Gegenwart wird uns nicht entzogen, sondern der gottmenschliche Priester des Erlösungsopfers öffnet uns in bleibender Weise sein Herz in der heiligen Eucharistie. Der ewige Hohepriester zeigt sich uns darin als der Priester des einen wahren Opfers und schenkt uns Seinen gegenwärtigen Leib jedes Mal dann, wenn die heilige Eucharistie gefeiert wird. Er hat gesagt: Das ist mein Leib, das ist der Kelch meines Blutes. Weil Jesus Christus als Gott und Mensch spricht, ist jeder Zweifel an der Gegenwart unseres Herrn ein Zweifel an der Allmacht Gottes. Daher muss sich jeder Priester, in dem das Priestertum des Herrn, das heute der Kirche geschenkt worden ist, durch die Kraft Christi fortlebt, der Würde des Opfers erinnern, dass er sakramental gegenwärtig setzt. Wer das Geheimnis der heiligen Eucharistie durch die Banalisierung der Liturgie verkleinert, verkleinert ebenso den Glauben an die Gottheit unseres Herrn und an das große Geheimnis unserer Erlösung, das sich vor unseren Augen in jeder heiligen Messe vollzieht. Wo die Liturgie würdig und feierlich vollzogen wird, öffnet sie uns die Augen des Glaubens.
IV.
Daher ist die heilige Eucharistie auch auf die ganze Kirche geöffnet. In der heiligen Eucharistie ist die Kirche symbolisiert: Wie im Brot die vielen Körner geeint sind, so ist in der Gemeinschaft der Kirche durch Jesus Christus in der Eucharistie der ganze Leib, der mystische Leib der Kirche, dessen Haupt Jesus Christus Selbst ist, gegenwärtig und sichtbar. So sagt wieder Paul VI. in der Enzyklika Mysterium fidei: „Die ganze Kirche, die mit Christus zusammen das Amt des Priesters und Opfers ausübt, bringt das Messopfer dar und wird in Ihm auch selbst ganz dargebracht.“
Wenn wir heute die heilige Eucharistie am Gründonnerstag feiern, dann feiern wir sie nicht nur mit Jesus Christus und seinen Aposteln. Wir sind nicht nur gleichsam im Abendmahlssaal und vorausgenommen unter dem Kreuz, sondern wir stehen hier mit allen Priestern, allen Bischöfen und allen Päpsten der Welt, wir stehen hier mit den Engeln und Heiligen, mit der ganzen sichtbaren und unsichtbaren Kirche, und bringen der Heiligen Dreifaltigkeit den Leib unseres Herrn Jesus Christus zu Ehre und Opfer da. Deswegen die großartigen Zeremonien der Kirche, deswegen die Gesänge, die seit Jahrtausenden erklingen, deswegen die Ehrfurcht, mit der wir alle uns diesem Geheimnis nähern.
V.
Wenn diese Ehrfurcht uns begleitet, werden wir durch die heilige Eucharistie auch darin bestärkt, was wir sind: Wir werden wir teilhaft an der Gottheit Jesu Christi. Wir werden daran erinnert, dass wir nicht mehr verloren sind, sondern dass wir durch die Gnade unseres Erlösers zu Adoptivkindern des Vaters im Himmel geworden sind. Wir werden in der heiligen Eucharistie an unsere einzigartige Würde als Christen erinnert. Deswegen sagt der heilige Paulus so deutlich in der Epistel des heutigen Abends, dass wir nicht unwürdig zutreten dürfen zu diesem Altar, auf dem sich der Herr Selbst opfert. Wir müssen, unserer Würde als Kinder Gottes bewusst, uns vorbereiten auf die heilige Eucharistie. Jetzt durch eine gute Osterbeichte, aber immer dadurch, dass wir unser Herz befreien von aller Sünde und Schuld, dass wir bereuen, oft in unsere Schwächen zurückzufallen. Wir dürfen uns bewusstwerden, dass wir gleich, wenn wir die heilige Kommunion empfangen, als Kinder des einen Vaters Tempel werden des Heiligen Geistes und der Herr Selbst in uns wohnt.
VI.
Deswegen werden wir in der heiligen Eucharistie auch auf besondere Weise mit der Gottesmutter vereint. Denn die Gottesmutter ist zuerst eine eucharistische Monstranz gewesen, in der und durch die die Eucharistie und das Opfer Jesu Christi möglich wurden. So heißt es wieder mit der schon zitierten Enzyklika: „Die allerseligste Jungfrau Maria, von der Christus, der Herr, jenes Fleisch annahm, das in diesem Sakrament unter den Gestalten von Brot und Wein enthalten ist, dargebracht und genossen wird, ist jedem, der sich der heiligen Eucharistie nähert und würdig vorbereitet ist, ganz besonders nahe als Mutter des eucharistischen Herrn.“ Es ist die Gottesmutter, die uns lehrt, den eucharistischen Herrn zu lieben und in seiner Gegenwart zu leben.
VII.
Wir können durch diesen Überblick über die Geheimnisse des Glaubens, die uns in der heiligen Eucharistie entgegentreten, auch verstehen, warum die heilige Eucharistie der Anfang jeder endgültigen Anbetung ist, für die wir alle geschaffen sind: Wir müssen immer etwas lieben. Wir müssen immer uns nach etwas sehen. Unser Herz ist hier niemals ruhig, weil wir die endgültige Liebe und Erfüllung dieser Sehnsucht nicht gefunden haben. Die heilige Eucharistie aber ist gleichsam das Unterpfand des Versprechens Gottes, dass wir die Erfüllung unserer Sehnsucht finden können. Die heilige Eucharistie ist das Unterpfand Seiner nicht endenden Liebe. Daher wird sie von uns angebetet und seit den Anfängen der Christenheit ehrfürchtig bewahrt und verehrt. Schon der heilige Augustinus sagt: „Nemo illam carnem manducat, nisi prius adoraverit.“ „Niemand wage dieses Fleisch zu essen, wenn er es nicht vorher angebetet hat.“
Die ganze heilige Liturgie der Kirche ist eine ständige, großartige Anbetung des gegenwärtigen Mysteriums des Erlöserpriesters in der heiligen Eucharistie. Wenn wir deswegen hier in Engelport die Anbetung mit unseren Schwestern besonders pflegen, wenn die heilige Kirche das gläubige Volk immer aufgefordert hat, den Herrn anzubeten, dann deswegen, weil die heilige Eucharistie für uns ein offenes Fenster zum Himmel ist; weil wir darin sehen können, dass der Herr gegenwärtig ist, mitten in der Traurigkeit unserer Zeit; weil Er uns damit eine Hoffnung gibt, die in keiner Not aufhören wird, wenn unsere Anbetung treu bleibt und wir als eucharistische Christen dem Herrn Ehrfurcht und Liebe darbieten. Die heilige Eucharistie ist das Unterpfand jener Glorie, für die jeder von uns als Kind Gottes geschaffen ist.
Aus diesem Grund haben die Kirchenväter dieses großartige Sakrament, das so viele Glaubensgeheimnisse umfasst und das in seiner Größe von niemandem völlig erklärt werden kann, mit dem Baum des Paradieses verglichen. Die heilige Eucharistie, die wir heute feiern, der Herr, unter uns gegenwärtig als der geopferte Gottmensch, ist jener Baum des Paradieses, der mitten in der Kirche wächst ist, der immer blüht! Was auch sonst in der Kirche vorgehen sollte: Hier ist das Heil, hier ist das große Geheimnis, hier ist das Unterpfand der Ewigkeit. Am heutigen Abend der Feier der Einsetzung der Eucharistie und des Priestertums wollen wir daher mit großer Demut dieses zentrale Geheimnis unseres Glaubens verehren und Gott von ganzem Herzen danken, dass Er uns nicht allein gelassen hat, sondern dass Er im Altarssakrament und im Priestertum der Kirche durch Seine große Liebe immer gegenwärtig ist für jeden von uns. Amen.
Predigt von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am Aschermittwoch, dem 21. Februar 2023
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Was ist der Mensch ohne Gott? Der hl. Johannes vom Kreuz gibt eine eindeutige Antwort: nada de nada, gar nichts: Der Mensch ohne Gott ist gar nichts! Das gilt schon auf der natürlichen Ebene. Denn wenn uns Gott nicht geschaffen hätte, wenn wir nicht ganz von Ihm getragen würden, wenn Er nicht in jedem Moment für uns sorgen würde, dann würden wir vergehen wie nichts. Die Menschen, ja ganze Völker, so sagt die Heilige Schrift, sind wie ein „Tropfen am Eimer“ (Is 40, 15). Wir sind wie das Gras auf dem Feld, das am Morgen blüht und am Abend verwelkt (vgl. Ps 90, 5-6; auch Mt 6, 30; Lk 12, 28). Ohne Gott, den Schöpfer, der uns unsere Existenz gegeben hat, wären wir niemals aus dem Nichts hervorgetreten und ohne Ihn könnten wir uns keinen Augenblick in diesem Leben halten.
Doch selbst mit Gott haben wir durch die Sündhaftigkeit unserer Voreltern mitverschuldet, dass unser Leben nichts ist. Kaum hat es begonnen, dann endet es schon. Wer älter wird, muss jeden Moment an den Tod denken. Auch die, die jünger sind, wissen, dass ihr Leben kaum mehr als 70 oder 80 Jahre betragen wird, heute vielleicht 90, aber dass alles schnell vergeht, so schnell, dass wir oft sagen: Die Zeit eilt davon, tempus fugit. Kaum, dass wir geboren sind, müssen wir schon sterben. Ein bekannter deutscher Philosoph hat sogar bemerkt: „Das Leben ist die Krankheit zum Tode.“
Darüber hinaus ist unser Leben sehr zerbrechlich. Eine kleine Krankheit wirft uns nieder, ein geplatztes Blutgefäß in unserem Kopf kann uns ganz hilflos machen, wir sind in jedem Moment unseres Lebens von Krankheit, Unfall, von vielen unguten Dingen bedroht, die wir weder ganz vorauswissen können und die uns niemals wirklich vorbereitet treffen. Der Mensch ist trotz allen Fortschritts in Technik und Medizin immer gefährdet.
Schließlich wissen wir alle, was uns die Kirche heute deutlich vor Augen führt: „Bedenke o Mensch, dass Du Staub bist und zum Staub zurückkehren wirst.“ Unser Leben wird sicher mit dem Tod enden. Wir kennen nicht die Stunde, aber wir wissen: Es geht zu Ende und bald zu Ende. Selbst diejenigen, die sich vielleicht jetzt noch blühender Jugend erfreuen und guter Gesundheit, können morgen schon erfahren, dass sie nichts sind als Staub. Schon auf der natürlichen Ebene also sind wir ganz von der Güte und der Barmherzigkeit Gottes abhängig, sonst wären wir „nada de nada“, gar nichts.
Das gilt noch mehr, wenn wir auf übernatürliche Ebene blicken, auf jene Wirklichkeit, die mit der Gnade Gottes zu tun hat. Wir alle sind getauft, wir alle sind gefirmt, wir alle bemühen uns um ein christliches Leben. Aber wir könnten das nicht aus eigener Kraft: Gott hat uns erwählt! Er hat uns auserwählt und geliebt, noch bevor wir von unseren Eltern gekannt waren. Unsere Namen sind, so dürfen wir hoffen und beten, im Buch der Vorherbestimmung verzeichnet. Wir sind von Gott und Seiner Gnade dazu bestimmt, einst, wenn wir Seinen Willen getan und unsere Sünden bereut haben, einzugehen in das ewige Leben mit Ihm.
Das aber sind alles Geschenke. Wir können nicht einmal die Gnade der Barmherzigkeit in der Todesstunde verdienen. Wenn wir in der Todesstunde unserem Glauben an Jesus Christus treu bleiben, so lehrt die Kirche, dann ist das ein Gnadengeschenk. Allein können wir gar nichts. Wenn nicht Gott da wäre, um uns von den Nachstellungen des Teufels zu bewahren und uns ständig mit seiner Gnade zu beschenken, wären wir im geistlichen Bereich ebenso verletzlich wie im natürlichen.
Gott hat uns nach seinem Abbild geschaffen, „nur wenig geringer als einen Gott“ (Ps 8, 6) und uns die Herrschaft über die Wesen dieser Welt geschenkt (Gen, 1, 26 ff.). Er hat uns aus reiner Güte aus dem Nichts emporgehoben. Er hat uns nicht nur die leibliche Natur geschenkt, sondern Er hat uns unser Leben verliehen, damit wir zeigen können, ob wir Seinen Willen tun wollen. Aber alles hängt dennoch von Ihm ab. Er schenkt uns jeden Tag neue Gnaden: die Gnaden der Bekehrung, die Gnaden des Gebetes, die Gnaden des Glaubens, die Gnaden der Gottes- und Nächstenliebe. Wir könnten niemanden lieben mit jener Liebe, die zum Heil notwendig ist, wenn Er uns nicht zur Seite stünde und uns in unserer Schwachheit jeden Moment mit der Gnade beschenkte.
Deswegen erinnert uns die Kirche heute eindringlich daran, dass wir Staub sind, dass wir uns vor dem Herrn niederwerfen müssen in unserem eigenen, sündigen Elend. Gleichzeitig zeigt sie uns, dass Gott uns sicher erheben kann, dass Er uns viele Gaben geschenkt hat, dass wir deswegen durch Seine Liebe, Seine Gnade und Seine Güte wertvoll sind in Seinen Augen. Aber nicht aus unserer eigenen Kraft, nicht, weil wir ohne Seine Gnade etwas verdienen könnten, nicht, weil wir uns unserer persönlichen Größe rühmen dürfen. Wie der hl. Paulus sagt: Gott „aber antwortete mir: Meine Gnade genügt dir; denn die Kraft wird in der Schwachheit vollendet. Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt“ (Phil 4,13).
Denken wir also am Beginn dieser hl. Fastenzeit daran, dass wir ohne Gott gar nichts sind und gar nichts haben. Versuchen wir in diesen vier Wochen dadurch, dass wir fasten und Almosen geben, uns immer daran zu erinnern, dass alles, was wir sind und haben, Gottes freies Gnadengeschenk ist. Versuchen wir auf diese Weise, Gott wieder zum Mittelpunkt unseres Lebens zu machen und anzuerkennen, dass alles nur von Ihm stammt. Er lädt uns ein, weil Er uns liebt, als Seine Kinder mit Seiner Gnade mitzuwirken. Sind wir Ihm unendlich dankbar, dass Er uns erwählt hat. Und beginnen wir diese heilige Fastenzeit mit dem Wunsch, Seiner Gnade gerecht zu werden, Ihm zu dienen, unser Leben Ihm ganz zu unterwerfen und dadurch aus unserem Nichts in Seine Herrlichkeit zu gelangen. Amen.
Predigt von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am 5. März 2023, dem 2. Fastensonntag
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Der schaut aber verklärt drein! Wenn man das von jemandem sagt, dann ist es nicht gerade ein Kompliment. Man möchte damit sagen, dass er ein bisschen abgehoben ist, dass er nicht wirklich in der Realität seinen Platz findet, vielleicht sogar, dass er ein kleines bisschen getrunken hat; jedenfalls ist er weit von dem entfernt, was wir die Wirklichkeit nennen und vielleicht sogar ein Träumer.
Das aber hat nichts mit der Verklärung unseres Herrn zu tun! Der Herr, wie wir gerade gehört haben, sieht tatsächlich verklärt aus, aber diese Verklärung bringt Ihn nicht weg von der Wirklichkeit, sondern lässt die eigentliche, göttliche Wirklichkeit in Ihm nach außen sichtbar werden, sodass Er klar und leuchtend erscheint und Seine Kleider weiß wie Schnee. Diese Verklärung offenbart das wahre Sein des Herrn, der ganz Mensch ist, sodass Ihn niemand zunächst als den Sohn Gottes erkennen kann, aber auch ganz Gott, was in diesem Moment sichtbar wird.
Trotzdem können wir fragen: Was hat das mit uns zu tun? Ist es nicht immer noch abgehoben, ist es nicht immer noch fern von unserer Alltäglichkeit? Solchen Fragen zeugen von wenig Verständnis für die Wirklichkeit des Christen, denn diese umfasst die Verklärung durch die Gnade: Auch wir sind nämlich anfanghaft verklärt! Wir bleiben Menschen, aber wir haben das Geschenk der Teilhabe an der göttlichen Natur erhalten und zwar durch das übernatürliche Geschehen der Rechtfertigung, wie die Kirche die göttliche Rettung des Sünders nennt.
Die Rechtfertigung, so lehrt das Konzil von Trient, ist die Versetzung aus dem Zustand der Sünde, in den jeder Mensch durch die Sünde des ersten Adam hineingeboren wird, in den Zustand der Gnade und Gotteskindschaft durch die Verdienste des zweiten Adam Jesus Christus, unseres Erlösers. Wir alle sind im Moment der Taufe gerechtfertigt worden. Wenn der Priester dem Kind das Wasser über die Stirn laufen lässt und den Namen des Dreifaltigen Gottes über es anruft, wird Gott selbst in diesem Kind rechtfertigend tätig und die verklärende Gnade der Gotteskindschaft im Zeichen der Taufe sichtbar.
Diese anfanghafte Verklärung, die Rechtfertigung und Begnadung, die in der Taufe mit uns allen vor sich gegangen ist, hat zwei Hauptelemente: Zunächst einmal wird die Erbsünde weggenommen und unsere Natur gereinigt. Dazu wird uns noch die heiligmachende Gnade mit dem Geschenk der Gotteskindschaft verliehen. Im zweiten Petrusbrief heißt es, wir werden θείας κοινωνοὶ φύσεως, divinae consortes naturae (2 Petr 1, 4), wir werden teilhaft der göttlichen Natur. Wir stehen nicht mehr als Sünder vor Gott, weil die Sünde ganz weggenommen und nicht nur zugedeckt wurde. Zusätzlich werden wir innerlich erneuert, wir erhalten eine innere Kraft, die uns ermöglicht, von nun an als Gotteskinder zu leben, von nun an anfanghaft innerlich verklärt zu sein, von nun an als Menschen an der Natur Gottes teilzuhaben, die uns ein ganz neues Leben gibt.
Das bewirken wir nicht selbst, es ist nicht das Ergebnis einer äußerlichen moralischen Anstrengung, nichts, das wir in irgendeiner Weise selbst hervorrufen könnten. Die Rechtfertigung ist das Tun des barmherzigen Gottes an uns, durch das uns die Verdienste Jesu Christi am Kreuz erlösend erreichen. Gott selbst stellt dadurch in uns Seine Ehre wieder her, er erneuert sein Bild in uns und eröffnet uns damit den Weg zum ewigen Leben. Das ist der Grund, warum die Rechtfertigung notwendig ist, denn ohne gerechtfertigt zu sein, können wir nicht in der Ewigkeit vor Ihm stehen und Ihn preisen. Die Verdienste Jesu Chrisi sind es, die dieses Wunder der anfanghaften Verklärung in uns bewirken, und es ist die Barmherzigkeit Gottes, die ohne Ansehung unserer Verdienste uns dieses Geschenk gibt, damit wir in dem leben können, was uns geschenkt worden ist, nämlich in der innerlichen Heiligkeit der Gnade und in der Gotteskindschaft, die die Einwohnung des hl. Geistes in unserer Seele mit sich bringt.
Die heiligmachende Gnade wirkt innerlich und verändert unser Sein. Die Rechtfertigung, durch den Heiligen Geist in uns bewirkt, ist also nicht etwas Äußerliches, das nur moralisch für uns einen Wert hat. Gott ist nicht nur wie ein Gesetzgeber, der von außen Lehren und Vorschriften erlässt, sondern Er ist auch wie ein Arzt, der uns als gesundmachende Medizin die innere Kraft gibt, die uns von der Sünde heilt und zum guten Handeln innerlich befähigt. Die heiligmachende Gnade ist jenes Element göttlicher Stärke, das uns ermöglicht, das zu tun, was Er zu unserem Heil will. Gott gebietet nicht nur und lässt uns dann allein, sondern Er schenkt uns jene Gabe, mit der wir tun können, was Seines Willens ist.
Diese heiligmachende Gnade ist eine bleibende Kraft in uns. Die Theologie nennt sie einen habitus entitativus, eine in unserem innersten Sein wirkende dauernde Kraft, die uns nicht mehr verlässt, solange wir grundsätzlich mit Gottes Willen in Übereinstimmung leben und keine Todsünde begehen. Sie wird jedesmal gestärkt, wenn wir zur Beichte gehen, und sie wird uns wieder neu geschenkt, wenn wir nach einem schweren Fall Buße tun und in der heiligen Beichte von Herzen bereuen, was wir getan haben. Die Gnade der Rechtfertigung zusammen mit der bleibenden Gnade der Heiligung gibt uns die Stärke, als Christen zu leben. Deswegen sagt der Apostel Paulus so deutlich: „Gottes Wille ist eure Heiligung“ (1 Tim 4, 3). Dieser Heiligungswille Gottes wird uns nicht nur von außen angetragen, sondern erneuert uns innerlich durch die Macht der von ihm ausgehenden Gnade. Die Gnade stärkt unseren eigenen Willen und gibt uns die tatsächliche Möglichkeit zu tun, was Gott will.
Jeder von uns hat diese anfanghafte Verklärung durch die Teilnahme an der göttlichen Natur erhalten. Jeder von uns darf hoffen, wenn er christlich lebt, das Geschenk der heiligmachenden Gnade immer in sich zu tragen, jeder von uns darf im Vertrauen auf diese Gnade, die uns durch den Glauben an Christus geschenkt und durch die Taufe vermittelt wird, wissen, dass er geheiligt ist. Nicht aus eigener Kraft, nicht aus eigener Anstrengung allein: Mit der geschenkten Gnade müssen wir wohl immer mitarbeiten, doch die Gnade geht allem unserem Tun voraus und begleitet uns auf dem Weg, den sie vollendet. Wir sind niemals allein. Die Kraft Gottes bleibt in uns. Der göttliche Arzt bleibt an unserer Seite und gibt uns von Neuem Seine heiligmachende Medizin, wenn wir durch die Sakramente der Kirche darum bitten.
Deswegen schauen wir nicht verklärt, weit von der Wirklichkeit entfernt, sondern wir sind verklärt, durch die Wirklichkeit Gottes in uns. Jeder von uns kann sicher sein, dass er in der Taufe heilig geworden ist, und seine ganze Aufgabe ist es nun, diese Heiligkeit zu leben und allen zu zeigen, ebenso wie der Herr seine göttliche Wirklichkeit in der Verklärung offenbart. Was wir Gutes tun, geschieht immer mit der Kraft Gottes und aus dieser heraus. Wenn wir es mit ganzem Herzen tun und die uns angebotene Hand der Gnade annehmen, dann wird diese Heiligkeit nach außen sichtbar und alle werden sehen, dass wir schon anfanghaft verklärt sind, und mit Christus in der Heiligkeit, die Gott allein schenkt, für das ewige Leben erwählt. Amen.
Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am Palmsonntag, dem 10. April 2022
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen
Ein Missverständnis, sogar ein sehr gefährliches Missverständnis hat Gott am Palmsonntag dazu benutzt, Seine Großtaten zu verkünden und uns allen zu zeigen, wer Christus Jesus wirklich ist.
Weil nämlich eine große Zahl der Juden nicht etwa den göttlichen Messias erwarteten, sondern einen innerweltlichen Herrscher, einen neuen König, der sie aus der Hand der Römer befreien sollte, sind die meisten von ihnen Jesus mit Palmzweigen entgegengegangen und haben ihn als König begrüßt. Sie riefen dabei mit lauter Stimme: „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel!“ (Jo 12, 12). Selbst die Apostel wussten nicht genau, was diese Szene bedeutete. Der heilige Johannes sagt im zwölften Kapitel seines Evangeliums, dass sie erst nach der Auferstehung des Herrn begriffen haben, warum er auf einem Eselsfüllen in die Stadt hereingeritten war (Jo, 12, 16). Die anderen haben nichts begriffen, die Apostel haben nur wenig geahnt. Eine kleine Gruppe von Gerechten aber, allen voran die Gottesmutter, hat gewusst, dass der Einzug des Messias in seine Stadt der Anfang der endgültigen Erlösung für die Ewigkeit sein sollte.
So müssen auch wir uns entscheiden: Wollen wir unser Heil von der Welt erwarten? Glauben wir, dass irgendeine Regierung, dass irgendein Herrscher, dass irgendjemand, der in dieser Welt Macht hat, diese Welt zu einem Reich des Friedens machen kann? Zu einer krankheitsfreien Stätte, zu einem Platz voller Harmonie, wo die Menschen sich einander nur Gutes tun? Ein Blick in die Geschichte zeigt uns, dass das nicht möglich ist. Wenn wir auf das innerweltliche Heil hoffen, dann können wir lange warten und wir werden genauso enttäuscht werden wie die meisten Juden der damaligen Zeit, die noch immer auf ihren weltlichen König warten müssen.
Wir wollen uns deswegen zu der kleinen Gruppe der Gerechten, allen voran der Gottesmutter, gesellen. Wir wollen erkennen, dass wahr ist, was der Herr selber gesagt hat: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt!“ (Jo 18, 36). Das Reich unseres Königs nicht von dieser Welt, denn der Herrscher dieser Welt ist der Satan, der die Herzen der Menschen verblendet (2 Kor 4, 4). Sie erwarten alles von dieser Welt. Wir aber können hier nie endgültigen Frieden, bleibende Gesundheit, ewiges Glück und eine Existenz ohne Tod, Kreuz und Leid erwarten. Wir müssen vielmehr wissen, dass unser Glaube uns auf die Zukunft ausrichtet! Der Herr uns zwar das Heil gebracht und Sein Reich besteht anfanghaft schon in der Kirche, aber wir preisen Ihn als unseren König, weil Er der vor allem König der kommenden Herrlichkeit ist, der König, der uns in der Ewigkeit endgültig von Krieg, Tod und Leid erlösen wird.
Deswegen müssen wir die Worte der Gottesmutter von Fatima ernst nehmen. Der Heilige Vater hat soeben Russland und die Ukraine dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht. Die Gottesmutter hat in Fatima gesagt, dass darauf ihr Triumph folgen wird, aber nicht ohne viel Leid und ohne große Kreuze, die vorher die Welt und unsere Gesellschaft belasten werden.
Sind wir also nicht dumm und kurzsichtig wie die Menschen, die damals in Jerusalem einen König wollten, weil sie von ihm das weltliche Heil erwarteten. Wissen wir vielmehr, dass jeder von uns auf die eine oder andere Weise das Kreuz des Herrn in dieser Zeit mittragen muss. Bereiten wir uns auf die Kreuze vor, die kommen werden. Aber sind wir auch sicher, eben weil unser Herr kein weltlicher Herrscher ist und keine leeren Versprechungen für das Diesseits macht, dass Sein ewiges Heil schließlich kommen wird.
Auch in der Kirche dieser Zeit wird eines Tages das Herz der Gottesmutter triumphieren, wenn wir treu bleiben und Christus immer als den wirklichen Priesterkönig, den Mittler und Messias für Zeit und Ewigkeit verehren. Dann werden wir endgültige Freiheit, Gesundheit und Glück nicht in dieser Welt erwarten, sondern Ihm treu bleiben in Kreuz und Leid und Tod. Nur so können wir wie die Gerechten, die Ihm in Jerusalem entgegengegangen sind, in einem guten Geist und wahrer Hoffnung mit der ganzen Kirche rufen: „Hosanna, Filio David! Preis Dir, Sohn Davids, hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Christus allein ist der wirkliche König, der uns das tatsächliche, ewige und endgültige Heil bringen wird. Amen.