Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am 16. April 2023 (Weißer und Barmherzigkeitssonntag, Primiz und Erstkommunion)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Hochwürdiger lieber Neupriester, liebes Kommunionkind, liebe Kanoniker, Geliebte im Herrn!

Dominus meus et Deus meus, Mein Herr und mein Gott! (Jo 20, 28). Der Apostel Thomas hat an die Gottheit Jesu Christi erst geglaubt, als er Ihn gesehen hat und seine Hände in Seine Wunden legen konnte. Der Herr weiß, dass wir, um glauben zu können, der Vermittlung von sichtbaren Zeichen bedürfen. Deswegen sind die drei großen Geheimnisse, die wir heute durch eine Fügung der göttlichen Vorsehung gemeinsam feiern können, durch das Geheimnis der Mittlerschaft verbunden: die göttliche Barmherzigkeit, das Priestertum Jesu Christi und der Kirche sowie die heilige Eucharistie.

Liebe ist für den Menschen immer vermittelt. Sicher können und sollen wir uns selbst in einem gewissen Maß lieben, aber in unserem Herzen ist eine größere Sehnsucht, eine tiefe Sehnsucht nach Liebe und Erfüllung, die uns nur – und immer nur – eine andere Person schenken kann. Das ist in der Ehe der Ehegatte, in der Freundschaft der Freund oder die Freundin, das ist in unserer Beziehung zu Gott der Herr Selbst, Der sich uns barmherzig naht.

Liebe ist immer vermittelt. Zunächst vermittelt im undurchdringlichen Geheimnis der göttlichen Dreifaltigkeit. Der Vater liebt den Sohn durch die Vermittlung des Heiligen Geistes, der die Brücke einer ganz göttlichen und geheimnisvoll personhaften Liebe zwischen der ersten und der zweiten Person der göttlichen Trinität bildet. Auch im inneren geheimnisvollen Leben Gottes ist die Liebe vermittelt, und zwar durch den liebenden Gott Selbst.

Um uns die Teilhabe an der trinitarischen Liebe schenken zu können, hat der Allmächtige Gott uns wiederum einen Mittler, ja den Mittler für diese Welt gesandt, Der uns Seine barmherzige Liebe bringt: Unseren Herrn Jesus Christus. Er nimmt in Seiner Menschwerdung, um Mittler sein zu können, unsere Natur an und bleibt doch Gott, damit Er uns, geopfert als Mensch auf dem Kreuz, durch die göttliche Kraft in diesem Erlösertod die Liebe der Barmherzigkeit Gottes endgültig vermitteln kann. Christus ist Seinem Wesen nach ein Mittler! Er ist nach Seinem Wesen als Gottmensch der mittlerische Priester, den der Vater uns schenkt, damit wir die vermittelte Liebe der Barmherzigkeit in unsere Herzen hineinnehmen können.

Deswegen ist das Mittlertum auch ein Prinzip der Kirche. Der Herr beschränkt sich nicht darauf, als der Mittler unseres Heils am Kreuz zu sterben, sondern Er hinterlässt uns die vermittelte Liebe in Seinem eigenen Priestertum. Er schenkt der Kirche nicht nur Sein eigenes Hohepriestertum, mit dem Er ein für allemal uns die Liebe Gottes am Kreuz vermittelt hat, sondern Er sendet uns menschliche Mittler, Mittler, an denen wir sehen können, dass Gottes barmherzige Liebe uns nicht verlässt; priesterliche Mittler, die, obwohl sie schwache Menschen bleiben und, wenn wir nicht genug für sie beten, auch fallen können, doch unmittelbar notwendig sind, damit wir an der vermittelten Liebe Gottes teilhaben können. Denn jeder priesterliche Mittler, den Christus gesandt hat – „So wie der Vater Mich gesandt hat, so sende Ich euch“ (Jo 20, 21) – hat die göttliche Kraft erhalten, durch sein Amt die Liebe Gottes in wirksamen Zeichen zu vermitteln.

Sie, lieber Herr Kanonikus Bell, sind daher schon als junger Priester mit besonderer Kraft und Macht ausgestattet, die vor dem Bösen in der Welt nicht halt zu machen braucht. Als Priester Jesu Christi vermitteln Sie den Menschen nicht nur die sichtbare Liebe und die Barmherzigkeit Gottes. Sie vermitteln ihnen in der heiligen Beichte ebenso die unendliche und immer erneuerte liebende Vergebung des Herrn. Sie vermitteln vor allem in dem großen eucharistischen Glaubensgeheimnis, das wir gleich feiern werden, uns allen die Gegenwart Jesu Christi, die auf andere Weise auch in Ihnen vorhanden ist, denn Sie sind, vor allem am Altar und bei der Sakramentenspendung, ein alter Christus, ein zweiter Christus. Sie handeln gleich bei der heiligen Wandlung in der Person Christi und machen den Herrn unter uns gegenwärtig mit Seiner mittlerischen Liebe!

Deswegen müssen wir Gott unendlich dankbar sein, dass Er uns wie dem Thomas Zeichen Seiner Liebe gibt, dass Er uns durch Sein Priestertum niemals allein lässt, dass wir in den Priestern der Kirche, mögen sie auch jung oder alt, schwach oder stark sein, Seine gegenwärtige Liebe verehren können und uns immer sicher sein können, dass es eine Brücke gibt für die Barmherzigkeit Gottes von der Ewigkeit her in unsere Welt hinein.

So sind wir besonders froh, dass wir diese Mittlerschaft heute an dem größten vermittelten Zeichen Seiner Liebe auch als Erstkommunion feiern können. Denn was der Priester gleich am Altar tut, bleibt eben nicht nur ihm selbst vorbehalten. Der Priester wandelt durch das Wort Christi Brot und Wein in Fleisch und Blut unseres Herrn, damit es uns, die wir wohl vorbereitet zur Kommunionbank gehen, gespendet wird; damit wir teilhaben an der Mittlerschaft, damit die barmherzige Liebe, die die Kirche heute besonders feiert, in unser Herz kommt, und damit wir, dadurch gestärkt, ebenfalls Mittler der Liebe werden können.

Liebes Kind, wenn du gleich zum ersten Mal den Herrn empfängst, unter den geheimnisvollen Zeichen, die die Kirche täglich feiert, dann wirst auch du an der Vermittlung der Liebe Gottes mitwirken. Du kannst, wie wir alle, mit diese göttlichen Gabe die Barmherzigkeit Gottes durch ein christliches Leben bezeugen und Du wirst so selbst ein deutliches Zeichen jener barmherzigen Liebe, die der Herr uns niemals entzieht. Dazu hilft Dir der unter der Gestalt der Hostie gegenwärtige Herr, der mit Seiner Liebe in Dein Herz kommt.

So sehen wir, dass diese Glaubensgeheimnisse der heiligen Barmherzigkeit, des Priestertums und der heiligen Eucharistie eng und untrennbar miteinander verbunden sind. Der Barmherzigkeitssonntag zeigt uns an die unendliche Barmherzigkeit Gottes für die reuigen Sünder. Durch unseren Neupriester werden wir an die bleibende priesterliche und sakramentale Gegenwart unseres Herrn erinnert. Die erste heilige Kommunion eines Kindes am Weißen Sonntag offenbart uns, dass auch wir berufen sind, Mittler zu sein in einer Welt, die der vermittelten Liebe unseres Herrn täglich mehr bedarf. Wenn wir vor diesen drei Geheimnissen stehen, dann können auch wir wie der heilige Thomas sehen und glauben. Wir können die in diesen Glaubensgeheimnissen zeichenhaft und wirkmächtig vermittelte Liebe unseres Herrn erkennen und anbeten. Daher dürfen wir mit dem Apostel Thomas und der ganzen Kirche heute froh und dankbar mit österlicher Freude rufen: Dominus meus et Deus meus, mein Herr und mein Gott! Amen.