Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz ”Benedikt XVI. Eine dankbare Würdigung“ Predigt im Requiem in Maria Engelport am 5. Januar 2023

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wer war Benedikt XVI.? Diese Frage wird bei einer so hochgestellten Persönlichkeit nicht einfach zu beantworten sein.  Deswegen wollen wir Benedikt XVI. selbst erklären lassen, wer er war und ist. Wir wollen dafür den Worten seines geistlichen Testamentes folgen, das er schon kurz nach seiner Wahl zum Papst im August 2006 verfasst hat.

In diesem geistlichen Testament tritt er uns zunächst als der Mensch entgegen, der er geblieben ist, wenn der Herr ihn auch zur höchsten Würde auf Erden emporsteigen ließ. Jeder Papst, wir wissen es vom hl. Petrus, bleibt Mensch. Es sind die Worte eines einfachen Menschen, die uns am Anfang dieses geistlichen Testamentes in die Seele treffen.

Zunächst dankt er als Mensch denen, die ihm das Leben geschenkt haben, nämlich seinen Eltern. Und er findet rührende Worte, weil er ihnen nicht nur das Leben, sondern auch den Glauben verdankt. Er sagt: „Ich danke meinen Eltern, die mir in schwerer Zeit das Leben geschenkt und unter großen Verzichten mir mit ihrer Liebe ein wundervolles Zuhause bereitet haben, das als helles Licht alle meine Tage bis heute durchstrahlt. Der hellsichtige Glaube meines Vaters hat uns Geschwister glauben gelehrt und hat als Wegweisung mitten in allen meinen wissenschaftlichen Erkenntnissen standgehalten. Die herzliche Frömmigkeit und die große Güte der Mutter bleibt ein Erbe, für das ich nicht genug danken kann.“

Wir haben Benedikt XVI. als einen tiefgläubigen Menschen erlebt. Als Universitätsprofessor – und das ist nicht selbstverständlich – hat er sich den Glauben bewahrt, den ihm seine Eltern geschenkt haben. Er hat als Bischof oft über den Glauben und die Volksfrömmigkeit gepredigt und er hat als Papst ein Zeichen unerschütterlichen Glaubens gegeben, derbleibend in seiner Menschlichkeit eingewurzelt war.

Daher dankt er auch mit einer besonderen Innigkeit für seine bayerische Heimat. Wie das Rheinland ist auch Bayern trotz mancher Wirren lange gläubig katholisch geblieben. Das bayerische Volk hat in einer Volksfrömmigkeit, die bis heute andauert, den Glauben bewahrt. Das jedenfalls ist die Überzeugung Benedikt XVI.. Er sagt: „Danken möchte ich dem Herrn für die schöne Heimat im bayerischen Voralpenland, in der ich immer wieder den Glanz des Schöpfers selbst durchscheinen sehen durfte. Den Menschen meiner Heimat danke ich dafür, dass ich bei ihnen immer wieder die Schönheit des Glaubens erleben durfte. Ich bete dafür, dass unser Land ein Land des Glaubens bleibt, und bitte euch, liebe Landsleute, lasst euch nicht vom Glauben abbringen.“ Diesen Glauben hat er versucht, der ganzen Kirche zu erhalten, den tiefen, echt katholischen Glauben, der von jedem Papst bewahrt werden muss, weil er ihn auch davor bewahrt zu verzweifeln, wenn sein Amt schwer wird und seine hohe Aufgabe ein Kreuz.

Mensch, ein tief glaubender Mensch, ist Benedikt XVI. gewesen. Aber, so weiß er selbst, auch ein sündiger Mensch. Daher endet er diesen Teil seines geistlichen Testamentes mit den Worten: „Alle, denen ich irgendwie Unrecht getan habe, bitte ich von Herzen um Verzeihung.“ Der gläubige Mensch weiß, dass er schwach ist und Grenzen hat. Er muss um Verzeihung bitten und diese Verzeihung wird ihm sicher auch gewährt, wenn er Papst ist, aber als Mensch nicht immer allen Erfordernissen des Papsttums gerecht gewesen sein konnte.

In einem zweiten Teil des geistlichen Testamentes spricht Benedikt XVI. als Theologe. Es spricht aus ihm die akademische Erfahrung, es spricht aus ihm der Universitätsprofessor. Als 29jähriger bereits zur Lehre berufen, war er der Wissenschaft immer verbunden, er war aber, wie hl. Thomas von Aquin, ein betender Theologe. Er hat in Zeiten der allgemeinen Verwirrung nicht immer gleich den richtigen Weg gefunden, aber der Glaube hat ihn auf diesen Weg zurückgeführt und er hat später Fehler eingestanden, die er als junger Professor gemacht hat. Er ist sich sehr bewusst gewesen, dass gerade heute die Wissenschaft oft mehr Verwirrung stiftet als Anleitung gibt. Aus diesem schmerzlichen Wissen sagt er uns: „Lasst euch nicht verwirren. Ich habe von weitem die Wandlungen der Naturwissenschaft miterlebt und sehen können, wie scheinbare Gewissheiten gegen den Glauben dahinschmolzen, sich nicht als Wissenschaft, sondern als nur scheinbar der Wissenschaft zugehörige, philosophische Interpretationen erwiesen. (…) Ich habe gesehen und sehe, wie aus dem Gewirr der exegetischen Hypothesen wieder neu die Vernunft des Glaubens hervorgetreten ist und hervortritt. Jesus Christus ist wirklich der Weg, die Wahrheit und das Leben – und die Kirche ist in all ihren Mängeln wirklich Sein Leib.“

Dieses Zeugnis des Glaubens zeigt auch, dass er in seinem Leben den Glauben immer hat schützen wollen. Als Erzbischof von München hat er die Glaubensverkündigung zum Mittelpunkt seines Wirkens gemacht, als Präfekt der Glaubenskongregation in Rom hat er den katholischen Glauben mit wertvollen Dokumenten geschützt, wie er das auch in seinen päpstlichen Enzykliken tun wollte, weil er wusste, zwischen dem wahren Glauben und der wahren Wissenschaft kann es nie einen Widerspruch geben. Wenn die Wissenschaft dem Glauben zu widersprechen scheint, dann muss sie vertieft werden, denn erst dann, wenn sie in Harmonie mit dem Glauben steht, kann sie in die Tiefe gehen und die ganze Wahrheit finden.

Daher wundert es uns nicht, wenn ein entscheidender, kurzer Satz, in dem er schließlich als Papst zu allen spricht, wieder die Treue zum katholischen Glauben anspricht: „Ich sage nun zu allen, die meinem Dienst an der Kirche anvertraut waren: Steht fest im Glauben!“ Das hat sein ganzes Papsttum ausgemacht: Er wollte, dass die Welt fest im Glauben steht, er wollte, dass alle, die fern vom Glauben sind, zum Glauben zurückfinden, er wollte, wie Petrus, die Brüder im Bischofsamt im Glauben stärken. Darin ist er nicht immer verstanden worden, darin ist er nicht selten abgelehnt worden, das hat sein großes Kreuz ausgemacht. Aber das ist der Wunsch, den er uns auch heute hinterlässt: „Steht fest im Glauben!“

 Er hat das in seinem Pontifikat vor allem durch zwei Themen der Welt gezeigt. Zunächst hat er uns gemeinsam als Leib der Kirche wieder neu auf unser Haupt, auf Jesus Christus, konzentriert. Seine Bücher über Jesus sind vielen ein Grund zur Umkehr und zur Bekehrung gewesen. Seine unermüdliche, tiefe Verkündigung des Glaubens hat vielen den Glauben an die Kirche neu erschlossen.

Besonders aber, und dafür müssen wir als eine Gemeinschaft, die pflegt, was Benedikt XVI die „außerordentliche Form des Römischen Ritus“ genannt hat, besonders dankbar sein, hat er gewusst und verstanden, dass der Glaube auf der feierlichen Liturgie der Kirche aufbaut. Er hat bezeugt, dass die Liturgie wirklich „Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens“ ist und dass ohne die Fülle der Liturgie der Glaube nicht gelebt werden kann. Das großartige Dokument Summorum Pontificum, das wir ihm verdanken, ist deswegen ein Grundstein seines Pontifikates, für den er in der Geschichte besonders erinnert werden wird. In diesem epochalen Dokument ist alles zusammengefasst, der Glaube an Jesus Christus, der Glaube der Kirche aus ihrer unveränderten Überlieferung, der Glaube, der sich in strahlender Schönheit als Abbild des Himmels in der seit Jahrtausenden von der Kirche zu Ehren Jesu Christi gefeierten Liturgie und dem darin immer erneuerten Sühnopfer auf unseren Altären widerspiegelt. Dass Papst Benedikt XVI. der Liturgie aller Zeiten die Normalität wiedergeschenkt hat, dass er das, was die Kirche immer als ihren Mittelpunkt gefeiert hat, wieder in diesen Mittelpunkt gestellt hat, das ist sein großes, sein ewiges Verdienst in der Geschichte der Kirche.

Papst Benedikt war Mensch, Theologe und Papst. Ein Mensch, der viel gelitten hat, ein Mensch, der nicht immer alles richtig gemacht hat, ein Mensch, der auch furchtsam war und uns deswegen zu Anfang seines Pontifikates gebeten hat, für ihn zu beten, wenn die Wölfe kommen. Er war ein tief gebildeter Theologe: Die katholische Lehre war ihm ein großes Herzensanliegen und er hat sie auch als Papst mutig vertreten. Er war aber vor allem für viele Jahre Stellvertreter Jesu Christi, der Vikar des Herrn auf Erden: Was er als solcher getan hat, um den Glauben und die Liturgie zu bewahren, wird für immer bleiben!

Benedikt XVI. hat sein geistliches Testament mit den Worten geendet: „Endlich bitte ich demütig: Betet für mich, damit der Herr mich trotz all meiner Sünden und Unzulänglichkeiten in die ewigen Wohnungen einlässt. Allen, die mir anvertraut sind, gilt Tag um Tag von Herzen mein Gebet.“ Wir beten weiter dankbar und treu für Benedikt XVI. und dürfen hoffen, dass sein Gebet aus der Ewigkeit nicht nur uns im Glauben stärkt, sondern die ganze Kirche, so wie er es auf Erden immer gewollt hat. Amen.