Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Wenn wir die große Schar der Heiligen sehen, die uns gerade die Vision des hl. Johannes vor Augen gestellt hat (Offb 7, 2-12), jene unzählbare Menge aus allen Völkern, Stämmen und Nationen, dann werden wir uns wohl still fragen: „Werden wir eines Tages dazugehören dürfen?“ Die Bedingung dazu ist eindeutig: Wir müssen auf Erden heilig werden wollen. Wenn man nicht wenigstens den grundsätzlichen Wunsch hat, Gott in allem zu gefallen und seinen Willen zu tun, wird man auch nicht durch das Fegefeuer in die Ewigkeit eintreten können.
Wie aber wird man heilig? Wie sind alle diese Abermillionen Menschen, die um den Thron Gottes stehen, in ewiger Glückseligkeit, und Ihn lobpreisen dürfen, heilig geworden? Wie machen wir das? Gibt es ein Rezept zur Heiligkeit?
Zunächst einmal ist klar, dass wir allein gar nichts machen können. Wir können immer nur mit dem Geschenk der Heiligkeit, das von Gott kommt, mitarbeiten. Dieses Geschenk der Heiligkeit aber hat ein jeder von uns bereits in der hl. Taufe und in der Firmung empfangen. Die Hl. Schrift sagt es oft genug, indem sie alle Christen Heilige nennt. Wir sind bereits heilig durch das Wirken des Allmächtigen Gottes in uns. Er hat in der Taufe die Bedingungen für die Heiligkeit geschaffen, indem Er uns von der Erbsünde befreit und mit allen Gnaden ausgestattet hat, die ausreichend sind, um die ewige Herrlichkeit zu erlangen.
Aber natürlich sind wir schwache Menschen. Wir müssen uns jeden Tag neu vornehmen, diesen großen Gnaden, die wir empfangen haben, auch innerlich zu entsprechen. Alles, was Gott uns geschenkt hat, sind Talente, mit denen wir wuchern müssen. So wie es dem Priester in der Priesterweihe gesagt wird, so sagt es die mütterliche Stimme der Kirche uns allen jeden Tag in der hl. Messe: ‚Werde, was du bist! Du bist heilig, aber lebe nach dem Stande der Heiligkeit, die dir geschenkt worden ist.‘
Das ist für jeden möglich, denn die Gnade verlässt uns nie mit ihrer inneren und äußeren Hilfe. Wenn wir die fundamentalen Gegebenheiten des christlichen Lebens ernst nehmen, dann können auch wir der Heiligkeit, die uns geschenkt ist, entsprechen. Wenn wir tatsächlich die einfachen Gebote Gottes zu halten versuchen, zunächst einmal das der Gottesliebe, indem wir immer wieder um die Gnade der Heiligkeit beten und darum, dass wir mit dieser Gnade wirklich entschlossen mitarbeiten, wird uns der konkrete Beistand Gottes nicht fehlen. Jeden Tag zu beginnen mit dem Gebet, während des Tages an Gott zu denken, ihm eine Zeit des Gebetes zu widmen und den Tag dankbar mit einem Gebet zu beschließen ist ein Zeichen wachsender Heiligkeit. Der sonntägliche Messbesuch und, wenn wir können, der Messbesuch in der Woche ist ein Zeichen dafür, dass wir Gott lieben wollen. Wir wollen Ihm geben, was Ihm gebührt, nämlich jene Ehre, die auf den Altären der heiligen Kirche im Opfer Christi täglich gepriesen und gemehrt wird.
Aber nicht nur die Gottesliebe, auch die Nächstenliebe ist für die Heiligkeit unverzichtbar. Eines der größten Zeichen der Nächstenliebe ist, dass wir dem anderen von Herzen zu verzeihen versuchen. Wir alle haben etwas zu verzeihen, wir alle sind enttäuscht worden, uns allen hat man Unrecht getan. Folgen wir dem Herrn, der Quelle aller Heiligkeit, und verzeihen wir von Herzen. Auch wenn böse Gedanken immer wieder in uns aufsteigen wollen; wenn wir nur den Versuch machen, wieder neu zu verzeihen, dann wird die Verzeihung als ein Geschenk der Gnade in unser Herz ziehen.
Mit dem Verzeihen sollen wir den anderen auch Gutes tun, auch denjenigen, die uns vielleicht nicht sympathisch sind. Wir sollen vor allen Dingen den Armen Almosen geben, damit wir das, was wir haben, mag es auch nicht viel sein, als Gottesgeschenk mit den anderen teilen. Wenn wir das tun, dann haben wir bereits einfache, aber solide Fundamente der Heiligkeit gesetzt.
Wenn wir, jeder dort, wo er hingestellt ist, unsere Standespflichten leben, sind wir auf dem Weg der Heiligkeit. Jeder soll seine eigenen Aufgaben treu erfüllen. Eine Mutter kann nicht den ganzen Tag in der Kirche zubringen. Sie wird sich um ihre Familie und um die Pflichten des Haushalts kümmern müssen. Ein Vater kann nicht jeden Tag in die Messe gehen, weil seine Arbeit das oft nicht erlaubt. Aber wenn beide das, was ihnen aufgetragen ist, gut und von Herzen verrichten, um Gottes und der Familie willen, dann sind alle diese täglichen Pflichten Wege zur Heiligkeit.
Den Priester, der seine Pflichten erfüllt, finden wir am Altar und im Beichtstuhl; wir finden ihn beim Gebet, dem stellvertretenden Gebet für die vielen, die nicht beten können oder wollen. Besuche bei Alten, Kranken, Hilfsbedürftigen, die Vorbereitung der Predigt, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, oft auch administrative oder akademischen Arbeiten, alle diese Aufgaben führen auch den Priester zur Heiligkeit durch die Erfüllung seiner Standespflichten.
Jeder wird heilig dort, im Großen und im Kleinen, wo Gott ihn hingestellt hat. Suchen wir nicht das Besondere. Die vielen Heiligen, die uns vorausgegangen sind, waren nicht alle große Helden, nicht alle berühmte Könige, nicht alle große Ordensleute. Viele, die uns vorausgegangen sind, waren wie wir, Menschen des alltäglichen Lebens, der oft mühsamen Pflichterfüllung, der täglich wiederkehrenden Leiden und Prüfungen, und sind dadurch heilig geworden, dass sie einfach mit Gottes Willen mitarbeitend ihre Standespflichten in Beruf und Familie erfüllt haben.
In allem aber suchen wir den Willen Gottes! Oft meint heute Freiheit, bloß zu tun, was man will. Die wirkliche Freiheit jedoch ist, als Christ die Freiheit zu haben, nämlich die Freiheit des Herzens und der Seele, das zu tun, was Gott um unseres Heiles willen von uns will. Wenn wir jedes Mal, wenn wir vor einer wichtigen Entscheidung stehen, zuerst Gott bitten: ‚Zeige mir, was ich tun soll‘, dann wird uns die Gnade nicht fehlen, den richtigen Weg zu gehen. Zu unserem Besten wird Gott uns auch durch Härten und Leiden dahinführen, wohin wir gehen sollen, wenn wir nur die gute Absicht, seinen Willen zu tun, immer erneuern. In allem wird der Heilige zuerst den Willen Gottes finden wollen und dann seinen eigenen Willen dem Willen Gottes angleichen. Das können auch wir, denn Gott gibt uns seine Gnaden reichlich.
Heute ist viel davon die Rede, dass wir die Kirche verändern müssen. Wir müssen nicht die Kirche verändern. Dazu sind wir nicht berufen. Der Herr hat die Kirche gestiftet und Er allein hat die Vollmacht, das, was nötig ist, in ihr zu verändern, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Dabei geht er vorsichtig und schrittweise vor, immer aber bewahrend und mehrend, nie zerstörend und revolutionierend, wie die Kirchengeschichte zeigt.
Wir aber sollen nicht die Kirche verändern, wir müssen uns selbst verändern! Wir müssen dort, wo unser Verhalten noch nicht der Heiligkeit in unserer Seele entspricht, dieses Verhalten ändern wollen. Gott hilft, wenn wir wollen, und er schenkt uns dieses Wollen aus seiner Gnade. Die Voraussetzung, mit Gott mitzuarbeiten auf dem Wege der Heiligkeit, ist von unserer Seite eine ständig erneuerte Veränderungsbereitschaft. Wir wollen deshalb ein Fundament der Heiligkeit nicht verschweigen, ohne das niemand heilig werden kann, nämlich die Demut. Wir können weder Gott wirklich lieben, noch dem Nächsten dienen, noch unsere Standespflichten erfüllen, noch in Allem den Willen Gottes suchen, noch uns zum Guten verändern, wenn wir nicht versuchen, von Herzen demütig zu sein. Wir müssen uns verändern, nicht die anderen, nicht die Kirche, nicht die Gebote Gottes! Das können wir nicht, wenn wir nicht annehmen, was Gott uns selbst gesagt hat: „Wenn ihr alles getan habt, dann sagt: Wir sind unnütze Diener“ (Luk 17, 10).
Wenden wir uns in diesem Monat besonders an die Gottesmutter, die mit großer Demut, obwohl sie die Königin des Himmels und der Erde ist, sich immer dem Willen Gottes unterworfen hat und immer wusste, dass nur Seine Gnade sie zu dem gemacht hat, was sie ist: Die Königin der Heiligen und der Engel. Wenn wir uns an sie wenden, wird sie uns die Veränderungsbereitschaft erflehen, Gottes Willen zu tun, auch dann, wenn es schwer ist. Nehmen wir wie Maria die kleinen und großen Leiden und Verfolgungen, die in keinem christlichen Leben fehlen werden, aus Seiner Hand an als Instrument für unsere Reinigung, dann werden wir heilig! Denn wirklich, es sei nochmals gesagt, es ist nicht schwer heilig zu werden, weil wir nicht alleine sind: Gott, die Gottesmutter und alle Heiligen stehen uns zur Seite! Der Schatz der Heiligkeit ist uns schon geschenkt! Nehmen wir ihn an, nehmen wir alles an, was Gott uns schenken will, und Er wird die Heiligkeit, die wir bereits in Taufe und Firmung erhalten haben, zum Strahlen bringen. Dann werden wir durch Seine Gnade mit unübersehbaren Scharen aus allen Völkern, Nationen und Stämmen in die Stätte ewiger, unendlicher Heiligkeit einziehen und mit ihnen allen singen: „Heilig, heilig, heilig bist Du, Herr, Gott Sabaoth, jetzt und in Ewigkeit“. Amen.