Predigt an Epiphanie 2022 im Kloster Maria Engelport von Msgr. Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Amen.

Sicher haben Sie schon einmal Menschen staunen sehen.

Schon auf einer Verkaufsmesse, in einem Autosalon, bei einer Modenschau oder vor dem Schaufenster eines Juweliers beginnen Menschen zu staunen.

Komplizierte Maschinen, schöne neue Autos, ein elegantes Kleid, ein funkelndes Schmuckstück – das alles kann uns zum Staunen und zum Bewundern bringen. So sehr, dass manche gleichsam vor diesen Dingen in die Knie fallen und ganz vergessen, dass dahinter, hinter diesen materiellen, mechanischen, von Menschen geschaffenen Dingen etwas Größeres steht, das unser Staunen noch viel mehr verdient hat.

Staunen sollen wir, denn die Dinge, die der Mensch schaffen kann, sind, wenn gut gelungen, ein Widerschein einer größeren, einer wunderbareren Schönheit, die von Gott selber kommt. Wir dürfen Dinge bestaunen. Wir dürfen uns über menschliche Errungenschaften freuen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass hinter dem allem Größeres steht, das wir viel mehr bewundern und bestaunen sollten, nämlich die Schöpferhand des Allmächtigen. Wenn wir eine komplizierte Maschine staunend anschauen, wenn wir ein schönes Gewand bewundern, wie sehr müssen wir nicht vor einer Blume, einem Blatt, gar einem Baum in Bewunderung ausbrechen?

Die Dinge der Natur sind oft so kompliziert und so fein geordnet, dass selbst große Wissenschaftler vor den Geschöpfen Gottes nur staunen können. Auch Gelehrte werden niemals ganz begreifen, wie all diese Dinge existieren, wie sie im Letzten funktionieren und wie sich ihre Schönheit bis ins kleinste Detail vor unseren Augen entfaltet.

Schon die Natur, die Gott geschaffen hat, ist also wert, dass wir in ein tiefes Staunen verfallen, mit einem profunden Respekt, nicht nur vor den Dingen, dem Geschaffenen, das wir sehen, sondern vor allem vor dem Schöpfer, der hinter allem steht.

Am meisten müssen wir deswegen staunen, wenn wir vor dem Menschen stehen. Der Mensch, schon in seiner physischen Verfasstheit, ist ein so kompliziertes Ganzes, dass es großen Wissens, ja oft tiefer Weisheit bedarf, um nur einiges davon zu begreifen.

Wir wissen, wenn etwas in unserer komplizierten Leiblichkeit nicht funktioniert, dann wird auch unsere Seele, die mit dem Leib eine Einheit bildet, davon betroffen. Wir wissen aber auch, dass dann, wenn der Leib in seiner gottgeschaffenen Schönheit und Wunderbarkeit uns die Kraft gibt, so zu handeln, wie Gott es will, auch unsere Seele erhoben wird und wir, wie so viele Künstler, wie so viele große Menschen, Herrliches leisten können, weil in uns ein Teil der Schöpferkraft des Allmächtigen ist.

Das alles haben auch die Heiligen drei Könige erkannt!

Sie haben begriffen, dass wir die geschaffenen Dinge bewundern können, und dass sie einen tiefen Wert haben. Deswegen haben sie aus diesen geschaffenen Dingen drei wertvolle Gaben mitgebracht, weit aus dem Morgenlande, um sie dem Schöpfergott, der Mensch geworden ist, zu Füßen zu legen.

Sie haben begriffen, dass die Natur uns von der Größe Gottes erzählt. Dass die Himmel selber uns zeigen können, wo Gott unseren Weg hinführen will. Sie sind deswegen mutig und ohne Zögern dem Stern gefolgt, der sie schließlich bis zur Krippe geführt hat.

Sie haben schließlich begriffen, dass dem Menschen ehrfürchtiges Staunen gebührt: Ihnen wäre es nie in den Sinn gekommen, wie unserer heutigen Gesellschaft, unschuldige und wehrlose Menschen im Mutterleib zu töten. Ihnen wäre es nie in den Sinn gekommen, die Weisheit und Güte des hohen Alters zu verachten und nach Euthanasie zu rufen, wenn menschlicher Sinn meinen könnte, „etwas Unnützes sei wegzuschaffen“. Sie haben sich gegenseitig mit großer Ehrfurcht behandelt. Sie haben die Dinge, die Gott in Seiner Weisheit in den Menschen hineingelegt hat, tief erkannt und erforscht. So haben sie schließlich jenen wahren Menschen gefunden, in dem sich auf eine ganz einzigartige und noch nie dagewesene Weise der Schöpfergott mit unserer menschlichen Natur verbunden hat.

Weil sie große Ehrfurcht vor der Schöpfung Gottes hatte, haben sie nach dem Schöpfer gesucht. Und sie haben Ihn gefunden in der Krippe. In der Krippe, wo Er mit seiner ganzen menschlichen Schönheit und Vollkommenheit eins ist mit der Allmacht und der Herrlichkeit Gottes.

Dort haben sie – uns zum Beispiel – das getan, was wir leider zu oft vor der Kreatur tun: Sie haben sich vor dem menschgewordenen Schöpfergott in die Knie geworfen; sie haben Ihm das Wertvollste gegeben, was sie mitgebracht hatten und was ihr eigen war. Sie haben sich Ihm ganz überantwortet und sind in diesem Moment zum Glauben gekommen.

Geliebte, die Kirche lässt uns das Fest der Erscheinung des Herrn feiern, damit wir das Staunen nicht verlernen. Damit wir, in jedem wunderbaren Ding, das menschliche Kraft hervorbringt, die größere Kraft Gottes sehen und Ihn verehren und nicht das Ding. Damit wir in der Natur, die uns umgibt, jene Herrlichkeit, jene Schönheit, jene Zartheit sehen, die nur von Gott kommen kann, und die wir bewahren müssen. Damit wir Respekt vor dem Menschen haben, der die größte und wunderbarste Schöpfung Gottes ist. Die Krone der Schöpfung, die einzigartig und frei ist und die wir nicht pervertieren dürfen, die wir nicht einfach töten dürfen, die wir nicht verachten dürfen. Unsere menschliche Natur ist – auch in unserem eigenen Leib! – ein Geschenk an uns, das wir rein bewahren müssen, damit es der Seele ein Instrument sein kann, durch das hindurch sie strahlen und wirken kann in diese Welt hinein.

Das kann uns lehren, den Gestus der Anbetung der Heiligen drei Könige nachzuahmen und uns vor dem Schöpfergott, der Fleisch geworden ist, nicht nur heute, sondern jeden Tag in unserem Leben neu niederzuwerfen. Ihm sollen wir danken, Ihm alles geben, was wir haben, uns selbst Ihm überantworten, damit wir das großartige Werk – die unsterbliche Seele – die Er uns eingeschaffen hat, bewahren zu jener noch größeren Herrlichkeit, zu jener unendlichen und nicht endenden Herrlichkeit, zu der wir mit Leib und Seele gerufen sind. Dort werden wir dann, wenn wir hier auf Erden das Staunen vor dem Schöpfergott nicht vergessen haben, auf ewig staunen dürfen. Staunen über eine Schönheit, die so groß ist, dass selbst unsere erhabene Liturgie hinter ihr weit zurücktritt! Wir werden vielmehr teilnehmen an der himmlischen Liturgie mit dem Herrn, dem menschgewordenen Gott, dem Licht der Ewigkeit, in der Mitte! Sein Strahlen wird sich vor uns auftun und alle unsere Sehnsüchte erfüllen und uns glücklich machen in einem Staunen, das niemals enden wird!

Amen.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Amen