Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am Palmsonntag, dem 10. April 2022

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Ein Missverständnis, sogar ein sehr gefährliches Missverständnis hat Gott am Palmsonntag dazu benutzt, Seine Großtaten zu verkünden und uns allen zu zeigen, wer Christus Jesus wirklich ist.

Weil nämlich eine große Zahl der Juden nicht etwa den göttlichen Messias erwarteten, sondern einen innerweltlichen Herrscher, einen neuen König, der sie aus der Hand der Römer befreien sollte,  sind die meisten von ihnen Jesus mit Palmzweigen entgegengegangen und haben ihn als König begrüßt. Sie riefen dabei mit lauter Stimme: „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel!“ (Jo 12, 12). Selbst die Apostel wussten nicht genau, was diese Szene bedeutete. Der heilige Johannes sagt im zwölften Kapitel seines Evangeliums, dass sie erst nach der Auferstehung des Herrn begriffen haben, warum er auf einem Eselsfüllen in die Stadt hereingeritten war (Jo, 12, 16). Die anderen haben nichts begriffen, die Apostel haben nur wenig geahnt. Eine kleine Gruppe von Gerechten aber, allen voran die Gottesmutter, hat gewusst, dass der Einzug des Messias in seine Stadt der Anfang der endgültigen Erlösung für die Ewigkeit sein sollte.

So müssen auch wir uns entscheiden: Wollen wir unser Heil von der Welt erwarten? Glauben wir, dass irgendeine Regierung, dass irgendein Herrscher, dass irgendjemand, der in dieser Welt Macht hat, diese Welt zu einem Reich des Friedens machen kann? Zu einer krankheitsfreien Stätte, zu einem Platz voller Harmonie, wo die Menschen sich einander nur Gutes tun? Ein Blick in die Geschichte zeigt uns, dass das nicht möglich ist. Wenn wir auf das innerweltliche Heil hoffen, dann können wir lange warten und wir werden genauso enttäuscht werden wie die meisten Juden der damaligen Zeit, die noch immer auf ihren weltlichen König warten müssen.

Wir wollen uns deswegen zu der kleinen Gruppe der Gerechten, allen voran der Gottesmutter, gesellen. Wir wollen erkennen, dass wahr ist, was der Herr selber gesagt hat: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt!“ (Jo 18, 36). Das Reich unseres Königs nicht von dieser Welt, denn der Herrscher dieser Welt ist der Satan, der die Herzen der Menschen verblendet (2 Kor 4, 4). Sie erwarten alles von dieser Welt. Wir aber können hier nie endgültigen Frieden, bleibende Gesundheit, ewiges Glück und eine Existenz ohne Tod, Kreuz und Leid erwarten. Wir müssen vielmehr wissen, dass unser Glaube uns auf die Zukunft ausrichtet! Der Herr uns zwar das Heil gebracht und Sein Reich besteht anfanghaft schon in der Kirche, aber wir preisen Ihn als unseren König, weil Er der vor allem König der kommenden Herrlichkeit ist, der König, der uns in der Ewigkeit endgültig von Krieg, Tod und Leid erlösen wird.

Deswegen müssen wir die Worte der Gottesmutter von Fatima ernst nehmen. Der Heilige Vater hat soeben Russland und die Ukraine dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht. Die Gottesmutter hat in Fatima gesagt, dass darauf ihr Triumph folgen wird, aber nicht ohne viel Leid und ohne große Kreuze, die vorher die Welt und unsere Gesellschaft belasten werden.

Sind wir also nicht dumm und kurzsichtig wie die Menschen, die damals in Jerusalem einen König wollten, weil sie von ihm das weltliche Heil erwarteten. Wissen wir vielmehr, dass jeder von uns auf die eine oder andere Weise das Kreuz des Herrn in dieser Zeit mittragen muss. Bereiten wir uns auf die Kreuze vor, die kommen werden. Aber sind wir auch sicher, eben weil unser Herr kein weltlicher Herrscher ist und keine leeren Versprechungen für das Diesseits macht, dass Sein ewiges Heil schließlich kommen wird.

Auch in der Kirche dieser Zeit wird eines Tages das Herz der Gottesmutter triumphieren, wenn wir treu bleiben und Christus immer als den wirklichen Priesterkönig, den Mittler und Messias für Zeit und Ewigkeit verehren. Dann werden wir endgültige Freiheit, Gesundheit und Glück nicht in dieser Welt erwarten, sondern Ihm treu bleiben in Kreuz und Leid und Tod. Nur so können wir wie die Gerechten, die Ihm in Jerusalem entgegengegangen sind, in einem guten Geist und wahrer Hoffnung mit der ganzen Kirche rufen: „Hosanna, Filio David! Preis Dir, Sohn Davids, hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Christus allein ist der wirkliche König, der uns das tatsächliche, ewige und endgültige Heil bringen wird. Amen.