Predigt vom ersten Fastensonntag 2021

Kloster Maria Engelport

Predigt von

Msgr. Prof. DDr. R. Michael Schmitz

Erster Fastensonntag 2021

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

„Wir ermahnen euch, damit ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangt.“ Das ruft der Heilige Paulus allen Christen am Anfang der Fastenzeit zu. Derjenige aber, der die größten Gnaden Gottes ganz vergeblich empfangen hat, tritt heute vor den Herrn, um ihn zu versuchen. Der Engel des Lichtes, der der Erste der himmlischen Heerschaaren war, hat, weil er sich nicht demütig vor Gott erniedrigen wollte, alle die Gnaden verloren, die er am Anfang empfangen hatte. Reich an Gnaden, reich an Kraft, reich an Schönheit war er der erste der Engel; weil er sich hochmütig Gott und seinem Dienst entzogen hat, ist er der erste der Teufel geworden und hat alle Gnade verloren.

Das lehrt uns, dass von den Versuchungen, in die der Teufel im heutigen Evangelium den Herrn führt, der Hochmut, das Nicht-Dienen-Wollen, das Nicht-Sich-Unterordnen-Wollen, die größte Gefahr für uns ist. Sicher müssen wir auch alle anderen Sünden vermeiden. Doch die Wurzel aller Sünde, der Ursprung aller verlorenen Gnade ist der Mangel an Demut, ist der Hochmut, der tief in unserem Herzen verwurzelt ist. Wir wissen aus unserem Kleinen, dass wir leicht hochmütig werden: Wir wollen nicht vergeben; wir haben immer Recht; wir machen keine Fehler; es sind immer die anderen gewesen – niemals wir! Wenn wir uns entschuldigen sollen, dann kostet uns das viel! Wir sind die Lehrer der Anderen; wir zeigen mit dem Finger auf den Nachbarn; wir sehen nicht den Balken im eigenen Auge, aber den Splitter in dem des Anderen; wir sind leicht bereit andere zu beurteilen und zu verurteilen, aber wenn jemand uns etwas Kritisches sagen will, dann sind wir sofort beleidigt. Alles das lässt uns, durch den Hochmut versucht, leicht aus der Gnade Gottes herausfallen. Es lässt uns die Gebote Gottes nicht demütig annehmen und die eigenen Fehler nicht demütig erkennen. Deswegen haben wir Schwierigkeiten, uns zu bessern und die Gnade Gottes anzunehmen. Das ist alles wahr, auch in unserem kleinen eigenen Leben.

Schlimmer aber wird es noch, wenn der Hochmut den Geboten und den Ordnungen Gottes gegenüber diejenigen erfasst, die uns in Kirche und Gesellschaft leiten sollen. Das geschieht, wenn diese plötzlich meinen, sie wüssten alles besser; wenn sie sich von der göttlichen Überlieferung in der staatlichen Ordnung, in der Rechtsprechung oder auch in der Kirche einfach entfernen. Wenn sie meinen das Neue, das sie erfunden haben, wäre immer das Bessere. Wenn sie nicht den Ordnungen folgen, die Gott uns offenbart hat, und die uns sowohl im staatlichen als auch im kirchlichen Bereich vor den Versuchungen des Teufels schützen, dann wird der Hochmut offensichtlich und dann geht die ganze öffentliche und kirchliche Ordnung in eine Richtung, die sich der Gnade verschließt.

Wir erleben heute allenthalben leider auch in der Kirche, dass diejenigen, die von Amts wegen genau wissen müssten, was Gott von ihnen will und welchen Weg sie den Gläubigen weisen sollen, andere Wege gehen. Deswegen wird der Leib der Christi, der die Kirche ist, geschwächt und die Gebote Gottes werden verachtet. Die Gnade kann gar nicht wachsen, wo wir uns hochmütig von der überlieferten Ordnung Gottes abwenden, ob in der Kirche oder im Staat.

Es wird aber dann ganz offensichtlich, dass der Teufel zugange ist, wenn eine ganze Weltordnung geändert werden soll, wenn heidnische Regierungen, und solche Menschen, die sich ganz offensichtlich von Gott abgewandt haben, neue generelle Ordnungen im Namen der Menschheit verkünden wollen. Immer dann, so sagt schon der Schriftsteller C.S. Lewis, wenn es um die vorgebliche Rettung der Menschheit geht, kommen diejenigen auf den Plan, die die Menschheit verbessern wollen und den Menschen dadurch zerstören. Wenn eine Weltordnung ohne Gott geschaffen werden soll, dann wissen wir, dass der Teufel den Griffel führt.

Deshalb sollen wir heute erkennen, dass wir uns zu Gott wenden müssen, dass wir selbst demütig werden müssen, um den Herrn, der allen Versuchungen widersteht, anzuflehen, uns vor den Machenschaften des Teufels und seiner Helfershelfer zu beschützen. Deswegen ist diese konkrete Fastenzeit, in der wir die Gefahr des Hochmuts nicht nur in unserem eigenen Leben, sondern auch der öffentlichen Ordnung und der Weltordnung deutlich erkennen, für uns, wie für alle, ein Aufruf zur Umkehr. „Bekehrtet euch und glaubt an das Evangelium!“ Gerade wenn der Hochmut, der die Waffe des Teufels ist, überall offensichtlich wird, dann müssen wir – jeder dort, wo er steht – durch eine immer erneuerte demütige Haltung die Gnade Gottes annehmen. Dann müssen wir, die wir versuchen den Geboten und Ordnungen Gottes zu folgen, durch unser Beispiel eines demütigen christlichen Lebens versuchen, uns der Gnade mit Gottes Hilfe noch mehr zu öffnen.

Jeder Einzelne, und mag sein Platz im Leben auch noch so bescheiden sein, der der Demut folgt und dem Hochmut entsagt, öffnet die ganze Welt der Gnade, denn wir hängen durch Gottes Allmacht alle zusammen. Wir dürfen nicht verzweifeln, wenn wir den Hochmut des Teufels überall so deutlich regieren sehen. Wir dürfen uns vielmehr sagen, dass jeder Einzelne ein Kämpfer Gottes ist. Jeder Einzelne, der den eigenen Hochmut besiegt, wird diese Welt der Gnade öffnen.

Deswegen können wir mit Mut und mit Überzeugung auch diese Fastenzeit leben. Durch körperliches und geistiges Fasten sollen wir uns demütig erhalten. Nur so kann sich bewahrheiten, was der Heilige Paulus gesagt hat: „Wir ermahnen euch, damit ihr die Gnade nicht vergeblich empfangt.“ Wir haben die Gnade empfangen! Wir wissen, dass wir Gott besser dienen, je mehr wir in dieser Fastenzeit seine Gebote halten und uns demütig seiner Ordnung unterwerfen. Je mehr wir uns, auch durch den regelmäßigen Empfang des Bußsakramentes, der Gnade Gottes öffnen, desto stärker wird die Kirche, und desto weniger wird der Teufel, der alle Gnade längst verspielt hat, auf uns, die Gesellschaft und die Welt Zugriff haben! Amen.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes Amen.