Predigt vom Ostersonntag 2021

Kloster Maria Engelport
Predigt von
Msgr. Prof. DDr. R. Michael Schmitz
Ostersonntag 2021

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
„Je’hî ôr wajehî ôr“ – „es werde Licht und es ward Licht“, das sind die ewigen Worte, mit denen vor vielen tausenden von Jahren der inspirierte Schriftsteller des Buches Genesis den ersten Schöpfungsakt Gottes beschrieben hat.
Es werde Licht und es ward Licht. Alles Licht kommt von Gott. In der Schöpfung sehen wir, dass dieses Licht bis in die allertiefsten Tiefen des Universums reicht, so weit, dass wir es selbst mit den größten menschlichen Instrumenten nicht verfolgen können. Gott ist der Ursprung auch dieses geschaffenen Lichtes.
Aber ebenfalls alle Erkenntnis, alles Licht unseres Verstandes kommt von Gott. Wer Gott nicht kennt, wer Gott nicht gefunden hat, wer Ihn nicht aufrichtigen Herzens sucht, lebt im Dunkel. Die Menschen, die Gott nicht anerkennen, haben Schwierigkeiten, ihr eigenes Leben und die Welt zu begreifen. Das wahre Licht der Erkenntnis kommt aus dem Glauben, den uns Gott schenkt.
Schließlich ist das Licht der Gnade ein Geschenk Gottes. Gott schenkt alle Gnaden, Er schenkt uns jenes Licht, das mitten in unser Herz leuchtet und das uns Wegweisung gibt und uns zu ihm führt selbst in den Wirren der Zeit. Für die Menschen guten Willens erlischt das Licht der Gnade niemals.
„Je’hî ôr“ – „es werde Licht“. Das sind die Worte, die uns am heutigen Ostermorgen auch am leeren Grab entgegenklingen. Das Licht des Ostermorgens ist ein Symbol für das Licht, das durch die Neuschöpfung in Jesus Christus wieder in die Welt kommt. Weil Er Gott ist, hat Er die Dunkelheit unseres Lebens durchdringen können, weil Er Gott ist, ist es Ihm gelungen, den dem Tode verfallenen Menschen eine neue Schöpfung zu schenken. Er hat den menschlichen Leib, der dem Tod anheimfallen muss, durch göttliche Kraft wiederbelebt, uns zu zeigen, dass es eine Macht gibt, die das Dunkel verjagen kann und das Licht auch in den Moment des Todes bringt.
Derjenige aber, der der Lucifer noctis, der ehemalige Lichtträger, der Herr der Dunkelheit ist, der Satan also, will in unserer Zeit dieses Licht wieder zerstören, indem er Lüge und Verwirrung stiftet. Er nimmt den Menschen die Hoffnung auf das Licht Christi und den Glauben an Ihn, damit sie unter die endgültige Herrschaft des Todes fallen. Er versucht, das Licht der Schöpfung, das Licht des Geistes und das Licht des Herzens zum Verlöschen zu bringen.
Gegen diese Hoffnungslosigkeit unserer Zeit ist die reiche Lichtsymbolik der Osternacht für uns ein Hoffnungsträger: Das Osterfeuer, das Licht der Gottheit, wird hell brennend gesegnet. Auf einem dreifachen Leuchter, dem arundo, wird dieses Licht als Symbol der Dreifaltigkeit und der Menschwerdung in die dunkle Kirche getragen, während des großen Osterlobes, des Exsultet, entzündet der Diakon dann die Osterkerze an diesem dreifaltigen Licht und das Licht Christi leuchtet in der Dunkelheit. Deswegen nennt das Exsultet, Christus den lucifer, qui nescit occasum – den „Lichtträger, der keinen Untergang kennt“, weder den Untergang der Sonne noch den Fall des bösen Lichtträgers in die sündhafte Dunkelheit dieser Welt.
Das Licht Jesu Christi ist immer triumphierend, das Licht Jesu Christi wird immer siegen, das Licht Jesu Christi hält nicht vor Tod und Teufel inne! Dieses göttliche Licht durchdringt auch die größten Steine der Dunkelheit unserer Herzen und der Dunkelheit unserer Gräber. Der Herr ist der Herr einer neuen Schöpfung, er gibt uns auch eine neue Erkenntnis und ein neues Herz. In allen Schwierigkeiten, in allen Nächten unseres Lebens gibt er uns jene Zuversicht und jenes Wissen, die uns stark machen und uns davon überzeugen, dass das Licht zuletzt immer siegen wird.
Das Licht der neuen Schöpfung, das Licht, das aus dem Glauben kommt, das Licht, das uns mit der Gnade Jesu Christi geschenkt worden ist, leuchtet hell an diesem Ostermorgen. Christus ist der wahre lucifer, der Morgenstern, der aufgeht, aus dem Grabe steigt und mit seinem Licht alles erleuchtet. Darum sind wir mit der ganzen Kirche am Ostermorgen von Freude erfüllt. Wir wissen: Die Schöpfung hat sich in Christus und durch Ihn erneuert! Er ist die Sonne der Gerechtigkeit!
Das große Wort des Anfangs „je’hî ôr“ – „es werde Licht“, wird an Ostern wieder Wirklichkeit. Ostern wird es Licht, Licht in unseren Herzen, Licht in der Kirche, Licht am Ende auch in unserer Gesellschaft. Christus wird den Tod besiegen, wie er ihn immer besiegt hat. Er wird die Hoffnungslosigkeit besiegen, wie er sie immer besiegt hat. Sein Grab ist leer, er ist auferstanden, sein Licht leuchtet uns. Das Osterfest hat am Morgen der Auferstehung begonnen, setzt sich fort in den österlichen Feiern der Kirche bis zum Ende der Welt und wird im Himmel niemals enden. Am Anfang wurde Licht! Dieses Licht ist von neuem erschienen! Es wird nie mehr vergehen! Amen.