Predigt vom Pfingstsonntag 2021

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Geistlos! Von allen guten Geistern verlassen! Das ist der Eindruck, den das kirchliche Leben in Deutschland manchmal geben kann.

Doch dieser Eindruck ist oberflächlich oder unzureichend. Wenn wir nämlich die Kirche beurteilen wollen, müssen wir weiter blicken als nur auf das aktuelle Tagesgeschehen, das von der Schwäche der Menschen bestimmt ist. Wohl ist die Begrenztheit und Sündhaftigkeit der Glieder der Kirche, seien sie Bischöfe, Priester oder Weltlaien, nicht selten für Geistloses und Unbedachtes verantwortlich. Auf der Ebene des rein Menschlichen wirkt auch in der Geschichte der Kirche das Tun vieler Kirchenglieder tatsächlich hier und da von allen guten Geistern verlassen.

Wenn wir aber auf das Ganze der über zweitausendjährigen Kirchengeschichte blicken, sehen wir gerade an der menschlichen Schwäche und Kurzsichtigkeit, die immer wieder alles durcheinanderbringen kann, dass die Kirche niemals geistlos oder geistverlassen ist. Trotz aller Schwierigkeiten, die menschliche Beschränktheit über die Kirche gebracht haben, ist die Kirche immer wieder erstarkt! Nach der Überwindung mancher Wirrnisse hat sie immer
von neuem mutig Zeugnis für die ganze, überlieferte Wahrheit Gottes gegeben.

Der Geist Gottes verlässt die Kirche nämlich nie! Auch dann, wenn sich einzelne oder Gruppen von der Wahrheit abwenden,  bleibt der Heilige Geist das Prinzip der lebendigen Wahrheit Christi in der Kirche. Dieses göttliche Prinzip zeigt sich immer von neuem auf dreifache Weise.

1. Zunächst ermöglicht der Geist Gottes, dessen Hochfest wir heute begehen, die Offenbarung der verborgenen Wahrheit Gottes an die Kirche: Christus ist diese ‚Menschgewordene Wahrheit‘. Er ist eins mit Gott dem Vater und Gott dem Heiligen Geist. Durch seine geistdurchflutete Menschheit, in ihrem Tun und Reden, erkennen wir die Heilswahrheiten, die zu unserer Rettung notwendig sind.  Durch den Heiligen Geist, der die Einheit zwischen Gottheit und Menschheit bewirkt, ist Christus für uns „der Weg, die Wahrheit und das Leben“! Christus bleibt durch den Geist Gottes immer der Mittelpunkt der Kirche!  Er sendet uns den Geist, damit diese Heilswahrheiten nicht verloren gehen.

2. Die Geistsendung an die Apostel, die mit Maria versammelt waren, bestätigt die Wahrheit, die Christus seiner Kirche hinterlassen hat. Er gibt den Aposteln  die Vollmacht, im Namen des Heiligen Geistes zu reden und zu schreiben. Bestätigt und getragen vom hl. Geist, geht die aktive Offenbarung der Heilswahrheiten bis zum Tod des letzten Apostels weiter. Der Heilige Geist führt diese, so wie Christus gesagt hat, in die „ganze Wahrheit“ ein. Trotz aller persönlichen Schwächen, die selbst bei den Apostelfürsten Petrus und Paulus nicht verschwiegen werden, setzt der Heilige Geist die Wahrheit durch und beschützt sie. Die göttliche Inspiration der Evangelien und Apostelbriefe durch den Geist Gottes garantiert deren völlige Wahrheit und Fehlerlosigkeit. Obwohl jeder der heiligen Schriftsteller auf seine Weise und nach seiner Erfahrung schreibt, gibt es keinen Widerspruch und keine Irrtümer in der schriftlichen und mündlichen Überlieferung der Offenbarung durch die Apostel und Evangelisten. Gott der Heilige Geist bleibt auch in der Überlieferung der Kirche die Garantie und das Prinzip göttlicher Wahrheit und Unfehlbarkeit.

3. Dieses wunderbare Wirken des Gottesgeistes hört aber mit dem Tod des letzten Apostels nicht einfach auf, sondern wandelt sich in einen dauernden Beistand des Geistes für die Kirche hinsichtlich der Überlieferung der geoffenbarten Wahrheit. Zwar hat es in der langen Geschichte der Kirche viele Irrtümer und Häresien gegeben, doch ist die Wahrheit Christi schließlich immer siegreich.

Der Heilige Geist steht zunächst Petrus und seinen Nachfolgern bei, damit sie „die Brüder in der Wahrheit stärken“. Der Gottesgeist hat noch immer zu verhindern gewusst, dass der Irrtum auf Dauer siegt, auch wenn Petrus kleingläubig wurde. Das feierliche Lehramt des Papstes aber, das dieser von der erhabenen Höhe seines Amtes in Glaubens- und Sittenfragen an die gesamte Kirche richtet, ist durch die Assistenz des Heiligen Geistes mit der Gabe dauernder Unfehlbarkeit ausgestattet. Selbst schwache und verwirrte Päpste, von denen es einige wenige gegeben hat, haben niemals gewagt, an diesem Grundbestand göttlicher Wahrheit zu rütteln. Würde dies doch wider Erwarten einmal geschehen, würde der Geist Gottes der ganzen Kirche eindeutig zeigen, dass das hohe Amt des Stellvertreters Christi auf einen anderen übergeht.

Der Geist Gottes aber ist stärker als der Irrtum und lässt niemals zu, dass die Braut des Herrn, deren Seele er ist, des Glanzes der Wahrheit verlustig geht. Neben den Sakramenten, deren Wirkmächtigkeit der Heilige Geist ebenso garantiert, ist nämlich der Glanz der unverfälscht überlieferten Wahrheit der herrlichste Schmuck der Kirche!

So sehen wir deutlich: Der Geist des Herrn hört niemals auf in der Kirche zu wehen! Er schenkt uns in Christus die göttliche Offenbarung, er garantiert ihre Wahrheit in der schriftlichen und mündlichen Überlieferung, er steht dem Lehramt bei, die Offenbarung immer besser zu verstehen und ohne Irrtum bis zum Ende der Welt zu bewahren.

Weil der Geist Gottes – der Geist der Stärke, der Liebe und der Wahrheit -, die Kirche auch in schweren Zeiten belebt, muss die Kirche in ihrer überlieferten Lehre auch heute noch mit der ‚Stimme der Ewigkeit‘ sprechen. Es ist daher nicht der Zeitgeist, der die Sprache der Kirche bestimmen kann. Wie die Worte ihres Herrn, so müssen auch die Worte der Kirche „Worte des Ewigen Lebens“ sein. Wenn daher Vertreter der Kirche nicht mehr mit der Stimme der Überlieferung, also nicht mehr mit der ‚Stimme der Ewigkeit’ sprechen würden, hörten sie auf, wirklich im Namen Christi und seiner Kirche die Wahrheit zu verkünden.

Bitten wir also heute den Geist der Wahrheit, die Kirche neu zu beleben, damit die Stimme der Ewigkeit in der Welt ganz  deutlich und ohne Fehl ertönen kann. Nur so können die Menschen das Wort Petri, des Felsens der Kirche, wieder verstehen, der – vom heiligen Geistes erfüllt –  klar bekennt: „Wohin sollen wir gehen? Du allein, o Herr,
hast Worte des Ewigen Lebens!“ Amen.

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.