Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
„Misereor super turbam. Ich erbarme mich der Menge“ (Mk 8, 2). Das sind die Worte Jesu, die die Kirche seit langer Zeit den Gläubigen am Weißen Sonntag zuruft. Der Herr erbarmt sich unser! Er steigt zu uns herab und Er gibt uns Seinen Leib und Sein Blut als Speise. Das ist der Grundton allen Handelns Gottes an uns: die liebende Barmherzigkeit, das Sich-uns-Neigen, das Uns-Vergeben!
Von Anfang an hat der allmächtige Gott so an uns Menschen gehandelt. Er hat uns von Anfang an trotz unseres Hochmutes und trotz unserer Abwendung von Seiner Güte retten wollen. Er hat schon im Paradies sich den Menschen mit großer Barmherzigkeit zugeneigt; als sie aus eigener Schuld diesen paradiesischen Zustand verlassen mussten, hat Er ihnen gleichsam wie eine Mutter, die nicht von undankbaren Kindern lassen kann, immer wieder Zeichen Seiner Barmherzigkeit gegeben. Er hat ihnen einen neuen Bund angeboten; Er hat sie aus der Gefangenschaft in Ägypten befreit; Er hat Sich ein Volk erwählt, dem Er immer wieder neue Propheten gesandt hat, um es von seinen schlechten Wegen abzubringen und zu Ihm zu bekehren. Wer die Propheten liest, der weiß, dass Gott schon damals auch für unsere Zeit spricht, denn auch wir haben genauso wie das Volk Israel ständig nötig, uns zu bekehren. Gott lässt in Seiner Barmherzigkeit nicht davon ab, uns diese Notwendigkeit durch das Wort Seiner Propheten ins Gedächtnis zu rufen.
Aber selbst diese Botschaft tut Seiner Barmherzigkeit nicht genug: Nicht nur die Propheten hat Er geschickt, um uns die Vergebung der Sünden zu verkünden und uns zur Bekehrung aufzurufen, sondern Er ist auch Selbst gekommen: Er hat Seinen eingeborenen Sohn gesandt, der Mensch geworden und in unsere dunkle Welt herabgestiegen ist, um uns zu erlösen. Der Gottmensch hat zu unserer Rettung den blutigen Tod am Kreuz auf sich genommen und hat schließlich, als krönendes Zeichen Seiner großen Barmherzigkeit, uns am Osterfest im Triumph der Auferstehung die Gewissheit Seines Sieges über Tod und Teufel gegeben
Auch damit aber ist der göttlichen Barmherzigkeit nicht genug getan: Gott hat uns auch nachher nicht allein gelassen. Er hat, weil Er weiß, dass wir Menschen die Gemeinschaft brauchen, um das Richtige zu wollen und dem Richtigen zu folgen, die Kirche gegründet, die in Dogma und Gebot uns Anweisung gibt für den Weg ins ewige Leben. Er hat sieben Sakramente gestiftet, damit wir an wirksamen Zeichen erkennen können, dass Seine Gnade uns nie verlässt. Er hat darüber hinaus den Aposteln, ihren Nachfolgern und ihren Mitarbeitern, den Priestern, die göttliche Kraft gegeben, unsere Sünden zu vergeben. Auch wenn wir immer wieder fallen, hat Seine Barmherzigkeit einen Weg gefunden, uns immer wieder zu verzeihen und mit Seiner Gnade zu versöhnen.
Alles das geschieht, damit wir Ihn empfangen können, so wie Er ist: Damit im größten und heiligsten Sakrament der Eucharistie der Herr mit Gottheit und Menschheit, mit Leib und Seele zu uns kommen kann, in unsere gereinigten Herzen, um uns von neuem Barmherzigkeit zu erweisen. Wir sind nicht allein! Er schenkt uns sich Selbst bei jeder heiligen Kommunion in Seiner ganzen göttlichen und menschlichen Größe. Er schenkt sich uns, damit wir ein Unterpfand Seiner Barmherzigkeit besitzen. Er schenkt sich uns schon im Kindesalter in der Erstkommunion und Er begleitet uns mit dieser Gegenwart ein ganzes Leben lang, weil Er weiß, dass wir Sünder sind, weil Er weiß, dass wir Seiner Hilfe bedürfen, weil Er sich unser als Glieder der sonst verlorenen Menge erbarmt. Die Barmherzigkeit Gottes ist keine neue Lehre, sondern zeigt sich in einem wunderbaren Zusammenhang im ganzen Heilstun Christi und in der gesamten Heiligen Schrift.
Wir können die Barmherzigkeit des Herrn nur staunend empfangen! Wir können nur unendlich dankbar sein, dass Er sich nie von uns zurückzieht, und wir müssen alles tun, um dieser Barmherzigkeit würdig zu werden. Denn „Deus non inridetur“, wie der Galaterbrief (6,7) sagt: „Gott lässt Seiner nicht spotten“. Wir dürfen nicht auf die Barmherzigkeit Gottes hin sündigen! Wir dürfen nicht den „lieben Gott einen guten Mann sein lassen“, wie man volkstümlich sagt, also vermessen mit seiner Verzeihung und Güte rechnen, ohne unsere Sünden zu bereuen und uns zu bekehren. Das Geschenk Seiner Barmherzigkeit sollen wir mit wirklicher Dankbarkeit empfangen, indem wir uns mit allen Kräften bemühen, die Sünde und die nächste Gelegenheit dazu zu meiden, den Geboten Gottes zu folgen und die heilige Eucharistie, dieses große und einzigartige Geschenk Seiner Barmherzigkeit, immer würdig zu empfangen.
Deswegen hat die Kirche seit dem heiligen Paulus seit den Anfängen gelehrt, dass niemand zum Sakrament der barmherzigen Gegenwart Gottes hinzutreten kann, wenn er sich nicht durch die Beichte vorbereitet hat und sich keiner schweren Sünde bewusst ist. Kein Sünder darf sich der heiligen Eucharistie nähern, wenn er nicht mit Reue seine Sünden bekannt und aufrichtige Besserung gelobt hat, damit er eine gültige Absolution in der Beichte empfangen kann. Wir alle sind Sünder! Wer sagt, dass er nicht sündigt, ist nicht in der Wahrheit, wie schon der heilige Johannes unterstreicht (vgl. 1 Jo 1, 8). Deswegen müssen wir uns vor dem Kommunionempfang prüfen und gut vorbereiten, damit nicht auf uns zutrifft, was der heilige Paulus sagt: „Wer den Leib des Herrn unwürdig isst und das Blut des Herrn unwürdig trinkt, der isst und trinkt sich das Gericht“ (1 Kor 11, 29).
Mit der gesamten Tradition der Kirche hat der für seine Glaubenstreue bekannte Kardinal Raymond Leo Burke nochmals darauf hingewiesen, dass diese Lehre der Kirche unveränderlich ist, dass also kein schwerer Sünder, der seine Sünden nicht bereut, der also hartnäckig und öffentlich in seinen Sünden verharrt und im Glaubensabfall und in der Unmoral leben will oder ein solches Leben ebenso öffentlich verteidigt, zur Kommunion zugelassen werden darf. Das ist keine Grausamkeit der Kirche, sondern es ist ein Schutz aller, und besonders derjenigen, die in solcher Situation verharren, damit sie nicht eine noch größere Sünde auf sich laden, das größte und schwerste Sakrileg, nämlich den unwürdigen und skandalösen Kommunionempfang, der das Sakrament der Gegenwart des barmherzigen Gottes missbraucht und gleichsam mit Füßen tritt.
Wir sind durch der Gnade Gottes hoffentlich nicht in diesem Zustand! Aber wir müssen alles dafür tun, dass wir in dieser Gnade Gottes verbleiben; auch dann, wenn wir nur lässliche Sünden auf uns geladen haben, ist es notwendig, dass wir uns auf den Kommunionempfang durch eine regelmäßige Beichte gut vorbereiten. Deswegen hat der Herr den Aposteln den Heiligen Geist gegeben, alle Sünden zu vergeben, seien sie schwer oder lässlich. Zum Kommunionempfang sollen wir wie die Heilige Jungfrau ganz reine Gefäße sein, die Gott durch Seine Barmherzigkeit mit Seiner eucharistischen Gegenwart beschenken kann.
Deswegen der Weiße Sonntag, an dem viele Kinder das erste Mal in ein reines Herz die heilige Eucharistie empfangen, auch für uns ein Aufruf, Gott nicht zu spotten. Gott hat uns ein unbeschreiblich großes Geschenk gegeben! Er schenkt Sich uns ganz jedes Mal, wenn wir kommunizieren. Bereiten wir uns auf dieses große Geschenk würdig vor. Bleiben wir dankbare Kinder Gottes und wissen wir, dass mit jeder guten, würdigen, heiligen Kommunion die Kirche aufgebaut wird; mit jeder schlechten Kommunion aber wird sie weiter zerstört und den Machenschaften Satans geöffnet.
Beten wir also für die Verantwortlichen, dass sie den Mut haben, jene vor der Kommunionbank zurückzuweisen, die öffentlich bekannt im Stande schwerer Sünde sind; beten wir für die unbußfertigen Sünder; auch für uns selbst, damit wir nie zu ihnen gehören. Ist unser Herz der Barmherzigkeit Gottes würdig, wenn wir nicht regelmäßig zur hl. Beichte gehen? Sind wir tatsächlich voll Dankbarkeit, voll Verehrung und voll Ehrfurcht für das große, einzigartige Sakrament der Eucharistie, in dem Gott uns Seine Barmherzigkeit zeigt? Demütigen wir uns deswegen regelmäßig in der Beichte vor dem großen Gott, bekehren wir uns und erneuern wir mit dem gläubig gewordenen Thomas, niederfallend vor diesem Sakrament der Barmherzigkeit, das große Glaubensbekenntnis der Kirche: Mein Herr und mein Gott! Amen.