Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
In unserem Leben ist vieles künstlich und wird täglich künstlicher. Nicht nur sind viele Gegenstände, deren wir uns bedienen, aus Plastik und zum Wegwerfen bestimmt; auch unsere Welt wird künstlich und falsch. Man gibt uns in Politik – und leider manchmal auch in der Kirche – Scheingründe an für das, was getan wird, und man will uns so auf den Leim des Irrtums führen. Falsch sind auch unsere Bedürfnisse, die künstlich hervorgerufen werden von einer immer heftiger werdenden Werbung. Falsch sind leider auch oft unsere gegenseitigen Beziehungen und unsere Gefühle, die statt wirklicher Zuneigung und wahrer Liebe nur Heuchelei sind und deswegen schnell und immer schneller brechen.
Wenn wir aber künstlich von echt und wahr von falsch im Leben eines Menschen unterscheiden wollen, dann müssen wir sehen, ob er für das, was er tut und sagt, bereit ist, Opfer zu bringen.
Nur dann ist die Liebe zwischen zwei Menschen, zwischen Mann und Frau echt, wenn im Gesamtversprechen der ehelichen Treue auch das Lebensopfer gegeben wird. Nur dann ist eine Freundschaft echt, wo die Bereitschaft besteht, in schweren Zeiten für einander einzustehen und sich gegenseitig zu helfen. Nur dann ist menschliches Wort echt, wenn für das Gesagte auch mit der Tat eingestanden wird, bis zum persönlichen Opfer!
Daran können wir sehen, dass in Gott nichts künstlich und falsch ist, sondern alles echt und wahr. Denn, und das feiern wir heute an Fronleichnam, Er hat das, was Er in der Schöpfung und in der Erlösung für uns getan hat, mit dem großen Zeichen des Opfers besiegelt. Er hat das durch Seinen eingeborenen Sohn Jesus Christus, den Er zu unserer Erlösung in die Welt gesandt hat, in verschiedenen Schritten getan.
Zunächst zeigt Er uns, dass die ganze Schöpfung, die Er gemacht hat, echt und gut ist, weil Er selbst in der zweiten Person der Dreifaltigkeit bereitwillig herabsteigt in unser Leben und als Mensch Geschöpf wird wie wir. Er lässt, obwohl Er Gott bleibt, alle sichtbare Herrlichkeit und alle Glorie des Himmels hinter sich. Er ist bereit, ein ganzheitliches Lebensopfer zu bringen, dadurch, dass Er jeden Moment des menschlichen Lebens, auch Einsamkeit, Armut und Ausgestoßensein auf sich nimmt. In vollkommener Entäußerung, wie wir sie uns nicht vorstellen können, weil wir nicht Gott sind, kommt Er in unser Leben und will mit uns Elenden bleiben, obwohl wir Sünder sind und Ihn verraten.
In seiner Menschwerdung hat Er uns auch gesagt, dass Er gekommen ist, um ein besonderes Opfer zu bringen. Er hat gesagt: „Ich bin gekommen, um mein Leben zu geben als Lösegeld für viele“ (Mk 10, 45; Mt 20, 28). Die vielen, die Sünder, die Armen, die Elenden, sind wir. Er ist gekommen, um Sein gottmenschliches Leben als Lösegeld für uns zu geben, die wir dem Tod verfallen wären ohne Ihn. Er sagt es deutlich: „Keiner hat eine größere Liebe als der, der sein Leben hingibt für seine Freunde“ (Jo, 15, 13). Gott ist unser Freund, Er redet nicht nur davon, sondern Er kommt tatsächlich, um Sein menschliches Leben hinzugeben für alle und jeden, der sich Seiner Gnade öffnet.
Wir haben es gerade gehört: Er will nicht nur bildlich Sein Leben hingeben, sondern tatsächlich Sein Fleisch und Blut. „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der wird das ewige Leben haben“ (Jo 6, 54). Alles gibt Er für die Sünder, die er rettet, bis zum letzten Blutstropfen. Was Er damit verheißen hat, was Er uns erklärt hat, was der Sinn Seines Kommens in dieser Welt ist, wird Wirklichkeit beim letzten Abendmahl.
Der heilige Thomas von Aquin sagt sagt: Kein Geschöpf kann das Wesen eines anderen Geschöpfes ändern (vgl. STh I, 105, a. 1). Aber der Autor allen Seins, der Selbst in diese Welt hinabkommt, kann das Sein der Dinge ändern, und Er kann auch den Vorhang der Zeit zerreißen. Deswegen hat in Vorwegnahme Seines Kreuzesopfers der Herr beim letzten Abendmahl mit der Kraft dessen, der Er ist, nämlich der Schöpfer aller Dinge, das Wesen, die Substanz von Brot und Wein verändert und in der Kraft des kommenden Kreuzopfers zu dem Lebensopfer von Leib und Blut des allmächtigen Gottes für uns gemacht.
Er kann, weil Er alles geschaffen hat, alles ändern. Er kann, weil Er alles liebt und vor allen Dingen Seine menschlichen Geschöpfe, uns sich ganz schenken. In dem geheimnisvollen Moment des Abendmahls, der auf unseren Altären immer wieder unblutig und geheimnisvoll durch Gottes Wort erneuert wird, tritt die Allmacht des Schöpfergottes, der über das Sein der Dinge Macht hat, in die Wirklichkeit des Menschen hinein und ändert alles zum Guten. Durch die endgültige Wirklichkeit des Kreuzesopfers bewirkt er so unser Heil: „Dann ging er hin zu sterben aus liebevollem Sinn, gab, Heil uns zu erwerben, sich selbst zum Opfer hin“, heißt es sehr treffend im Kirchenlied. Als der Herr sagte: „Consummatum est“ wird erneut die Kraft Seiner Gottheit tätig. In unser zerrissenes Menschenleben, das voll Künstlichkeit und Falschheit ist, wird die Echtheit und Wahrheit des erneuerten Seins gesenkt; Der, der das Sein des Menschen geschaffen hat, stellt es, wunderbarer als Er es einst geschaffen hat, durch Seinen Opfertod ganz wieder her.
Schließlich und drittens aber ist dieser Opfertod nicht ein Geschehen, das uns fern ist. Wohl ist der Tod am Kreuz einmaliges, nämlich durch die Kraft des allmächtigen Gottes unwiederholbares Heilsgeschehen. Doch wird es in dem Moment, wo der Herr sagt „Consummatum ist“, alles ist vollbracht, verewigt in Seinem Opferwillen, der niemals aufhört. Der Herr bleibt auch als der verherrlichte Herr an der Seite des Vaters das geopferte Lamm. Er zeigt auch nach der Auferstehung den Jüngern die Wunden Seiner Seite, Seiner Hände und Seiner Füße. Aus diesen Wunden wird für alle Zeit der Kirche jener Gnadenstrom zuteil, der sich auf unsere Altäre ergießt, jedes Mal, wenn die Heilige Messe so gefeiert wird, wie die Kirche es will. Wir sind also nicht von Gott verlassen, wir sind nicht auf uns selbst gestellt, wir sind nicht allein, sondern der opferbereite Gott, der durch Sein eigenes Lebensopfer die Wahrheit Seines Seins in uns erneuert, bleibt in Seiner Kirche bei uns.
Alles das, Geliebte, feiern wir gleich nicht nur im geheimnisvollen Opfer der heiligen Messe, in dem sich das Heilsgeschehen sakramental auf unseren Altären vollzieht, sondern auch in der Anbetung der heiligen Hostie. Denn alles, was Opfer, Hingabe, Ewigkeit, Gottheit und göttliche Macht über das Sein beinhaltet, ist unter dem unscheinbaren äußeren Zeichen der Hostie zusammengefasst. Die Ewigkeit tritt in unser Leben hinein, wenn wir die Hostie sehen. Gott selbst neigt sich uns, Sein ganzes Opfer kommt zu uns, die Ströme der Gnade erneuern sich und werden jedes Mal neu ausgegossen in der heiligen Messe, wo die Hostie zum Leib und zum Blut Christi wird, und in unserer Anbetung, wo wir uns dieses Geheimnis verehrend zu eigen machen.
Deswegen konnte man früher sehen, dass viele Menschen, wenn das Allerheiligste feierlich an ihnen vorübergetragen wurde, sich nicht nur hinknieten, sondern auch das Gesicht abwendeten und den Blick verhüllten, damit sie das Geheimnis Gottes, das mitten unter uns gegenwärtig ist, nicht zu sehen brauchten, denn, wie wir aus dem Alten Testament wissen: Gottes Anblick kann den Sünder töten. Doch unser Gott ist ein gnädiger Gott: Er will uns nahe sein mit Seiner Barmherzigkeit. Er setzt sich liebend unseren liebenden Blicken aus, obwohl wir Sünder sind. Er will, dass wir kommen, Ihn verehren, Ihn anbeten und Ihm nahe sind, so wie Er uns nah sein wollte. Je mehr wir Ihn verehren, Ihm liebend nahe sind und Sein Opfer in unserem Leben Wirklichkeit werden lassen, je mehr wir also die Eucharistie zum Mittelpunkt unseres Lebens machen, desto mehr wird auch in unserem Leben alles echt und wahr. Alles Künstliche, alles Geheuchelte, als Unechte fällt von uns ab, denn wir wissen: Dort ist das Zentrum unseres Lebens, dort ist die Quelle des Seins, dort kommt alles zu uns, was wahr und echt ist, wenn wir nur unser Herz öffnen.
Deshalb wollen wir heute mit der ganzen Kirche diese Echtheit und Wahrheit des Opfers Jesu unter uns erneuern; wir wollen unser Herz diesem Opfer gleichmachen und es Ihm nachtun; wir wollen deswegen in der Prozession, die der heiligen Messe folgt, mit allen Engeln und Heiligen rufen:Venite adoremus, kommt lasset uns anbeten! Amen.