Kloster Maria Engelport
Predigt von Msgr. Prof. DDr. R. Michael Schmitz
Generalvikar im Institut Christus König
24. Dezember 2020
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
„Deus homo, ut homo deus“- Gott ist Mensch geworden, damit der Mensch vergöttlicht werden kann: Das Geheimnis dieser Nacht ist ein göttliches Geheimnis. Große Heilige, wie etwa Papst Leo der Große und Papst Gregor der Große, sind in Zeiten der Gefahr, des Hunneneinfalls und der Pest, nicht müde geworden, das Weihnachtsgeheimnis zu preisen, jenen wunderbaren Tausch zwischen Gottheit und Menschheit. Wie konnten sie das Wirken des Weihnachtsgeheimnisses in schwerer Zeit verkünden? Was hat der Glanz der Heiligen Nacht mit unserer Not zu tun?
Gott wirkt auf ganz eigener Weise. Er wirkt so, dass wir auch dann, wenn wir in Not geraten, an sein Wirken glauben können. Wir sehen das ganz besonders am Weihnachtsgeheimnis der Menschwerdung. Dieses Geheimnis offenbart sich in drei Momenten, die uns erkennen lassen, wie Gott mit seinem Geheimnis auch in der Not mitten unter uns gegenwärtig ist.
Zunächst wirkt Gott im Verborgenen. Er hat die Menschwerdung nicht den Regierenden der Zeit Jesu angekündigt. Er ist nicht den Fürsten erschienen, auch nicht den Reichen und Einflussreichen. Er hat seinen Engel in die Verborgenheit eines kleinen, abseits der großen Welt gelegenen Hauses in Nazareth gesandt, zu einer Jungfrau, die niemand kannte. Er ist hinein gekommen in die Stille eines Lebens, das nicht damit gerechnet hatte, einmal von der Kraft des Allmächtigen Gottes überschattet zu werden. Gott hat entschieden, dass Er nicht in geschichtlichen Schlagzeilen wirkt, sondern im Verborgenen. Wenn niemand es erwartet, wenn die Welt glaubt, Er würde nicht wirken, dann wirkt Er doch. Er ist im Kleinen gegenwärtig, denn Er braucht nicht das Große um wirken zu können. Er selbst ist der Große und Er wirkt im Verborgenen.
Sodann ist Er in dieser Heiligen Nacht geboren worden, wie wir aus der Schrift erfahren, „media nocte“- mitten in der Nacht. Dazu hat Ihn neun Monate lang hat die Nacht des Mutterschoßes umfangen: Er ist aus dieser Dunkelheit hinausgegangen in die Dunkelheit der Welt. Er wurde geboren mitten in die Nacht hinein, in die Nacht unserer Sünde, in die Nacht unserer Schwierigkeiten, die Nacht unserer Ängste. Er hat sich vor dem Dunkeln nicht gescheut. Gottes Geheimnis ist größer als das Dunkel und kann deswegen in das Dunkel eindringen, kann im Dunkeln wirken, kann dort wirken, wo andere sich schon abgewandt haben, wo alle sich falschen Lichtern zuwenden, wo alle denken, dass Gott aufgegeben hat, weil Er die Nacht angeblich nicht durchdringen kann. Doch Gottes Plan und Gottes Macht ist stärker: Nichts ist so dunkel, nichts ist so schwer, nichts ist so undurchdringlich, dass Er nicht seine Macht darin wirklich zum Leuchten bringen könnte: Mitten in der Nacht leuchtet Sein Licht, mitten in der Nacht ist er sichtbar Mensch geworden.
Schließlich erscheint Er in seiner ganzen überzeitlichen Größe, als die Heiligen drei Könige von weit her angereist kommen, um Ihn anzubeten. Er erscheint, aber Er erscheint, wie Er schon geboren wurde, unter Schwierigkeiten. Wenn wir das Geheimnis Gottes erkennen wollen, wenn wir das Geheimnis Gottes in unser Leben eindringen lassen wollen, dann müssen wir mit Schwierigkeiten rechnen. Nicht nur Joseph und Maria hatten Schwierigkeiten einen Ort zu finden, wo die sichtbare Menschwerdung stattfinden konnte, sondern auch die Könige hatten Schwierigkeiten. So sehr, dass sie glaubten den Stern verloren zu haben, so sehr, dass sie fast den König der Welt in die Hände von Räubern und Mördern überliefert hätten, so sehr, dass, wie die Legende uns sagt, einer der Könige sich so verlaufen hat, dass er erst ankam, als der König der Herrlichkeit für unser Heil am Kreuze starb. Wir dürfen also nicht glauben, dass das Geheimnis Gottes in diese Welt ohne Schwierigkeiten kommt, dass wir ohne Schwierigkeiten Christ sein können. Bethlehem und der Kalvarienberg gehören im Plane Gottes zusammen! Gott wirkt auch in den Schwierigkeiten unseres Lebens, mit denen Er uns oft genug zu Ihm zurückführt. Er wirkt dann, wenn wir leiden müssen. Er wirkt auch dann, wenn andere leiden müssen, weil Er Ihnen zur Seite steht, denn sonst könnten sie das Leiden nicht tragen. Gott ist immer gegenwärtig, nicht nur wenn die Sonne scheint, sondern auch dann, wenn das Leben uns einen Streich spielt, wenn wir von den Anderen verlassen werden, wenn sonst niemand bei uns ist als die Allernächsten, dann wirkt das Geheimnis Gottes.
Deswegen dürfen wir in dieser Nacht den Engeln glauben, wenn sie den Hirten sagen „nolite timere“, habt keine Angst. Begreifen wir: Alle diejenigen, die das Geheimnis Gottes erkannt haben, sind durch eine schwere Schule gegangen, eine Schule, die sie demütig gemacht hat. Maria, die demütige Magd in der Verborgenheit; die heilige Familie, die mitten in Dunkelheit der Nacht heimatlos war und sich Herberge bettelnd demütigen musste; die großen Könige und Seher, die von weit herkamen und den Weg nur mit Schwierigkeiten gefunden haben, die sich klein machen mussten, um das Geheimnis Gottes zu erkennen. Alles das sind Demütige, die gelernt haben, dass Gott im Verborgenen, in der Dunkelheit, in Schwierigkeiten weiterwirkt und uns rettet.
Werden wir in dieser Nacht vor dem großen Geheimnis Gottes demütig, ganz klein, ganz bewusst unserer Sündhaftigkeit, ganz bewusst der Tatsache, dass wir alle der Hilfe bedürfen und dass diese Hilfe im Letzten nicht von den Menschen kommt, sondern von Gott, von seinem Geheimnis. Durch seine Menschwerdung sind wir alle erlöst und nicht durch die Welt. Das ist das große Geheimnis dieser Nacht. Die Demut macht uns anbeten, die Demut macht uns niederknien, die Demut macht uns klein, um dem Jesuskind in der Krippe in die Augen schauen zu können.
Dann aber erkennen wir das Geheimnis Gottes, dann brauchen wir keine Angst mehr zu haben. Wenn in der Welt die Großen und Mächtigen Angst haben, dann wissen wir es besser, denn der Herr ist Mensch geworden. Er ist ein Kind in der Krippe, Er öffnet seine Arme, weil wir arm sind und Er rettet uns. Glauben wir also den Worten des Himmels und hoffen wir im Glauben, in der Anbetung des Jesuskindes, dass der Himmel uns zur Seite steht. Dann werden wir in Verborgenheit, Dunkel und Schwierigkeiten nicht verzagen, sondern mit Seiner Gnade uns auch gegenseitig unterstützen und Mut machen mit dem himmlischen Ruf „nolite timere“- fürchtet euch nicht! Amen.