Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag

Wir leben auf einem Planeten, der um einen Stern kreist. Schon die Erde hat für uns eine erstaunliche Größe. Im Vergleich zur Sonne ist das aber verschwindend wenig. Dieser Stern im Zentrum unseres Sonnensystems ist gewaltig. Eine Million Erdkugeln würden darin Platz finden. Die gewaltigste bekannte Sonne, der sogenannte Überriese Canis Majoris, der erst 2004 entdeckt wurde, hat jedoch einen Durchmesser, der etwa 2000-mal so groß ist wie der unserer Sonne. Eine Größe, die jede Vorstellungskraft übersteigt.

Selbst dieser riesige Stern aber ist nur wie ein verschwindendes Sandkorn in der unvorstellbaren Ausdehnung des beobachtbaren Universums. Schon die Zahl der Sternnebel, die es enthält, weit mehr noch die Zahl der Sonnen in ihm ist nur noch in tausenden von Milliarden auszudrücken. Unsere Sprache hat keine Worte mehr, um solche Dimensionen zu erfassen. Jede Vorstellung kapituliert vor diesen Weiten.

Wieviel mehr gilt das aber von jenem unendlichen Wesen, das alle diese Welten in einem Augenblick geschaffen hat! Wenn wir die Gewaltigkeit der Schöpfung staunend erahnen, so gibt uns das nur einen allerersten, anfanghaften Begriff von der Erhabenheit Gottes, aus dessen Willen dieses gewaltige Universum entstanden ist. An den unfassbaren Kräften, die die Schöpfung Gottes im Riesigsten wie im Allerkleinsten ordnen und lenken, können wir die Majestät des Einen Gottes ablesen, der das alles ins Leben ruft, erhält und vollendet.

Diese Unendlichkeit Gottes, die das Weltall widerspiegelt, macht aber auch demütig. Sie lässt uns unseren Platz vor dem Schöpfergott begreifen. Wir können plötzlich nachvollziehen, was der heilige Paulus in der Epistel ausruft: „O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Ratschlüsse, wie unerforschlich seine Wege!“ (Römer 11, 33).

Aus der Pracht und Größe der Schöpfung können wir die Allmacht ihres Autors erkennen, doch begreifen können wir ihn nicht. Schon die Gesetze der Natur, die er festgelegt hat, sind trotz aller wissenschaftlichen Forschungen uns immer noch größtenteils verborgen. Je mehr wir in sie vordringen, desto größer wird ihr Geheimnis. Schon ein anderer Mensch bleibt uns oft geheimnisvoll. Wieviel mehr gilt das von Gott und seinem inneren Wesen! Gott ist, wie das erste Vatikanische Konzil definiert hat, „Schöpfer und Herr des Himmels und der Erde, allmächtig, ewig, unermesslich, unbegreiflich, an Vernunft und Willen sowie jeder Vollkommenheit unendlich“ (Dogmatische Konstitution Dei Filius, 1). Wie könnten wir ihn begreifen?

Weil das aber so ist, weil Gott in einem „unzugänglichen Lichte wohnt“ (1 Timotheus 6, 16), hat er selbst von sich zu uns gesprochen. Wir können sein inneres Wesen nicht erfassen, Er aber hat beschlossen, es uns zu offenbaren. Offenbarung meint hier die Offenlegung jener Geheimnisse Gottes, die zu unserem Heil notwendig sind. Er hat zu uns gesprochen, damit wir wissen, wer er ist. Zu Moses hat er in der Wüste aus dem brennenden Dornbusch gesagt: „Ich bin, der Ich bin!“ (Exodus 3, 14). In der Folge hat er den Propheten des Alten Testamentes seine Herrschaft und auch bereits seine Vaterschaft dem Volke Israel und allen Völkern der Erde gegenüber enthüllt (z.B. Jeremias 31,9; Jesaias 63,16; 64,7). Doch erst am Ende der Zeiten hat er uns durch den Gottmenschen Jesus Christus noch tiefer in das Geheimnis seines ewigen Wesens blicken lassen.

Gott enthüllt erst der Kirche in einer endgültigen Offenbarung die volle Größe des Geheimnisses! Ohne das fleischgewordene Wort Jesus Christus hätten wir nie wissen können, wer Gott wirklich ist: Vater, Sohn und Heiliger Geist, vereint in einem unendlichen Wesen von drei göttlichen Personen, von deren gemeinsamen Leben alles ausgeht und in dem alles endet. Das Kirchengebet des heutigen Hochfestes sagt uns, wie wir dieses Geheimnis erkannt haben und bittet um den Schutz, der uns aus dem Glauben daran erwächst: „Allmächtiger ewiger Gott, Du hast Deinen Dienern die Gnade verliehen, im Bekenntnis des wahren Glaubens die Herrlichkeit der ewigen Dreifaltigkeit zu erkennen und in der Macht der Majestät die Einheit anzubeten; nun bitten wir Dich, lass uns kraft dieses unerschütterlichen Glaubens stets vor allem Unheil gesichert sein!“

Nur der wahre Glaube lehrt uns das Geheimnis Gottes in seiner ganzen Herrlichkeit. Dieser Glaube erhält seinen Inhalt aus der Offenbarung Gottes selbst. An dieser Offenbarung des Glaubens festhalten zu können, ist unverdiente und unverdienbare Gnade. Offenbarung und Gnade aber führen uns zur Anbetung der Majestät Gottes. Nur dieser unerschütterliche Glaube aber bewahrt uns im letzten vor allem Unheil, schon hier, besonders aber in der Ewigkeit. Nicht nur als seine Geschöpfe hängen wir also ganz von Gott ab. Auch das notwendige Heilswissen um sein inneres trinitarisches Wesen ist als Offenbarung und Gnade Sein freies Geschenk, das er uns gibt, weil er uns liebt. Die gläubige Anbetung der Allerheiligsten Trinität ist das Tor zum Heil! Das Wissen um das wahre Wesen Gottes ist der Schlüssel zum Himmel!

Deswegen schließt sich an die Offenbarung des innersten göttlichen Geheimnisses auch der Auftrag an die Kirche an, den wir im Evangelium gehört haben: „Gehet also hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie alles, was ich Euch geboten habe!“ (Matthäus 28, 19). Es ist nicht gleichgültig, was man glaubt. Gott selbst gebietet seiner Kirche, den Namen des wahren Gottes über die Täuflinge auszusprechen und sie ohne Ausnahme alles zu lehren, was dieser wahre Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, zu glauben und zu tun geboten hat. Wie der ewige Gott, so ist auch dieser Auftrag an die Kirche unveränderlich. Von seiner Verwirklichung hängt das Heil der vielen ab!

Das innere Geheimnis der göttlichen Dreifaltigkeit zu verstehen, ist für uns Menschen nicht möglich, auch nicht in der Ewigkeit. Wir haben gesehen, dass wir die Herrlichkeit der Schöpfung kaum begreifen, noch weniger den Schöpfer und schon gar nicht sein innerstes Wesen. Was er uns davon gesagt hat, ist das, was wir mithilfe der Kirche noch so gerade erfassen können: Im Inneren des göttlichen Lichtes brennt ein unendliches Feuer der Liebe, in dem die drei Personen des einen Wesens Gottes ewig aufeinander bezogen sind. Dieses Feuer der Liebe ist so stark, dass es sich mitteilen will. Daher die Majestät und Erhabenheit der ganzen sichtbaren und unsichtbaren Schöpfung. Dieses Feuer aber will sich nicht nur mitteilen, es will erleuchten und erretten, was verloren war. Daher das Licht der Offenbarung und das Liebesopfer der Erlösung. Alle Liebe aber will auch ähnlich machen. Daher die Heiligung und Erhebung der Erlösten durch den Geist der Liebe, der in der Kirche weht. Das Heilswerk Gottes ist also ein Spiegel Seines Wesens!

Der Große Gott, der „über alles, was außer ihm ist und gedacht werden kann, unaussprechlich erhaben ist“ (Dei Filius, 1), ist der Eine und Dreifaltige. Er ist herrlicher als sein herrliches Universum. Er offenbart uns in zärtlicher Liebe sein innerstes Wesen. Er öffnet sich uns. Er neigt sich uns zu, weil er uns erheben und durch die Macht seiner Gnade an sich ziehen will. Nur durch seine Macht kann das geschehen, nur durch seinen Namen werden wir gerettet. Sein wunderbarstes Werk ist unsere Erlösung! Wer wollte sich dem entziehen? Wer seine Heilsbotschaft verschweigen?  Wer der Dreifaltigkeit seinen Dienst verweigern? Die Gewalten der Himmel erzittern vor Gott, der sie schafft und erhält. Uns aber liebt er und wird uns gleich, damit wir Ihm ähnlich werden können. Dafür müssen wir unendlich dankbar sein. Daher müssen wir Ihn demütig anbeten. Deswegen rufen wir mit der ganzen Kirche am heutigen Hochfest: „Gepriesen sei Gott Vater und Gottes eingeborener Sohn und der Heilige Geist, weil sie an uns Barmherzigkeit getan!“ (Tob. 16, 6).

Msgr. Prof. DDr. R. Michael Schmitz