Predigt zum Herz Jesu Fest 2021

Predigt zum Herz Jesu Fest 2021

v. Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen.

Unsere Zeit ist arm geworden. Arm geworden vielleicht nicht an materiellen Gütern, auch wenn die Reichen immer reicher zu werden scheinen und die Armen immer ärmer. Doch was die Welt hat, das sind meist Dinge, die man zählen kann, die man anfassen kann, die nicht wirklich, nicht innerlich reich machen.

Deswegen stellt uns heute die Kirche den wahren Reichtum vor Augen. Den „unergründlichen Reichtum Christi“, den wir vor allem im Heiligsten Herzen Jesu erkennen und anbeten können. Dieser Reichtum ist mannigfach. Wir wollen heute besonders vier Aspekte dieses Reichtums des Herzens Jesu betrachten: Den Reichtum der Weisheit und Wissenschaft, den Reichtum der Gnade, den Reichtum der Sühne, und schließlich den Reichtum der Liebe.

Schon Pius XII hat in seiner berühmten Enzyklika ‚Haurietis Aquas‘ vom Jahre 1958 gesagt: „Das Herz unseres Heilandes gibt also irgendwie ein Bild der göttlichen Person des Wortes wieder, ebenso der doppelten menschlichen und göttlichen Natur. Und in ihm können wir nicht nur das Sinnbild, sondern auch die Zusammenfassung des ganzen Geheimnisses unserer Erlösung erblicken.“ Wenn wir auf das Herz Jesu schauen, dann sehen wir nämlich in ihm das Feuer der dreifaltigen Gottheit brennen. Wir sehen, dass Jesus, der vor aller Zeit war, immer noch ganz von der Gottheit erfüllt ist. In Ihm tritt uns die Allmacht Gottes klar entgegen.

Darüber hinaus erkennen wir im Herzen Jesu das Wirken der Gottheit für uns, denn wir sehen auch das Geheimnis der Menschwerdung. Gerade das Herz des Herrn zeigt uns, dass Christus keinen Scheinleib angenommen hat, sondern durch und durch, bis in das Innerste seines Herzens Mensch geworden ist, sodass er mit uns fühlen und mit uns leiden kann. Wir erkennen dadurch auch die Erlösungsordnung. Denn Er hat uns nicht von Ferne erlösen wollen, sondern mit seinem eigenen Herzen, das für uns durchstoßen worden ist. In der Anbetung des Heiligsten Herzens Jesu erfassen wir die ganze Bereitschaft Gottes, sich für uns als Erlösungsgabe hinzugeben und ganz mit uns zu sein, in jedem Moment des Lebens. Wer im Herzen Jesu liest, der kann so die ganze Weisheit des Seins und des Handelns Gottes erkennen und anbeten.

Das Herz Jesu aber bleibt auch die Fülle und die Quelle aller Gnaden. Es ist am Kreuz geöffnet worden und es bleibt geöffnet. So sehen wir an allen Statuen und Bildern unseres Herrn immer auch die geöffnete Seite. Das ist nicht nur ein leeres Symbol, sondern zeigt uns, dass das Herz Jesu wirklich die Quelle aller Gnaden ist. Die Reichtümer aller Gnaden fließen aus dem Herzen Jesu. Ständig und ununterbrochen wird durch das Opfer Jesu Christi der Kirche der Reichtum der Gnade vermittelt. Wenn wir hier auf unserem Altar gleich das heilige Messopfer feiern können, wenn Sie in der heiligen Beichte die Gnade der Vergebung erhalten, wenn in den anderen Sakramenten der Gnadentisch des Herrn immer reich gedeckt bleibt, dann deswegen, weil unaufhörlich aus dem gottmenschlichen Herzen Jesu Christi diese Gnaden auf die Kirche herabströmen, die sie uns vermittelt. Wir kennen deswegen das Herz Jesu als die wirkliche Quelle, den tatsächlichen Ursprung aller Gnaden an und wenn wir es anbeten, dann flehen wir diese Gnaden nicht nur egoistisch auf uns selbst herab, sondern auf die ganze Kirche, die immer wieder durch den Gnadenstrom aus der Seite Jesu Christi reingewaschen und erneuert wird.

Der unendliche Reichtum dieser Gnaden aber drückt sich auch in der Fülle der Sühne aus, die Christus für uns gelitten hat. Das ganz reine und unschuldige Herz des Herrn war „voll der Schmach“, weil Er alles Dunkel, alle Sünde und alles Schlechte, das von uns kommt, auf sich genommen hat. Wir können uns nicht vorstellen, was es für ein ganz reines Herz bedeuten mag, mit dieser Überfülle der Hässlichkeit, die die Sünde in die Welt bringt, überflutet zu werden. Er hat sich dem nicht entzogen. Er hat dem himmlischen Vater jene Sühne geleistet, die wir niemals hätten leisten können. Er hat die Schmach, die jedes menschliche Herz gebrochen hätte, auf sich genommen, um unsere Herzen reinzuwaschen und um sicherzustellen, dass wir die Kraft finden, der Sünde mithilfe der Gnade aus dem Weg zu gehen. Die Fülle der Sühne, die der Herr geleistet hat, zeigt sich ebenso in der Verzeihung, die Er uns immer wieder gibt, wenn wir uns seinem Heiligsten Herzen nähern und Ihm in der heiligen Beichte mit reuevollem Herzen um Vergebung bitten. Die Sühne ist so groß, dass keine Sünde, die in dieser Welt geschieht, wenn sie nur bereut wird, vor der Barmherzigkeit standhalten kann, die das sühnebeladene Herz Jesu symbolisiert.

Schließlich sehen wir gerade an dieser stellvertretenden Sühnebereitschaft des ganz unschuldigen Herzens Jesu, dass dieses Herz wirklich, wie die Litanei uns sagt, der „brennende Feuerherd der Liebe“ ist. Die göttliche Liebe brennt in diesem Herzen, weil es ein göttliches Herz ist. Aber das größte Geheimnis ist, dass dieses Herz jeden von uns persönlich kennt, dass dieses Herz zu jedem von uns auch ein ganz menschliches, persönliches, inniges Band der Liebe geflochten hat, dass dieses Herz, als es am Kreuz geöffnet worden ist, für jeden einzelnen von uns sein Blut vergossen hat. Es gibt keine passive Kollektiverlösung, sondern eine persönliche, von Christus für jeden von uns namentlich gewollte Erlösung aus Liebe, die wir in Freiheit annehmen können. Jeder von uns hat im Herzen Jesu einen Herzensfreund. Und jeder von uns kann wissen, dass dieses Herz für ihn ganz persönlich die Quelle aller Tröstung sein kann, die kein Mensch und keine Freundschaft hier auf Erden schenken kann.

Dieser Reichtum der Weisheit, Gnade, Sühne und Liebe des Herzen Jesu darf nicht vergessen werden. Er zeigt uns das Herz des Herrn als ausdrückliches Bild der unendlichen Liebe Jesu Christi, das uns durch sich selbst zur Gegenliebe bewegt. Wenn wir das Herz Jesu sehen, dann ist es eben nicht nur ein leeres Symbol – es darf uns nicht kalt lassen, denn es ist ein brennendes Herz, das unsere Liebe hervorrufen will. Es ist ein Herz, in dem die Fülle der ganzen Gottheit wohnt, in dem, wie der Hl. Johannes im ersten Kapitel seines Evangeliums sagt: „Von Seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade.“ (Joh. 1, 16).

Deswegen hat die Kirche durch viele Jahrhunderte die Herz Jesu Verehrung gegen die Kälte und die Armut der Welt propagiert. Deswegen feiern wir in einer feierlichen Prozession gleich das Heiligste Herz Jesu als den König der gesamten Erlösungsordnung und unseren eigenen persönlichen Freund. Deswegen hat die Hl. Margareta Maria Alacoque verstanden, dass die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu ein letztes Wort des barmherzigen Gottes an die Menschheit ist, wenn sie sagt: „Die Herz Jesu Verehrung ist eine letzte Bemühung des Herrn, zugunsten der Christen dieser letzten Zeit, um sie davon zu überzeugen, …Ihn zu lieben.“ Diese letzte Bemühung des Herrn, sich das Herz öffnen zu lassen für uns, darf nicht unbeantwortet bleiben. Es ist in dieser letzten Zeit die Aufgabe jedes einzelnen, der so selbstlos vom Herrn geliebt wird, auf diese Liebe zu antworten. Die letzte Zeit ist immer gegenwärtig! Die Liebe des Herrn ruft uns immer zur Antwort! Deswegen wollen wir unser Herz umgestalten lassen in das Herz des Herrn, der für uns gestorben ist. Amen.