Kloster Maria Engelport
Predigt von
Msgr. Prof. DDr. R. Michael Schmitz
am vierten Sonntag nach Pfingsten 2021
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.
„Gementes et flentes in hac lacrimarum valle“ – „seufzend und weinend in diesem Tal der Tränen“: So beschreibt das Gebet ‚Salve Regina‘, das ‚Gegrüßet seist du Königin‘, unsere hiesige irdische Kondition.
Wir kennen sie alle: Wir sind nicht immer glücklich. Es ist nicht immer einfach. Wir haben mit mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen und unser eigenes Leben ist wie ein langer, manchmal steiniger Weg, der nicht immer ins Helle führt. Wir dürfen uns darüber nicht wundern, denn wir leben oft in einer Art geistiger Gefangenschaft. Wir wissen, dass unsere Voreltern sich schon vor langer Zeit von Gott abgewandt haben. Wir wissen, dass die Folgen dieses Sündenfalls uns noch alle verfolgen. Wir kennen unsere eigene Sündhaftigkeit, die uns bei allem guten Willen und vielen guten Vorsätzen immer wieder einholt. Wir leben tatsächlich in einem Tal der Tränen.
Der heilige Paulus sagt uns das in der heutigen Epistel ganz deutlich: „Wir wissen ja, dass alle Geschöpfe seufzen und in Wehen liegen bis auf den heutigen Tag.“ (Röm 8,22) Wir erfahren immer wieder Leid und Begrenztheit. Wir können, jeder Einzelne und die menschliche Gemeinschaft im Ganzen, dem Kreuz nicht entgehen. Der heilige Paulus erklärt uns im schon zitierten Römerbrief aber auch den Sinn dieser Leiden. Er sagt uns ganz klar: „In Sehnsucht harret ja auch die Schöpfung auf das Offenbarwerden der Herrlichkeit Gottes an seinen Kindern.“ (Röm 8, 19), denn „die Leiden dieser Zeit sind nicht zu vergleichen mit der künftigen Herrlichkeit.“ (Röm 8, 18). Wenn wir hier leiden, wenn wir Schwierigkeiten zu überwinden haben, wenn jeder von uns sein eigenes persönliches Kreuz zu tragen hat, dann müssen wir das als eine Durchgangsituation begreifen. Diese Leiden sind nichts im Vergleich mit der Herrlichkeit, die uns erwartet. Das, wodurch wir leiden, und das, weswegen wir seufzen, alles, was nicht selten schwierig zu ertragen ist, ist gleichsam ein Zustand der Reinigung, ein Zustand des Wachsens auf die Ewigkeit hin, für die wir eigentlich geschaffen sind.
Sicherlich gibt uns der Herr auch hier auf Erden vieles Gute. Wir dürfen ihn – wie er selbst gesagt hat – um alles bitten, wenn wir nur gläubig sind (vgl. Mt 21, 22). Aber wir dürfen Gott nicht zum Ausführungsgehilfen unserer irdischen Glückseligkeit machen. Er ist kein nur innerweltlicher Gott. Er ist nicht da, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Er ist nicht da, bloß um das, was wir hier nicht aus eigener Kraft erreichen können, für uns hier und jetzt besser zu machen. Er ist immer der größere Gott. Er ist in der Herrlichkeit und will uns auf die Herrlichkeit zuführen. Jedes Mal, wenn er uns ein Kreuz schenkt, jedes Mal, wenn er uns eine Prüfung gibt, dann blickt Gott weiter als wir, weil er weiß, unser Leben endet nicht hier. Wir sind Ewigkeitsgeschöpfe und wir sind deswegen notwendig in einer Situation der Prüfung, in einer Situation des Leidens, die uns vorbereitet auf die größere Herrlichkeit.
Unsere richtige Antwort auf dieses Willen des großen Gottes wird uns im Evangelium vorgestellt: Der heilige Petrus hatte mit den anderen Aposteln eine ganze Nacht lang vergeblich gefischt. Wie oft ist unsere eigene Situation nicht ähnlich? Wir haben lange Zeit um etwas gebetet, es ist aber immer noch nicht in Erfüllung gegangen. Wir haben eine Situation zum Besseren verändern wollen, aber sind an allen möglichen Schwierigkeiten gescheitert. Wir haben vielleicht in der Familie den Frieden stiften wollen, aber er hat sich immer noch nicht eingestellt. In solchen Momenten sagt der Herr uns im Blick auf die Ewigkeit: Gib nicht auf, sondern mache weiter! Er sagt uns wie dem Petrus: „Wirf dein Netz aus!“ (vgl. Lk 5, 4) Unsere Antwort muss dann die des erfahrenen Fischers Petrus sein, der genau wusste, dass – menschlich gesprochen – in dieser Nacht nichts mehr zu fangen sei, der aber dem Herrn geantwortet hat: „In verbo tuo laxábo rete.“ – „Auf dein Wort hin, o Herr, werfe ich das Netz aus.“ (Lk 5, 5) Auf dein Wort hin, o Herr, gebe ich nicht auf. Auf dein Wort hin, o Herr, glaube ich an die größere Herrlichkeit der Ewigkeit, gegen die die Leiden einer ganzen vergeblich durcharbeiteten Nacht gar nichts sind.
In dieser Zuversicht wirft Petrus das Netz aus. Weil er geglaubt hat, wird sein Netz so sehr gefüllt, dass die Überfülle der Fische es beinahe zum Zerreißen bringt. Der Herr zeigt damit seine göttlichen Macht. Er zeigt, dass wir nicht nur für diese Welt geschaffen sind. Er zeigt, dass es um uns und mit uns wirkend eine größere Kraft gibt. Wenn wir nur im Glauben und im Vertrauen dieser Kraft, nämlich der göttlichen Gnade, den richtigen Platz in unserem Leben geben, dann können wir weiterwirken, auch wenn wir sonst menschlich bereits mutlos gewesen wären.
Darum auch spricht der Herr, zu Petrus wie zu uns, jenes große Wort: „Fürchte dich nicht, von nun an wirst Du Menschenfischer sein!“ (Lk 5, 10) Von neuem blickt Gott in die Weite. Es geht nicht darum, dass Petrus plötzlich auf sein Wort hin viele Fische gefangen hat. Es geht darum zu zeigen, dass durch die göttliche Macht und auf Ihr Wort hin, Petrus Seelen wird fangen können für die Ewigkeit. Der Herr gibt uns nicht nur alles, was hier wir brauchen. Wenn wir mit ihm über dieses Tal der Tränen hinausblicken in die Ewigkeit und Herrlichkeit, die uns erwartet, dann gibt er uns die Kraft, die Gnade zu empfangen, mehr als Menschenmögliches zu tun: Nämlich in seinem Sinn zu wirken, für ihn Zeugnis abzulegen und Menschen zu ihm zu bringen, damit sie mit uns zur endgültigen „Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8, 21) in der Ewigkeit gelangen.
Gott ist kein Ausführungsgehilfe unserer weltlichen Wünsche. Gott ist größer! Er führt uns weiter und er gibt uns größere Aufgaben. Jedem einzelnen durch das Gebet, durch das Leiden, durch die Sühne, durch die Kreuze, durch die Gnaden, die er uns schickt. Alles das sind nicht nur innerweltliche Mittel, sondern es sind Instrumente zu unserer eigenen Heiligung und zur Heiligung der gesamten Welt. Werden wir also niemals mutlos! Sagen wir in allen Schwierigkeiten persönlicher Art und in den Schwierigkeiten der Welt zu Gott immer mit dem gleichen Vertrauen des Petrus: „Auf dein Wort hin, o Herr, werfe ich das Netz aus.“ Wenn wir das tun, wird unser Fischfang wird reich sein und uns in die Ewigkeit führen. Das bestätigt nur, was der Herr den Aposteln anderswo gesagt hat: „Sorgt euch zuerst um das Reich Gottes und alles andere wird euch dazugegeben werden“ (Mt 6, 33).
Geliebte, es ist wahr, was der heilige Paulus lehrt: „Die Leiden dieser Zeit sind nicht zu vergleichen mit der künftigen Herrlichkeit.“ Vertiefen wir unseren Glauben, beten wir zu den Apostelfürsten Petrus und Paulus, damit wir, wie sie, weiterblicken über die Leiden hinaus in die Herrlichkeit, für die wir geschaffen sind, damit wir nie aufhören in großem Gottvertrauen weiter zu arbeiten für das Reich Gottes. Wir dürfen sicher sein: Alles andere wird uns dazu gegeben werden! Amen.
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.