Predigt am 8. Sonntag nach Pfingsten, dem 23. Juli 2023, von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Was ist Klugheit? Wer ist wirklich klug? Die Antwort unseres Herrn darauf scheint zunächst erstaunlich zu sein: Er stellt die Klugheit in den Zusammenhang der Umstände und Absichten desjenigen, der handelt. Er kann uns daher den ungerechten Verwalter als Beispiel weltlicher Klugheit. Er fügt erklärend hinzu: „Die Kinder der Welt sind im Umgang mit Ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes“ (Lk 16, 8), d.h. nach ihrer Art unter sich, so wie sie normalerweise handeln. Diese Weltklugheit, die wir auch Raffinesse nennen können, zeigt sich sehr klar am Verhalten des ungerechten Verwalters. Als er merkt, dass ihm sein Herr auf die Schliche gekommen ist, gibt er nicht einfach auf, sondern er tut genau das, was er vorher getan hat. Seine erprobte Raffinesse aber umfasst drei Handlungsweisen: Er manipuliert, er betrügt, er ist gierig, weil er das Erschlichene behalten will.

Die Kinder dieser Welt, die im „Geist der Knechtschaft“ (Röm 8, 15) leben, wie der hl. Paulus in der Lesung sagt, manipulieren. Wir werden alle immer mehr Opfer solcher Manipulation. Nachrichten und Meldungen, die uns als Informationen übermittelt werden, dienen heute sehr oft der sogenannten „Meinungsmache“ und ideologischen Manipulation. Wir müssen deswegen die Informationen, die wir bekommen, vorsichtig prüfen, denn wir können befürchten, dass der Geist der Knechtschaft dahintersteht und dass diejenigen, die uns mit solchen Manipulationen nur vordergründig informieren, in Wirklichkeit jedoch beeinflussen wollen, ihrerseits Sklaven ideologischer Verblendung sind. Wahrheit ist leider oft nicht mehr der Maßstab der Weitergabe von Informationen, ganz wie bei dem ungerechten Verwalter.

Ebenso fehlt den „Kindern der Welt“ vielfach Wahrheit des Handelns. Mit ihrer Ehrlichkeit ist es nicht weit her! Der Verwalter im Evangelium hat bestochen und lässt sich bestechen. Auch das erleben wir in der Welt und leider manchmal auch in einer verweltlichen Kirche zu Genüge: Menschen bestechen und lassen sich bestechen, sowohl materiell wie geistig; sie lassen sich kompromittieren und sie tun Dinge, die nicht ehrlich sind, um bestimmte innerweltliche Ziele zu erreichen, genau wie der ungerechte Verwalter.

Schließlich handeln viele, die manipulieren und bestechen, aus Gier. Sie wollen behalten, was sie sich erschlichen haben. Sie wollen in den Wohnungen der Großen und Reichen, die sie aufgenommen haben, weiter bleiben können. Sie haben das Ziel der innerweltlichen Bequemlichkeit und des Wohllebens, das sie durch Betrug, Lüge und Gier erhalten haben und das sie behalten wollen, damit es ihnen hier auf Erden auch weiter gut geht.

Das ist die „weltliche“ Klugheit. Die „Kinder der Welt“ sind – wir könnten sagen  „Gott sei Dank“ – unter sich und auf ihre Weise klüger als wir. Aber auf dieser Ebene bewegt sich der Herr nicht. Er empfiehlt nicht ihr Handeln als solches, ihre kluge Raffinesse, sondern er lehrt uns eine höhere Form der Klugheit. Er zeigt uns in Seiner Offenbarung eine völlig andere Ebene: Es geht nicht darum, hier und jetzt bequem und weltlich angenehm zu leben, es geht nicht darum, auf dem breiten Weg langsam abwärtszuschreiten, sondern es geht darum, die „ewigen Wohnungen“, den Himmel, zu erreichen. Deswegen sollen wir nicht die Klugheit der Welt, die sich Raffinesse nennt, sondern die Klugheit Gottes, die sich Weisheit nennt, annehmen. Weil wir die Gnade Gottes in der Taufe empfangen haben, handeln wir nicht aus dem Geist der Knechtschaft, sondern aus dem Geist der Kindschaft.

Deswegen lassen wir uns nicht manipulieren. Unser Maßstab ist nicht dem Zeitgeist angepasste Information oder ideologische Scheinwahrheit, sondern die Wahrheit Gottes, Seine Offenbarung, die Lehre der Kirche. Das Unveränderliche, das von Gott kommt und bleibt, soll unser Leben zuerst bestimmen. Wir müssen, wenn wir aus dem Geist der Kindschaft leben wollen, ständig alles, was man sagt und was man von uns will, an diesem Maßstab messen. Dann werden wir nicht manipuliert und nicht manipulieren, sondern wir werden der Wahrheit, die uns zum Heil führt, folgen und anderen auf diesem Wege helfen.

Ebenso bestechen wir nicht und lassen uns nicht bestechen. Sicher wird das uns oft dazu führen, es in dieser Welt nicht immer so bequem zu haben, auf Scheinerfolge verzichten zu müssen, nicht zu den ganz Reichen und den ganz Mächtigen zu gehören. Aber wenn wir unbestechlich sind, wenn wir den Geboten Gottes folgen, auch wenn es etwas kostet und wenn es Opfer fordert, dann werden wir zu „Erben Gottes und zu Miterben Christi“ (Röm 8, 17), wie der heilige Paulus lehrt. Alle Raffinesse der Welt kann uns nicht jenen Reichtum sichern, den wir erben werden, wenn wir uns in dieser Welt freihalten von Betrug und Bestechung. Lassen wir uns weder durch materielle Versprechungen noch durch ängstliche Anpassung an den Zeitgeist bestechen, denn das alles führt zu nichts und wir würden unser ewiges Erbe verspielen. Nur, was Gott uns gibt, bleibt und ist größer als alles, was die Welt versprechen kann.

Schließlich sollen wir uns vor aller Gier nach weltlichem Besitz und irdischem Wohlleben hüten. Es geht nicht darum, in die Wohnungen der Reichen und Mächtigen aufgenommen zu werden. Wenn man uns aufnimmt, umso besser; wir können dort Gutes tun, denn alle haben eine unsterbliche Seele und brauchen das christliche Beispiel. Aber wir sollen nichts Unrechtes tun, um dorthin zu gelangen. Wir sollen nicht der menschlichen Gier nach Erfolg und Besitz folgen. Wir sollen nicht den Mammon gebrauchen, wie die Welt ihn gebraucht, wir sollen nicht haben wollen, sondern geben dürfen. Der Herr ruft uns deswegen auf, den ungerechten Mammon so zu verwenden, dass wir uns Freunde schaffen im Himmel und dass die ewigen Wohnungen uns offenstehen. Weggeben, teilen und großzügig sein, das ist nicht der Geist der Welt, aber der Geist der Kindschaft Gottes, der Geist Jesu Christi, der alles, auch Sein Leben, gegeben hat, um uns zu retten.

Nun verstehen wir, warum der Herr will, dass wir klug sind, und zwar nicht nach der Raffinesse der Welt, sondern nach der Weisheit Gottes. Unser Maßstab wird von Wahrheit, Ehrlichkeit und Nächstenliebe gebildet, also von der Selbstlosigkeit und Großzügigkeit der Gnade. Wir haben überreich empfangen und wir dürfen zu Gott „Vater!“ sagen: Verhalten wir uns als Seine Kinder! Leben wir nicht nach den Maßstäben dieser Welt, sondern nach den Maßstäben Gottes! Seien wir klug mit dem Blick auf die Ewigkeit: Dann werden die Tore zu den ewigen Wohnungen für uns weit offenstehen! Amen.