Predigt am Fest der hll. Apostelfürsten Petrus und Paulus, dem 29. Juni 2023, von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

„Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen werde Ich meine Kirche bauen“ (Matth.16,18). Als der Herr diese historischen Worte gesprochen hat, wusste Er genau, wen Er in Petrus vor sich hatte. Er wusste um all die Charakterschwächen des Petrus, von denen auch wir wissen, weil die Heilige Schrift sie nicht verschweigt. Er wusste, dass Petrus kein gebildeter Mann war, denn er konnte nicht lesen und schreiben. Er wusste auch, dass der heilige Petrus oft ein Großsprecher war und nicht sehr mutig, wie er immer wieder auch dem Herrn gezeigt hat. Weil Er Gott war, wusste Jesus ebenso, dass dieser selbe Petrus ihn im entscheidenden Augenblick seiner Passion dreimal verraten und dann allein lassen würde. Er wusste, dass Petrus in einem wichtigen Moment der Kirche nur unter Druck des anderen Apostelfürsten, Paulus, der sich zur Zeit der Verleihung der Papstwürde an Petrus erst noch bekehren musste, die richtige Entscheidung für die Heidenchristen treffen würde. Der Herr wusste ebenso, dass, als Petrus dann endlich gebunden werden sollte, um gekreuzigt zu werden, dieser zunächst weglief und Er ihm noch einmal erscheinen musste, um ihn zu ermutigen, das Schicksal der Kreuzigung mit seinem göttlichen Meister zu teilen.

Alles das hat der Herr gewusst und doch hat Er ihm gesagt: „Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ (Mt 16, 18).  Der Herr hat ebenso gewusst, dass Petrus eine lange Reihe von Nachfolgern haben würde, bis zum Ende dieser sichtbaren Welt. Als Gott hat Jesus auch die lange Reihe dieser Nachfolger, die nun schon viele Hunderte umfasst, klar gesehen und gekannt; Er hat all die großen Taten gesehen, die sie tun würden, um die Kirche zu stärken, aber auch all die zahlreichen menschlichen Schwächen, die, wie Petrus, auch dessen Nachfolger zeigen und ausleben würden. Das alles kennend und darunter leidend, hat er trotzdem in Petrus auch zu ihnen allen gesagt: „Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen werde Ich meine Kirche bauen.“

Daran sehen wir, dass die Kirche nicht auf die Qualität bestimmter Personen gegründet ist, nicht auf menschliche Vorzüglichkeit und Talente. Selbst in den höchsten und allerhöchsten Vertretern des kirchlichen Amtes ist es nicht die menschliche Perfektion, die dieses Amt zu einem göttlichen Instrument macht, sondern es ist Gott Selbst, der Sich trotz der menschlichen Schwäche Seine Diener erwählt und ihnen die Kraft gibt, zum Felsen zu werden: Durch Gottes Allmacht werden schwache Menschen zu Säulen der Kirche, zu Aposteln und Kirchenfürsten, die die Kirche durch alle Stürme der Zeit bis heute geführt und die Millionen und Abermillionen allein durch die Kraft ihres göttlich gegründeten Amtes den Weg zur Ewigkeit erschlossen haben.

Denn was macht Petrus zum Felsen? Was macht die Kirche zur Kirche Christi? Was bewirkt, dass die gottmenschlich verfasste kirchliche Organisation durch alle Stürme der Geschichte heute noch besteht und heute noch von Petrus und dessen Nachfolgern geleitet wird, ebenso wie von den Aposteln und deren Nachfolgern? Das bewirkt vor allem die göttliche Kraft, die der Herr dem Amt gegeben hat, nicht dem einzelnen Menschen. Zwar vereint sich das Amt mit dem, der es innehat. Doch ist das kirchliche gottgewollte Amt stärker als der Mensch und wird auch in dem Moment, wo der Amtsinhaber ängstlich ist, wo er dabei ist, die falschen Entscheidungen zu treffen, wo er nicht das tut, was dem Willen Gottes ganz entspricht, sich doch noch gegen die menschliche Schwäche durchsetzen und Angst, Feigheit und Irrtum überwinden. Nicht auf der Persönlichkeit Petri oder seinem individuellen Glauben, sondern auf dem göttlichen Amt des Papstes ruht die Kirche wie auf einem Felsen, der alle Stürme überdauert! Die Lehre der Kirche und ihre Heilszeichen werden garantiert durch dieses felsengleiche Amt, wer auch immer sein Inhaber sein sollte.

In allem wilden Wogen der Kirchengeschichte ist nicht selten geschehen, was wir heute wieder sehen: Religio depopulata, eine entvölkerte Kirche. Am Anfang waren es nur wenige Menschen, die Christus gefolgt sind. Während der ganzen ersten 300 Jahre, als die Kirche oft blutig verfolgt wurde, hatten nur Auserwählte die Kraft, treu zu bleiben bis zum Schluss. Nur wenige haben auch in den großen Krisen der Kirchengeschichte den wahren Glauben bewahrt. Denken wir an die Zeiten der arianischen Häresie, denken wir an die Bilderstürmer des siebten und achten Jahrhunderts, denken wir an die sogenannte Reformation, an die Wirren nach der französischen Revolution, an die Schwierigkeiten und Verfolgungen, die die Kirche unter den vielen totalitären Regimen des 20. Jahrhunderts erlebt hat. Nur wenige sind damals treu geblieben, nur wenige haben Christus nicht auf irgendeine Weise verlassen! Trotzdem ist die Kirche Jesu Christi dieselbe geblieben, trotzdem ist der Felsen im Letzten nicht zerstört worden und trotzdem hat die göttliche Kraft schließlich die Menschen wieder zu der Einheit des Glaubens und der Sakramente unter dem Papst geführt und sie in der großen Universalkirche, die die Kirche ihrem Wesen immer bleibt, zu Christus geführt und damit zur seligen Ewigkeit.

Deswegen müssen wir heute so handeln wie die Kirche der Frühzeit, als der erste Papst in Ketten gelegt im Gefängnis schmachtete: „Während aber Petrus im Gefängnis bewacht wurde“, so sagt es die Apostelgeschichte, „betete die Kirche ohne Unterlass für ihn zu Gott“ (Apg 12, 5). Wir müssen wir täglich für den, der das Petrusamt innehat, und für alle anderen Nachfolger der Apostel, inständig beten, damit alle menschlichen Ketten durch unser Gebet von ihnen abfallen können. Unser Institut Christus König und Hohepriester betet in jeder heiligen Messe nicht nur im Kanon ausdrücklich für den Papst und die Nachfolger der Apostel, sondern fügt, wenn die Liturgie es erlaubt, ein besonderes Gebet für Petrus zu den anderen Orationen der Messe hinzu, um Petrus in seinem schweren Amt zu stärken. Wenn wir wie die Kirche der ersten Jahrhunderte für die Amtsträger beten, wenn wir sie weniger kritisieren als für sie Opfer bringen, wenn wir sie durch unser Gebet und unsere Treue zur Kirche ermutigen, dann werden alle Ketten abfallen, die die die Amtsträger der Kirche bedrücken können: die Ketten des Geldes, des Irrtums, des Zeitgeistes, der Feigheit, der menschlichen Schwächen. Die Kirche wird – wie so viele Male in der Geschichte – wieder erstarken, wird plötzlich merken, dass sie nicht allein auf schwankendem menschlichen Untergrund ruht, sondern immer und allezeit auf dem unzerstörbaren Felsen, dessen Macht und Stärke Petrus direkt von Christus empfangen hat, der ihn und alle seine Nachfolger zum unfehlbaren Lehrer und zum obersten Lenker der Christenheit bestimmte, zu Seinem Stellvertreter auf Erden.

Haben wir deswegen keine Angst! Man will uns glauben machen, dass eine nie dagewesene geschichtliche Krise die Kirche schwächt und dass sich die Kirche nicht davon erholen kann. Das hat man immer wieder in der Kirchengeschichte behauptet, um die Menschen zu verängstigen. Es ist niemals eingetreten und die religio depopulata ist immer wieder zur religio populata, zur Volkskirche geworden. Auch wir sind es, von denen es abhängt, dass das auch jetzt wieder geschieht! Denn wir können, wenn wir dem Petrus aller Zeiten und den Aposteln aller Zeiten treu folgen, im Glauben, in den Sakramenten und in der Einheit der Kirche, durch unser Gebet, unser Opfer und unsere Treue, dazu beitragen, dass der Fels gefestigt wird, dass er sich aus der Flut erhebt und dass dadurch diejenigen, die jetzt ängstlich sind, wieder zur einen Herde unter dem einen Hirten zurückführt werden. Wir sollen wissen: die Kirche bleibt immer dieselbe, der Fels Petri bleibt immer derselbe, weil Christus, der sie gewollt hat, immer Derselbe bleibt! Helfen wir durch unser Gebet und unsere Treue mit, dass die Pforten der Hölle die eine wahre Kirche Christi nicht überwältigen! Amen.