Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf  Michael Schmitz am Gründonnerstag, dem 6. April 2023

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der heutige Abend beinhaltet das größte Glaubensgeheimnis, das wir hier auf Erden von Jesus Christus empfangen haben. Dieser feierliche Abend umfasst alle anderen Glaubensgeheimnisse, alles das, was der Herr uns hinterlassen hat, damit wir durch die Sakramente und Seine göttliche Offenbarung in den Himmel gelangen können.

Das Sakrament aber, das wir heute feiern, die heilige Eucharistie, ist der Mittelpunkt aller heiligen Mysterien. In seiner Enzyklika Mysterium fidei hat Papst Paul VI. schon 1965 gegen grassierende Irrtümer über die Eucharistie Folgendes gesagt: „Wenn die heilige Liturgie im Leben der Kirche den ersten Platz einnimmt, so ist das eucharistische Mysterium gleichsam das Herz und der Mittelpunkt der Liturgie. Weil es der Lebensquell ist, durch den gereinigt und gestärkt, wir nicht mehr für uns, sondern für Gott leben und untereinander geeint sind durch die engsten Bande der Liebe.“ Deswegen hat ein Theologe des 19. Jahrhunderts die heilige Eucharistie als den wirklichen Zusammenfassungspunkt aller Glaubensbekenntnisse bezeichnet: „Cogitanti exhibet integrum fidei christiani conspectum et synthesim“ „Dem denkenden Menschen öffnet [die heilige Eucharistie] einen Überblick des Glaubens, dessen Synthese sie bildet.“

I.

Zunächst erinnert uns die heilige Eucharistie daran, dass wir ohne die Gegenwart des Herrn alle verloren wären. Sie erinnert uns an den Fall unserer Voreltern und daran, dass wir, alle mit der Erbsünde geboren, die unseren Körper und Geist zeichnet, nicht nur durch die Taufe gereinigt werden, sondern, weil wir schwach bleiben, immer wieder gestärkt werden müssen durch die Gabe der Eucharistie, durch das Brot der Engel, durch die Gegenwart unseres Herrn Selbst. Ohne diese Gabe könnten wir dieses Leben nicht so führen, dass es uns zu Gott bringt. Ohne das Brot der Engel wären wir gleichsam jeden Tag dabei, geistlich zu verhungern. Wir wären elend und allein in einer Welt, die immer kälter wird. Die heilige Eucharistie ist in gewisser Weise die Fortsetzung der Menschwerdung unseres Herrn Jesus Christus. Der Herr ist in diese Welt gekommen, um uns von der Erbsünde zu erlösen. Der Herr ist in diese Welt gekommen, um Sühne zu leisten und sich um unseretwillen am Kreuz aufzuopfern.

II.

Die Menschwerdung und die Erscheinung des Herrn werden auf unseren Altären sakramental gegenwärtig. Denn, wie schon der heilige Ignatius von Antiochien im ersten Jahrhundert den Glauben der Kirche zusammengefasst hat: „Die heilige Eucharistie ist das Fleisch unseres Herrn, dasselbe Fleisch, das für uns am Kreuz aufgeopfert wurde und das der Vater auferstehen ließ.“ Wir sind von Gott nicht getrennt, sondern wir können ihn immer wieder in Seiner von Gott ganz verherrlichten Menschheit in unser Herz kommen lassen und uns mit Ihm vereinigen. So ist denn die heilige Eucharistie für uns das wirkliche und wirkmächtige Gedächtnis jenes einzigartigen Opfers, in dem der Herr Sein Fleisch für uns am Kreuz hingegeben hat. Jedes Mal, wenn die heilige Messe gefeiert wird, dann stehen wir alle unter dem Kreuz. Jedes Mal, wenn die heilige Eucharistie uns dargeboten wird, dann sehen wir den durchbohrten Leib unseres Herrn. Dann ist der Herr wiederum als Erlöser unter uns gegenwärtig und Sein Blut fließt über die ganze Welt. Jedes Mal, wenn die heilige Messe gefeiert wird, dann wird das große Geheimnis unserer Erlösung gegenwärtig.

III.

Der Herr offenbart sich uns in der heiligen Eucharistie daher als der Priester unserer Erlösung. Er ist in die Welt gekommen, weil er Priester sein wollte, Mittler zwischen uns und dem Vater, Mittler, der sich derjenigen annimmt, die verloren waren. Er gibt sich in einem einzigartigen priesterlichen Akt selbst als Opfer hin und macht dieses Opfer ist jedes Mal in der heiligen Eucharistie gegenwärtig. Seine Gegenwart wird uns nicht entzogen, sondern der gottmenschliche Priester des Erlösungsopfers öffnet uns in bleibender Weise sein Herz in der heiligen Eucharistie. Der ewige Hohepriester zeigt sich uns darin als der Priester des einen wahren Opfers und schenkt uns Seinen gegenwärtigen Leib jedes Mal dann, wenn die heilige Eucharistie gefeiert wird. Er hat gesagt: Das ist mein Leib, das ist der Kelch meines Blutes. Weil Jesus Christus als Gott und Mensch spricht, ist jeder Zweifel an der Gegenwart unseres Herrn ein Zweifel an der Allmacht Gottes. Daher muss sich jeder Priester, in dem das Priestertum des Herrn, das heute der Kirche geschenkt worden ist, durch die Kraft Christi fortlebt, der Würde des Opfers erinnern, dass er sakramental gegenwärtig setzt. Wer das Geheimnis der heiligen Eucharistie durch die Banalisierung der Liturgie verkleinert, verkleinert ebenso den Glauben an die Gottheit unseres Herrn und an das große Geheimnis unserer Erlösung, das sich vor unseren Augen in jeder heiligen Messe vollzieht. Wo die Liturgie würdig und feierlich vollzogen wird, öffnet sie uns die Augen des Glaubens.

                                                                        IV.

Daher ist die heilige Eucharistie auch auf die ganze Kirche geöffnet. In der heiligen Eucharistie ist die Kirche symbolisiert: Wie im Brot die vielen Körner geeint sind, so ist in der Gemeinschaft der Kirche durch Jesus Christus in der Eucharistie der ganze Leib, der mystische Leib der Kirche, dessen Haupt Jesus Christus Selbst ist, gegenwärtig und sichtbar. So sagt wieder Paul VI. in der Enzyklika Mysterium fidei: „Die ganze Kirche, die mit Christus zusammen das Amt des Priesters und Opfers ausübt, bringt das Messopfer dar und wird in Ihm auch selbst ganz dargebracht.“

Wenn wir heute die heilige Eucharistie am Gründonnerstag feiern, dann feiern wir sie nicht nur mit Jesus Christus und seinen Aposteln. Wir sind nicht nur gleichsam im Abendmahlssaal und vorausgenommen unter dem Kreuz, sondern wir stehen hier mit allen Priestern, allen Bischöfen und allen Päpsten der Welt, wir stehen hier mit den Engeln und Heiligen, mit der ganzen sichtbaren und unsichtbaren Kirche, und bringen der Heiligen Dreifaltigkeit den Leib unseres Herrn Jesus Christus zu Ehre und Opfer da. Deswegen die großartigen Zeremonien der Kirche, deswegen die Gesänge, die seit Jahrtausenden erklingen, deswegen die Ehrfurcht, mit der wir alle uns diesem Geheimnis nähern.

                                                                        V.

Wenn diese Ehrfurcht uns begleitet, werden wir durch die heilige Eucharistie auch darin bestärkt, was wir sind: Wir werden wir teilhaft an der Gottheit Jesu Christi. Wir werden daran erinnert, dass wir nicht mehr verloren sind, sondern dass wir durch die Gnade unseres Erlösers zu Adoptivkindern des Vaters im Himmel geworden sind. Wir werden in der heiligen Eucharistie an unsere einzigartige Würde als Christen erinnert. Deswegen sagt der heilige Paulus so deutlich in der Epistel des heutigen Abends, dass wir nicht unwürdig zutreten dürfen zu diesem Altar, auf dem sich der Herr Selbst opfert. Wir müssen, unserer Würde als Kinder Gottes bewusst, uns vorbereiten auf die heilige Eucharistie. Jetzt durch eine gute Osterbeichte, aber immer dadurch, dass wir unser Herz befreien von aller Sünde und Schuld, dass wir bereuen, oft in unsere Schwächen zurückzufallen. Wir dürfen uns bewusstwerden, dass wir gleich, wenn wir die heilige Kommunion empfangen, als Kinder des einen Vaters Tempel werden des Heiligen Geistes und der Herr Selbst in uns wohnt.

VI.

Deswegen werden wir in der heiligen Eucharistie auch auf besondere Weise mit der Gottesmutter vereint. Denn die Gottesmutter ist zuerst eine eucharistische Monstranz gewesen, in der und durch die die Eucharistie und das Opfer Jesu Christi möglich wurden. So heißt es wieder mit der schon zitierten Enzyklika: „Die allerseligste Jungfrau Maria, von der Christus, der Herr, jenes Fleisch annahm, das in diesem Sakrament unter den Gestalten von Brot und Wein enthalten ist, dargebracht und genossen wird, ist jedem, der sich der heiligen Eucharistie nähert und würdig vorbereitet ist, ganz besonders nahe als Mutter des eucharistischen Herrn.“ Es ist die Gottesmutter, die uns lehrt, den eucharistischen Herrn zu lieben und in seiner Gegenwart zu leben.

VII.

Wir können durch diesen Überblick über die Geheimnisse des Glaubens, die uns in der heiligen Eucharistie entgegentreten, auch verstehen, warum die heilige Eucharistie der Anfang jeder endgültigen Anbetung ist, für die wir alle geschaffen sind: Wir müssen immer etwas lieben. Wir müssen immer uns nach etwas sehen. Unser Herz ist hier niemals ruhig, weil wir die endgültige Liebe und Erfüllung dieser Sehnsucht nicht gefunden haben. Die heilige Eucharistie aber ist gleichsam das Unterpfand des Versprechens Gottes, dass wir die Erfüllung unserer Sehnsucht finden können. Die heilige Eucharistie ist das Unterpfand Seiner nicht endenden Liebe. Daher wird sie von uns angebetet und seit den Anfängen der Christenheit ehrfürchtig bewahrt und verehrt. Schon der heilige Augustinus sagt: „Nemo illam carnem manducat, nisi prius adoraverit.“ „Niemand wage dieses Fleisch zu essen, wenn er es nicht vorher angebetet hat.“

Die ganze heilige Liturgie der Kirche ist eine ständige, großartige Anbetung des gegenwärtigen Mysteriums des Erlöserpriesters in der heiligen Eucharistie. Wenn wir deswegen hier in Engelport die Anbetung mit unseren Schwestern besonders pflegen, wenn die heilige Kirche das gläubige Volk immer aufgefordert hat, den Herrn anzubeten, dann deswegen, weil die heilige Eucharistie für uns ein offenes Fenster zum Himmel ist; weil wir darin sehen können, dass der Herr gegenwärtig ist, mitten in der Traurigkeit unserer Zeit; weil Er uns damit eine Hoffnung gibt, die in keiner Not aufhören wird, wenn unsere Anbetung treu bleibt und wir als eucharistische Christen dem Herrn Ehrfurcht und Liebe darbieten. Die heilige Eucharistie ist das Unterpfand jener Glorie, für die jeder von uns als Kind Gottes geschaffen ist.  

Aus diesem Grund haben die Kirchenväter dieses großartige Sakrament, das so viele Glaubensgeheimnisse umfasst und das in seiner Größe von niemandem völlig erklärt werden kann, mit dem Baum des Paradieses verglichen. Die heilige Eucharistie, die wir heute feiern, der Herr, unter uns gegenwärtig als der geopferte Gottmensch, ist jener Baum des Paradieses, der mitten in der Kirche wächst ist, der immer blüht! Was auch sonst in der Kirche vorgehen sollte: Hier ist das Heil, hier ist das große Geheimnis, hier ist das Unterpfand der Ewigkeit. Am heutigen Abend der Feier der Einsetzung der Eucharistie und des Priestertums wollen wir daher mit großer Demut dieses zentrale Geheimnis unseres Glaubens verehren und Gott von ganzem Herzen danken, dass Er uns nicht allein gelassen hat, sondern dass Er im Altarssakrament und im Priestertum der Kirche durch Seine große Liebe immer gegenwärtig ist für jeden von uns. Amen.