Stellungnahme von Kardinal Burke

Stellungnahme

bzgl. des Empfangs der heiligen Kommunion durch diejenigen, die in öffentlicher schwerer Sünde verharren

Viele Katholiken und auch Nichtkatholiken, die zwar nicht den katholischen Glauben annehmen, aber die katholische Kirche für ihre Lehre bezüglich des Glaubens und der Moral respektieren, haben mich gefragt, wie es für Katholiken möglich ist, die heilige Kommunion zu empfangen, während sie gleichzeitig öffentlich und hartnäckig Programme, eine Politik und Gesetze in direkter Missachtung des Moralgesetzes fördern. Insbesondere fragen sie, wie katholische Politiker und Beamte, die öffentlich und beharrlich die Praxis der Abtreibung auf Verlangen verteidigen und fördern, hinzutreten können, um die heilige Kommunion zu empfangen. Ihre Frage bezieht sich eindeutig auch auf jene Katholiken, die öffentlich eine Politik und Gesetze fördern, die die Würde des menschlichen Lebens derjenigen verletzen, die durch schwere Krankheit, Behinderung oder fortgeschrittenes Alter belastet sind, und die gegen die Integrität der menschlichen Sexualität, der Ehe und der Familie verstoßen oder die freie Religionsausübung verletzen.  

Die Frage verdient eine Antwort, besonders weil sie die Grundlagen der kirchlichen Lehre über Glauben und Moral betrifft. Vor allem handelt es sich um die heilige Eucharistie, „ [d]as Sakrament der Liebe…das Geschenk der Selbsthingabe Jesu Christi, mit dem er uns die unendliche Liebe Gottes zu jedem Menschen offenbart… [Jesus liebt uns] im eucharistischen Sakrament immer noch ‚bis zur Vollendung‘, bis zur Hingabe seines Leibes und seines Blutes“.[1]

Es ist meine Hoffnung, dass die folgenden Punkte der Lehre der Kirche für diejenigen hilfreich sein werden, die zu Recht irritiert und in der Tat durch den allzu häufigen öffentlichen Verrat an der Glaubens- und Sittenlehre der Kirche durch diejenigen, die sich als katholisch bekennen, häufig skandalisiert sind. Ich werde hier die Frage der Abtreibung besprechen, aber die gleichen Punkte gelten auch für andere Verletzungen des Moralgesetzes.

  1. Was die heilige Eucharistie betrifft, so hat die Kirche immer geglaubt und gelehrt, dass die heilige Hostie Leib, Blut, Seele und Gottheit Christi, des menschgewordenen Gottessohnes, ist. Der Glaube der Kirche wird vom Konzil von Trient so ausgedrückt: “Weil Christus, unser Erlöser, gesagt hat, dass es wirklich sein Leib ist, den er unter der Gestalt des Brotes darbringt [vgl. Mt. 26,26-29; Mk. 14,22-25; Lk. 22,19f; 1 Kor. 11,24-26], ist es von jeher die Überzeugung der Kirche Gottes gewesen, und dieses heilige Konzil erklärt nun erneut, dass durch die Wandlung des Brotes und des Weines eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der ganzen Substanz des Weines in die Substanz seines Blutes stattfindet” (Session 13, Kapitel 4).[2]  Deshalb lehrt der heilige Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther deutlich “Wer also das Brot isst oder den Kelch des Herrn unwürdig trinkt, der wird schuldig am Leibe und Blute des Herrn” (1 Kor 11,27).
  2. Der Empfang der heiligen Kommunion durch diejenigen, die öffentlich und hartnäckig das moralische Gesetz in seinen grundlegendsten Geboten verletzen, ist eine besonders schwere Form des Sakrilegs. Mit den Worten des Katechismus der katholischen Kirche: „Eine besonders schwere Sünde ist das Sakrileg dann, wenn es sich gegen die Eucharistie richtet, denn in diesem Sakrament ist der Leib Christi substantiell gegenwärtig“ (Nr. 2120). Sie verdient nicht nur die ewige Strafe für denjenigen, der unwürdig empfängt, sondern stellt auch einen schwersten Skandal für die anderen dar, denn sie verleitet sie zu dem falschen Glauben, man könne öffentlich und hartnäckig das moralische Gesetz in einer schwerwiegenden Angelegenheit verletzen und dennoch Unseren Herrn in der heiligen Kommunion empfangen. Ein nachdenkender Mensch muss vor einer solchen Situation zu dem Schluss kommen, dass entweder die heilige Hostie nicht der Leib Christi oder dass die Förderung der erwirkten Abtreibung zum Beispiel keine schwere Sünde ist.
  3. Der Codex des Kanonischen Rechtes, der die immerwährende und unveränderliche Lehre der Kirche wiederholt, bestimmt im Can. 915: “Zur[M1]  heiligen Kommunion dürfen nicht zugelassen werden Exkommunizierte und Interdizierte nach Verhängung oder Feststellung der Strafe sowie andere, die hartnäckig in einer offenkundigen schweren Sünde verharren.”[3]  Die Verweigerung der heiligen Kommunion ist keine kirchliche Strafe, sondern die Anerkennung des objektiv unwürdigen Zustandes einer Person, sich zum Empfang der heiligen Kommunion zu nähern. Die in Can. 915 enthaltene Disziplin schützt die Heiligkeit der heiligsten Wirklichkeit in der Kirche, der heiligen Eucharistie, bewahrt die Person, die hartnäckig in schwerer Sünde verharrt, davor, die zusätzliche schwerste Sünde des Sakrilegs zu begehen, indem sie den Leib Christi entweiht, und verhindert den unvermeidlichen Skandal, der aus dem unwürdigen Empfang der heiligen Kommunion resultiert.
  4. Es ist die Pflicht der Priester und Bischöfe, die Gläubigen, die sich in dem von Can. 915 beschriebenen Zustand befinden, zu belehren und zu ermahnen, damit sie nicht hinzutreten, um die heilige Kommunion zu empfangen und damit ein höchst schweres Sakrileg begehen, das ihnen selbst ewigen Schaden zufügt und auch andere in einer so ernsten Angelegenheit in den Irrtum und sogar in die Sünde führt. Wenn eine Person ermahnt worden ist und immer noch in einer schweren öffentlichen Sünde verharrt, darf sie nicht zum Empfang der heiligen Kommunion zugelassen werden.
  5. Es ist klar, dass kein Priester oder Bischof einer Person, die sich öffentlich und unbelehrbar in schwerer Sünde befindet, die Erlaubnis zum Empfang der heiligen Kommunion erteilen kann. Es geht auch nicht um ein Gespräch zwischen dem Priester oder Bischof und demjenigen, der die Sünde begeht, sondern um eine Ermahnung bezüglich der Glaubens- und Sittenwahrheiten von Seiten des Priesters oder Bischofs und um die Besserung eines irrigen Gewissens von Seiten des Sünders.
  6. Der hl. Papst Johannes Paul II. hat in seiner Enzyklika Evangelium Vitae die unveränderliche Lehre der Kirche in Bezug auf die Abtreibung dargelegt. In seinem Pfingstschreiben von 1991 bezog er sich auf die Konsultation der Bischöfe der Weltkirche in dieser Angelegenheit und erklärte: „Mit der Autorität, die Christus Petrus und seinen Nachfolgern übertragen hat, erkläre ich deshalb in Gemeinschaft mit den Bischöfen — die mehrfach die Abtreibung verurteilt und, obwohl sie über die Welt verstreut sind, bei der eingangs erwähnten Konsultation dieser Lehre einhellig zugestimmt haben — dass die direkte, das heißt als Ziel oder Mittel gewollte Abtreibung immer ein schweres sittliches Vergehen darstellt, nämlich die vorsätzliche Tötung eines unschuldigen Menschen.“[4]  Er stellte klar, dass seine Lehre „auf dem Naturrecht und auf dem geschriebenen Wort Gottes beruht, durch die Tradition der Kirche überliefert und durch das ordentliche und universale Lehramt gelehrt“ wird.[5]
  7. Es wird manchmal argumentiert, dass ein katholischer Politiker persönlich an die Unmoral der Abtreibung glauben kann, während er eine öffentliche Politik fördert, die eine sogenannte “legalisierte” Abtreibung vorsieht. Das war zum Beispiel der Fall in den Vereinigten Staaten von Amerika beim Gipfeltreffen bestimmter katholischer Moraltheologen, die die irrige Moraltheorie des Proportionalismus oder Konsequentialismus vertraten, und katholischer Politiker. Das Treffen fand im Sommer 1964 auf dem Anwesen der Familie Kennedy in Hyannisport, Massachusetts, statt.[6]  Der hl. Papst Johannes Paul II. antwortet in Evangelium Vitae deutlich auf solch irriges moralisches Denken: „Kein Umstand, kein Zweck, kein Gesetz wird jemals eine Handlung für die Welt statthaft machen können, die in sich unerlaubt ist, weil sie dem Gesetz Gottes widerspricht, das jedem Menschen ins Herz geschrieben, mit Hilfe der Vernunft selbst erkennbar und von der Kirche verkündet worden ist.“[7]  In seiner Enzyklika Veritatis Splendor korrigiert der hl. Papst Johannes Paul II. den grundlegenden Irrtum des Proportionalismus und des Konsequentialismus.[8]
  8. Es wird manchmal gesagt, dass die Verweigerung der heiligen Kommunion für Politiker, die unbelehrbar in schwerer Sünde verharren, der Gebrauch der heiligen Kommunion durch die Kirche für politische Zwecke sei. Im Gegenteil dazu ist es jedoch die ernsthafte Verantwortung der Kirche, die Heiligkeit der heiligen Eucharistie zu bewahren, die Gläubigen davon abzuhalten, ein Sakrileg zu begehen und einen Skandal unter den Gläubigen und anderen Personen guten Willens zu verhindern.
  9. Es ist vielmehr der katholische Politiker, der, indem er öffentlich und hartnäckig das fördert, was dem moralischen Gesetz widerspricht, und es dennoch wagt, sakrilegisch die heilige Kommunion zu empfangen, die heilige Eucharistie für politische Zwecke benutzt. Mit anderen Worten: Der Politiker stellt sich als frommer Katholik dar, während die Wahrheit ganz anders ist.
  10.  Abgesehen von der Verweigerung der heiligen Kommunion für Personen, die öffentlich und hartnäckig gegen das Moralgesetz verstoßen, stellt sich auch die Frage nach der Verhängung oder Erklärung einer gerechten kirchlichen Strafe, um die Person zur Umkehr aufzurufen und den Skandal zu beheben, den ihre Handlungen verursachen.
  11. Wer öffentlich und beharrlich gegen das Sittengesetz verstößt, befindet sich zumindest im Zustand des Glaubensabfalls, das heißt, er hat den Glauben faktisch verlassen, indem er sich hartnäckig weigert, in der Praxis in Übereinstimmung mit den grundlegenden Glaubens- und Sittenwahrheiten zu leben (vgl. Can. 751). Ein Abfall vom Glauben zieht automatisch die Strafe der Exkommunikation nach sich (vgl. Can. 1364). Der Bischof muss bei einer solchen Person die Bedingungen für die Erklärung der automatisch eingetretenen Strafe der Exkommunikation prüfen.
  12. Sie können sich auch in der Häresie befinden, wenn sie hartnäckig die Wahrheit über das immanente Übel der Abtreibung leugnen oder bezweifeln, wie sie “vom göttlichen und katholischen Glauben her zu glauben ist” (Can. 751).[9]  Häresie zieht, wie Apostasie, automatisch die Strafe der Exkommunikation nach sich (vgl. Can. 1364). Auch im Fall der Häresie muss der Bischof die Bedingungen für die Erklärung der automatisch eingetretenen Strafe der Exkommunikation überprüfen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die kirchliche Disziplin, beginnend mit dem Apostel Paulus, konsequent die notwendige richtige Gewissenseinstellung für den Empfang der heiligen Kommunion gelehrt hat. Das Versäumnis, diese Disziplin zu befolgen, führt zur Entweihung der heiligsten Wirklichkeit in der Kirche – dem Leib, dem Blut, der Seele und der Gottheit Christi – , stellt die schwerste Sünde des Sakrilegs dar und verursacht den schwersten Skandal durch das Versäumnis, die Wahrheit der heiligen Kommunion und die moralische Wahrheit zu bezeugen, zum Beispiel die unantastbare Würde des menschlichen Lebens, die Integrität von Ehe und Familie und die Freiheit, Gott “im Geist und in der Wahrheit”[10] anzubeten.

Die Antwort auf die mir so oft gestellte Frage ist klar: Ein Katholik, der sich öffentlich und hartnäckig gegen die Wahrheit des Glaubens und der Moral stellt, darf  nicht zum Empfang der heiligen Kommunion hinzutreten und der Spender der heiligen Kommunion darf ihm das Sakrament der Eucharistie nicht geben.

Raymond Leo Kardinal Burke
Rom, den 7. April 2021


[1] “[s]acramentum caritatis, … donum est Iesu Christi se ipsum tradentis, qui Dei infinitum nobis patefacit in singulos homines amorem… Eodem quidem modo in eucharistico Sacramento Iesus «in finem», usque scilicet ad corpus sanguinemque tradendum, diligere nos pergit.” Benedictus PP. XVI, Adhortatio Apostolica Postsynodalis Sacramentum caritatis, De Eucharistia vitae missionisque Ecclesiae fonte et culmine, 22 Februarii 2007, Acta Apostoliae Sedis 99 (2007) 105, n. 1. Nachsynodalisches apostolisches Schreiben Sacramentum Caritatis, Bendikt XVI, deutsche Übersetztung von: http://www.vatiCan.va/content/benedict-xvi/de/apost_exhortations/documents/hf_ben-xvi_exh_20070222_sacramentum-caritatis.html.

[2] “Quoniam autem Christus redemptor noster corpus suum id, quod sub specie panis offerebat [cf. Mt 26:26-29; Mc 14:22-25; Lc 22:19s; 1 Cor 11:24-26], vere esse dixit, ideo persuasum semper in Ecclesia Dei fuit, idque nunc denuo sancta haec Synodus declarat: per consecrationem panis et vini conversionem fieri totius substantiae panis in substantiam corporis Christi Domini nostri, et totius substantiae vini in substantiam sanguinis eius.” Heinrich Denzinger, Compendium of Creeds, Definitions, and Declarations on Matters of Faith and Morals, ed. Peter Hünermann, englische Übersetzung. Robert Fastiggi and Anne Englund Nash, 43. Auflage. (San Francisco: Ignatius Press, 2012), S. 394, Nr. 1642.

[3] “Can. 915  Ad sacram communionem ne admittantur excommunicati et interdicti post irrogationem vel declarationem poenae aliique in manifesto gravi peccato obstinate perseverantes.” Code of Canon Law: Latin-English Edition, englische Übersetzung. Canon Law Society of America (Washington, DC: Canon Law Society of America, 1998), S. 298.

[4] “Auctoritate proinde utentes Nos a Christo Beato Petro eiusque Successoribus collata, consentientes cum Episcopis qui abortum crebrius respuerunt quique in superius memorata interrogatione licet per orbem disseminati una mente tamen de hac ipsa concinuerunt doctrina – declaramus abortum recta via procuratum, sive uti finem intentum seu ut instrumentum, semper gravem prae se ferre ordinis moralis turbationem, quippe qui deliberata exsistat innocentis hominis occisio.” Ioannes Paulus PP. II, Litterae Encyclicae Evangelium vitae, “De vitae humanae inviolabili bono,” 25 Martii 1995, Acta Apostolicae Sedis 87 (1995) 472, Nr. 62, deutsche Übersetzung: http://www.vatiCan.va/content/john-paul-ii/de/encyclicals/documents/hf_jp-ii_enc_25031995_evangelium-vitae.html

[5] “… naturali innititur lege Deique scripto Verbo, transmittitur Ecclesiae Traditione atque ab ordinario et universali Magisterio exponitur.” Evangelium vitae, ibid.

[6] Vgl. Albert R. Jonsen, The Birth of Bioethics (New York: Oxford University Press, 1998), S. 290-291.

[7] “Nequit exinde ulla condicio, ulla finis, ulla lex in terris umquam licitum reddere actum suapte natura illicitum, cum Dei Legi adversetur in cuiusque hominis insculptae animo, ab Eccesia praedicatae, quae potest etiam ratione agnosci.” Evangelium vitae, 472, n. 62, deutsche Übersetzung: siehe oben (N.4).

[8] Vgl. Ioannes Paulus PP. II, Litterae Encyclicae Veritatis splendor, De quibusdam quaestionibus fundamentalibus doctrinae moralis Ecclesiae, 6 Augusti 1993, Acta Apostolicae Sedis 85 (1993) 1192-1197, nn. 74-78.

[9] Can 751: “… fide divina et catholica credendae.”

[10] Jn 4, 23-24.