Unseres Heiligen Vaters Pius XI. durch göttliche Vorsehung Papst
Rundschreiben über das katholische Priestertum
20. Dezember 1935:
„Ad catholici sacerdotii”
An die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe und alle anderen Ordinarien, die im Frieden und in Vereinigung mit dem Apostolischen Stuhle leben:
Über das katholische Priestertum.
Papst Pius XI. entbietet seinen ehrwürdigen Brüdern
Gruß und Apostolischen Segen.
Seit dem Tage, da Wir Uns durch den unerforschlichen Ratschluß der göttlichen Vorsehung auf dem höchsten Gipfel des katholischen Priestertums erhoben sahen, haben Wir unablässig Unsere ganz besondere Aufmerksamkeit und Liebe jenen Unserer zahllosen, gottgeschenkten Söhne zugewendet, die, mit dem Charakter des Priestertums geschmückt, den Auftrag erhalten haben, „Salz der Erde und Licht der Welt” (Matth. 5, 13 14) zu sein; und in noch höherem Grade jenen lieben jungen Männern, die im Schatten des Heiligtums erzogen werden und sich auf diese erhabene Mission vorbereiten.
Schon in den ersten Monaten Unseres Pontifikates, noch vor Unserem ersten feierlichen Rundschreiben an die Gläubigen des ganzen Erdkreises (Rundschreiben Ubi arcano vom 23. Dez. 1922), ließen Wir es Uns in dem Apostolischen Schreiben Officiorum omnimum von 1. August 1922 an Unsern geliebten Sohn, den Kardinalpräfekten der Heiligen Kongregation der Seminare und Universitäten (A.A.S. 14, 1922, 449 ff.), angelegen sein, die Richtlinien zu entwerfen, nach denen die jungen Diener des Heiligtums zu Priestern erzogen werden sollen. Und sooft Uns die Hirtensorge antreibt, die Anliegen und Bedürfnisse der Kirche mehr im einzelnen zu betrachten, gilt Unsere Aufmerksamkeit in erster Linie den Priestern und Klerikern. Sie sind immer der Hauptgegenstand Unserer fürsorglichen Liebe.
In beredter Weise zeigen Unser besonderes Interesse für Priester und Priestertum zahlreiche Seminare. Wo noch seine bestanden, haben Wir solche gegründet. Andern haben Wir unter hohen Kosten ein neues geräumiges und würdiges Heim errichtet oder sie reichlicher mit Mitteln und Personal ausgestattet, so daß sie ihr hohes Ziel in entsprechenderer Weise erreichen können.
Anläßlich Unseres goldenen Priesterjubiläums haben Wir Unsere Zustimmung dazu gegeben, daß der schöne Erinnerungstag festlich begangen würde, und hocherfreut war Unser Vaterherz über die Äußerungen kindlicher Liebe, die Uns aus allen Teilen der Welt entgegengebracht wurden. Aber das geschah weniger, weil Wir darin eine Huldigung Unserer Person sahen, sondern vor allem darum, weil Wir in dieser Feier eine gebührende Ehrung der priesterlichen Würde und des priesterlichen Charakters erblickten. Auch mit der Reform der Studien in den kirchlichen Fakultäten, die Wir durch die Apostolische Konstitution Deus scientiarum Dominus vom 24. Mai 1931 anordneten, beabsichtigten Wir hauptsächlich, die Bildung und das Wissen der Priester zu erweitern und zu heben (A.A.S. 23, 1931, 241FF.).
Das Priestertum scheint Uns jedoch ein Gegenstand von so großer und allgemeiner Bedeutung zu sein, daß Wir darüber noch ausdrücklicher in diesem Unserem Rundschreiben handeln wollen; denn nicht nur jene, die schon das unschätzbare Geschenk des Glaubens besitzen, sollen die Erhabenheit des katholischen Priestertums und seine providentielle Sendung in die Welt erkennen, sondern auch alle jene, die mit ehrlichem und aufrichtigem Herzen die Wahrheit suchen. Vor allem aber sollen jene die Größe des Priestertums erkennen und schätzen, die zu ihm berufen sind.
Gerade für den Abschluß dieses Jahres scheint Uns das Priestertum ein geeigneter Gegenstand Unseres Hirtenschreibens zu sein. Sah dieses Jahr doch zu Lourdes, im helleuchtenden Heiligtum der Unbefleckten, und beiden andächtigen, ununterbrochenen Feiern des Eucharistischen Triduums, das katholische Priestertum aller Zungen und aller Riten, wie umflossen von den letzten himmlischen Sonnenstrahlen des untergehenden Gnadentages des Jubiläums der Erlösung, das von der Hauptstadt der Christenheit auf den ganzen katholischen Erdkreis ausgedehnt war; jener Erlösung, deren Diener Unsere treuen, verehrten Priester sind, die sich nie so eifrig und wohltätig zeigten wie in diesem außerordentlichen Heiligen Jahr, in dem auch, wie Wir in der Apostolischen Konstitution Quod nuper (A.A.S. 25, 1933, 5 — 10) ausgeführt haben, die 19. Jahrhundertfeier der Einsetzung des Priestertums begangen wurde.
So wollen Wir denn diese Enzyklika in die Reihe Unserer früherer Rundschreiben eingliedern, in denen Wir die schweren und drückenden Fragen des modernen Lebens durch das Licht katholischen Lehre zu erhellen suchten, und dadurch allen jenen Unsern feierlichen Unterweisungen eine zeitgemäße Ergänzung geben.
Der Priester ist nämlich durch den Beruf und göttlichen Auftrag der besondere Apostel und unermüdliche Förderer der christlichen Jungenderziehung (Rundschreiben Divini illius Magistri von 31. Dez. 1929). Der Priester segnet im Ramen Gottes die christliche Ehe und verteidigt ihre Heiligkeit und Unauflöslichkeit gegen die Angriffe und Irrungen, die herrühren von der Begirde und Sinnlichkeit (Rundschreiben Casti connubii vom 31. Dez. 1930). Der Priester trägt am meisten zur Lösung oder wenigstens zur Linderung der sozialen Gegensätze bei: er predigt die christliche Bruderliebe; er erinnert an alle gegenseitigen Pflichten der Gerechtigkeit und evangelischen Liebe: er beruhigt die Gemüter, die durch sittliche und wirtschaftliche Mißstände erbittert sind; reich und arm weist er auf die einzig wahren Güter hin, die alle erstreben müssen und können (Rundschreiben Quadragesimo anno vom 15. Mai 1931). Der Priester ist schließlich der wirksamste Bannerträger jenes Kreuzzuges der Sühne und Buße, zu dem Wir alle Guten aufgefordert haben, um die Gotteslästerungen, Schändlichkeiten und Verbrechen zu sühnen, die die Menschheit in der jetzigen Zeit entehren (Rundschreiben Caritate Christi vom 3. Mai 1932), einer Zeit, die wie wenige andere in der Geschichte Gottes Barmherzigkeit und Verziehen nötig hat.
Die Feinde der Kirche kennen sehr wohl die lebenswichtige Bedeutung der Priestertums. Richten sie doch ihre Angriffe — wie Wir es schon für Unser liebes mexikanisches Volk beklagt haben (Rundschreiben Acerba animi vom 29. Sept. 1932) — vor allem gegen das Priestertum, um es zu beseitigen und sich dadurch den Weg zu bahnen zu der immer ersehnten, aber nie erreichten Vernichtung der Kirche selbst.
I.
Immer hat die Menschheit das Bedürfnis nach Priestern empfunden, d. h. nach Menschen, die durch ihre amtliche Sendung Mittler zwischen Gott und den Menschen sind und aus der gänzlichen Hingabe an ihre Mittlerschaft ihre Lebensaufgabe machen. Sie sind beauftragt, Gott öffentliche Gebete und Opfer im Namen der Gesellschaft darzubringen; denn diese hat auch als solche die Pflicht, Gott durch einen öffentlichen und sozialen Kult zu verehren, ihn als ihren höchsten Herrn und ersten Ursprung anzuerkennen, zu ihm als dem letzten Ziele zu streben, ihm unaufhörlich zu danken und ihn zu versöhnen. In der Tat, bei allen Völkern, deren Gebräuche wir kennen, finden sich, wenn sie nicht durch Gewalt zur Verleugnung der heiligsten Gesetze der menschlichen Natur gezwungen wurden, Priester, wenn auch oft im Dienste falscher Gottheiten. Wo immer sich Religion zeigt, wo immer man Altäre errichtet, dort gibt es auch ein Priestertum, das mit besondern Erweisen der Achtung und Verehrung umgeben ist.
Aber im Glanze der göttlichen Offenbarung zeigt sich das Priestertum mit weit größerer Würde umkleidet, von der eine ferne Andeutung ist (Gen. 14, 18) die geheimnisvolle, ehrwürdige Gestalt des Melchisedech, des Priesters und Königs, den der hl. Paulus zu der Person und zum Priestertum Jesu Christi selbst in Beziehung bringt (Hebr. 5, 10; 6, 20; 7, 1 10 11 15).
Der Priester ist nach der großartigen Begriffsbestimmung des hl. Paulus zwar ein Mensch „aus der Zahl der Menschen genommen”, aber einer, der „für die Menschen aufgestellt wird in ihren Angelegenheiten mit Gott” (Hebr. 5,1). Gegenstand seines Amtes sind nicht menschliche und vergängliche Dinge, so hoch und schätzenswert sie auch scheinen mögen, sondern göttliche und ewige: Dinge, die man zwar aus Unwissenheit verlachen und verachten kann, die aus Bosheit und mit teuflischer Wut bekämpft werden, wie es eine traurige Erfahrung oft gezeigt hat und noch heute zeigt, die aber immer an erster Stelle aller Einzel und Gemeinschaftsinteressen der menschlichen Gesellschaft stehen; denn diese fühlt unwiederstehlich, daß sie von Gott geschaffen ist und darum nur in ihm zur Ruhe kommen kann.
Im mosaischen Gesetz wurden dem Priestertum, dessen positiv—göttliche Einsetzung von Moses auf Eingebung Gottes veröffentlicht wurde, bestimmte Aufgaben, Obligenheiten und Riten im einzelnen zugewiesen. Es scheint, daß Gott in seiner Sorge dem noch unentwickelten Geiste des jüdischen Volkes einen großen Grundgedanken einprägen wollte, der in der Geschichte des auserwählten Volkes sein Licht über alle Ereignisse, Gesetze, Würden und Ämter ausstrahlen sollte: Opfer und Priestertum, die durch den Glauben an den fünftigen Messias (vgl. Hebr. Kap.11) ein Quell der Hoffnung, des Ruhmes, der Kraft und geistigen Befreiung werden sollten. Der Tempel des Salomon, herrlich in seinem Reichtum und Glanz, aber noch herrlicher in seinen Einrichtungen und Riten, dem einzig wahren Gott als Zelt der göttlichen Majestät auf Erden errichtet, war ein hohes Lied, gesungen auf jenes Opfer und jenes Priestertum, das — Schatten und Gleichnis nur — doch ein so gewaltiges Geheimnis in sich schloß, daß es den Sieger Alexander den Großen in Ehrfurcht von der geheiligten Erscheinung des Hohenpriesters auf die Kniee zwang (vgl. Ios. Flav., Antiquit. 1. 9, c. 8, n. 5 Ausg. Teubner III, 61, § 331). Und Gott selbst ließ den ruchlosen König Balthasar seinen Zorn fühlen, weil er mit den geweihten Gefäßen des Tempels Zechgelage gehalten hatte (vgl. Dan. 5,1 — 30).
Und doch besaß jenes alte Priestertum seine erhabene Majestät und Herrlichkeit nur als Vorbild des christlichen Priestertums, des Priestertums des Reuen und Ewigen Bundes, der geschlossen ist in dem Blute des Welterlösers Jesus Christus, der da ist Wahrer Gott und Wahrer Mensch!
Der Völkerapostel faßt das kurz in die plastischen Worte zusammen, soweit Worte die erhabene Würde und Aufgabe des christlichen Priestertums überhaupt ausdrücken können: „So betrachte man uns als Diener Christi und als Ausspender der Geheimnisse Gottes” (1 Kor. 4,1).
Der Priester ist Diener Jesu Christi: er ist also Werkzeug in der Hand des göttlichen Erlöser zur Fortführung seines Erlösungswerkes in seiner ganzen Weltweite und göttlichen Wirksamkeit, zur Fortführung jenes Wunderwerkes, das die Welt umgestaltet hat. Ja, der Priester ist, wie man mit voller Berechtigung zu sagen pflegt, in der Tat „ein zweiter Christus”, weil er in gewisser Weise Jesus Christus selbst fortsetzt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Joh. 20, 21). Wie Christus fährt auch er fort, nach dem Lobgesang der Engel, „Ehre” zu geben „Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind” (Luk. 2, 14).
Zunächst also setzte, wie das Konzil von Trient lehrt (sess. 22 , cap.1 ), Jesus Christus beim letzten Abendmahle das Opfer und Priestertum des Reuen Bundes ein: „Zwar hat sich unser Herr und Gott nur einmal durch den Tod auf dem Altare des Kreuzes dem himmlischen Vater darbringen wollen, um dort unsere ewige Erlösung zu wirken. Es sollte aber sein Priestertum durch den Tod nicht ausgelöscht werden. Deshalb hat er beim letzten Abendmahle, in der Nacht, da er verraten wurde, seiner geliebten Braut, der Kirche, ein Opfer hinterlassen, ein sichtbares Opfer, wie es die menschliche Natur verlangt. Durch dieses Opfer sollte jenes einmalige blutige Kreuzesopfer dargestellt werden, und sein Gedächtnis sollte fortdauern bis zum Ende der Welt und uns seine Kraft zur Tilgung all unserer täglichen Sünden zugewendet werden. Er erklärte sich als ewigen Priester nach der Ordnung des Melchisedech. Seinen Leib und sein Blut brachte er unter den Gestalten von Brot und Wein dem göttlichen Vater dar. Unter den Sinnbildern der gleichen Gestalten reichte er sie seinen Aposteln zum Empfange dar, die er damals zu Priestern des Reuen Bundes einsetzte. Ihnen und ihren Nachfolgern im Priestertum befahl er zu opfern, indem er sprach: ¸Tut dies zu meinem Andenken!‘ (Luk. 22, 19; 1 Kor. 11, 24).”
Von da an begannen die Apostel und ihre Nachfolger im Priesteramte jene „reine Opfergabe” zum Himmel zu erheben, durch die nach Weissagung des Malachias (1, 2) der Name Gottes groß ist unter den Völkern und die, nunmehr dargebracht in allen Teilen der Erde und zu jeder Stunde des Tages und der Nacht, unaufhörlich bis zum Ende der Welt sich opfern wird.
Es ist dies eine wahre und nicht bloß symbolische Opferhandlung. Durch die Versöhnung des Sünders mit der göttlichen Majestät übt sie eine reale Wirksamkeit aus, „da Gott, durch diese Opfergabe versöhnt, die Gnade und die Gabe der Buße verleiht und dadurch Verbrechen und Sünden — auch die schwersten — nachläßt” (Conc. Trid. sess. 22, cap. 2).
Den Grund hierfür gibt dasselbe Konzil von Trient mit den Worten an: „Es ist ein und dieselbe Opfergabe. Derselbe, der sich damals selbst am Kreuze geopfert hat, bringt jetzt durch den Dienst der Priester das Opfer dar. Nur die Art zu opfern ist verschieden” (Conc. Trid. sess. 22, cap. 2). Daraus erhellt die unaussprechliche Größe des menschlichen Priesters, der Gewalt selbst über den Leib Jesu Christi hat. Er macht ihn auf unsern Altären gegenwärtig und bringt ihn, im Namen Christi selbst, als unendlich wohlgefällige Opfergabe der göttlichen Majestät dar. „Wunderbar ist das, wunderbar und staunenswert”, ruft da voller Berechtigung der hl. Johannes Chrysostomus aus (De sacerdotio 1. 3, c. 4: Migne, P.G. 48, 642).
Außer der Macht, die der Priester über den wirklichen Leib Christi ausübt, hat er noch andere hohe und erhabene Gewalten erhalten: über Christi mystischen Leib. Wir brauchen Uns, Ehrwürdige Brüder, nicht dabei aufzuhalten, diese herrliche Lehre vom mystischen Leibe Jesu Christi, die dem hl. Paulus so lieb war, darzulegen; jene Lehre, die uns die Person des fleischgewordenen Wortes zeigt in Vereinigung mit all seinen Brüdern, auf die sich die übernatürliche Wirkung, die von ihm ausgeht, erstreckt und die mit ihm als dem Haupte einen einzigen Leib bilden, dessen Glieder sie sind. Der Priester ist nun eingesetzt als „Ausspender der Geheimnisse Gottes” (1 Kor. 4,1) zum Segen dieser Glieder des geheimnisvollen Leibes Jesu Christi. Er ist der ordentliche Ausspender fast aller Sakramente, die da sind die Kanäle, durch welche die Gnade des Erlösers zum Heile der Menschheit uns zufließt. Fast bei jedem entscheidungsvollen Schritt seines Erdenweges findet der Christi an seiner Seite den Priester, bereit, ihm mit der von Gott verliehenen Vollmacht jene Gnade mitzuteilen oder zu vermehren, die das übernatürliche Leben der Seele ist. Gerade ist der Mensch zum Erdenleben geboren, da teilt ihm der Priester durch die Taufe die Wiedergeburt zu einem edleren und kostbareren Leben mit, zum übernatürlichen Leben, und macht ihn zum Kinde Gottes und der Kirche Christi. Um ihn stark zu machen für einen großmütigen geistlichen Kampf, macht ihn ein Priester, der mit besonderer Würde bekleidet ist, in der Firmung zum Streiter Christi. Sobald er das Brot der Engel zu unterscheiden und würdigen vermag, reicht es ihm der Priester, diese lebendige und lebenspendende Speise, die vom Himmel herabgestiegen ist. Ist er gefallen, dann richtet ihn der Priester im Namen Gottes wieder auf und versöhnt ihn mit Gott im Bußsakrament. Beruft ihn Gott dazu, eine Familie zu gründen und mit ihm an der Weitergabe des menschlichen Lebens in der Welt mitzuwirken, um die Zahl der Gläubigen auf Erden und damit die Zahl der Auserwählten im Himmel zu vermehren, dann ist der Priester zur Stelle, um seine Ehe und seine keusche Liebe zu segnen. Und wenn der Christ an der Schwelle der Ewigkeit angekommen ist und Stärkung und Ermutigung benötigt, bevor er vor dem Richterstuhle Gottes erscheint, dann neigt sich der Priester über den schmerzenden Leib des Kranken und heiligt und stärkt mit dem heiligen Öl. Hat endlich der Priester den Christen so auf der Erdenpilgerschaft bis zur Pforte des Himmels begleitet, dann geleitet er den Leib zum Grade mit den heiligen Zeremonien und Gebeten, die voll unsterblicher Hoffnung sind, und folgt der Seele über die Schwelle der Ewigkeit, um ihr mit christlicher Fürsprache zu helfen, falls sie noch der Reinigung und Tröstung bedarf. So ist der Priester von der Wiege bis zum Grabe, ja bis zum Himmel an der Seite der Gläubigen: als Führer und Tröster, Diener des Heiles, Ausspender von Gnaden und Segnungen.
Jedoch unter allen diesen Vollmachten, die der Priester über den mystischen Leib Christi zum Segen der Gläubigen besitzt, befindet sich eine, bei der Wir Uns nicht mit dem einfachen obigen Hinweis begnügen können. Wir meinen die Vollmacht, „die Gott”, nach einem Wort des hl. Johannes Chrysostomus, „weder Engeln noch Erzengeln verlieh” (De sacerdotio 1. 3, c. 5: P.G. 48, 642), die Gewalt der Sündenvergebung: „Welchen ihr die Sünden nachlasset, denen sind sie nachgelassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten” (Joh. 20, 23). Eine staunenerregende Vollmacht, die nur Gott zukommt, so daß selbst menschlicher Stolz nicht begreifen konnte, daß es möglich sei, sie Menschen mitzuteilen: „Wer kann Sünden nachlassen als Gott allein?” (Mark. 2,7.)
Und wenn wir sie von einem gewöhnlichen Menschen ausgeübt sehen, da fragen wir uns mit Recht, nicht in pharisäischem Ärgernis, sondern in ehrfürchtigem Staunen vor so großer Würde:„Wer ist dieser, daßer sogar Sünden vergibt?” (Luk. 7, 49.) Aber der Gottmensch, der die „Vollmacht, Sünden auf Erden zu vergeben” (Luk. 5, 24), hatte und noch hat, wollte sie gerade seinen Priestern mitteilen, um mit der Freigebigkeit und dem Erbarmen Gottes dem Bedürfnis nach Reinigung der Seele entgegenzukommen, das den Herzen aller Menschen eingepflanzt ist.
Welch einen Trost bedeutet es für den schuldbeladenen, von Gewissensbissen geqälten, reuigen Menschen, das Wort zu hören, das der Priester im Namen Gottes zu ihm sagt: „Ich spreche dich los von deinen Sünden„! Und der Umstand, daß er es hört aus dem Munde eines Menschen, der auch seinerseits es für sich von einem andern Priester erbitten muß, entwertet nicht nur nicht dieses Geschenk der Barmherzigkeit, sondern läßt es ihm nur so größer erscheinen; denn so wird durch das gebrechliche Geschöpf hindurch viel deutlicher sichtbar Gottes Hand, dessen Macht das Wunder wirkt. Und deshalb „sind wir”, um ein Wort des berühmten Schriftstellers zu gebrauchen, der über religiöse Fragen mit einer für Laien seltenen Sachkenntnis handelt, „uns bewußt, keine niedrige Handlung begangen zu haben, wenn wir uns von den Füßen des Priesters erheben. Denn in tiefer Ergriffenheit vor seiner eigenen Unwürdigkeit und vor der Erhabenheit seines Tuns streckt dieser ja seine geweihten Hände über unser Haupt aus; und im demütigenden Bewußtsein seiner Unwürdigkeit, Ausspender des Blutes des Bundes zu sein, und jedesmal voll Staunen darüber, daß er Worte des Lebens sagen kann, sprach er — der Sünder — den Sünder los. Zu Füßen eines Menschen haben wir uns befunden, der Christi Stelle vertrat. Wir standen dort, um Freiheit und Gotteskindschaft zu erlagen” (Al. Manzoni, Osservazioni sulla morale cattolica Kap. 18).
Und diese erhabenen Gewalten, die dem Priester in einem eigens dafür eingesetzten Sakramente verliehen wurden, sind in ihm nicht nur zeitweilig und vorübergehend, sondern ständig und dauernd. Denn sie sind mit einem unauslöschlichen Merkmal verbunden, das seiner Seele eingeprägt wurde. „Priester in Ewigkeit”(vgl. Ps. 109, 4) wurde er dadurch, änlich dem, an dessen ewigen Priestertum er Anteil bekam. Dieses Merkmal wird er, auch in den bedauerlichsten Verirrungen, in die er durch menschliche Schwäche fallen kann, nie aus seiner Seele austilgen können. Zusammen mit diesem Charakter und diesen Vollmachten empfängt der Priester durch das Weihesakrament eine neue und besondere Gnade mit dem Recht auf besondere Hilfen. Wenn er die göttlich mächtige Wirksamkeit der Gnade mit seiner freien persönlichen Mitarbeit begleitet, dann kann er in Kraft dieser Hilfen alle die harten Pflichten des erhabenen Standes, zu dem er berufen wurde, würdig erfüllen und kann, ohne erdrückt zu werden, die furchtbare Verantwortung des priesterlichen Amtes tragen, die sogar die stärksten Helden des christlichen Priestertums erzittern ließ, wie einen hl. Johannes Chrysostomus, einen hl. Gregor den Großen, einen hl. Karl Borromäus und so machen andern.
Der katholische Priester ist ferner „Diener Christi und Ausspender der Geheimnisse Gottes” (1 Kor. 4, 1) auch durch das Wort, durch jenen „Dienst am Worte” (Apg. 6, 4) der ein unveräußerliches Recht ist und zugleich eine unverjährbare Pflicht, von Jesus Christus selbst ihm auferlegt: „Gehet hin und lehret alle Völker …, lehret sie alles halten, was ich euch befohlen habe” (Matth. 28, 19—20). Die Kirche Christi, die unfehlbare Verwalterin und Hüterin der göttlichen Offenbarung, teilt durch ihre Priester die Schätze der himmlischen Wahrheit aus. Die predigt ihn, der da ist „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt” (Joh. 1, 9). Mit göttlicher Fülle streut sie jenen Samen aus, der in den Augen der Welt unbedeutend und verächtlich ist, der aber, dem Senfkörnlein des Evangeliums gleich (vgl. Matth. 13, 31—32), in sich die Kraft birgt, feste und tiefe Wurzeln in die aufrichtigen und nach Wahrheit dürstenden Seelen zu senken und sie starken Bäumen gleich auch in den heftigsten Stürmen unerschüttert dastehen zu lassen.
Inmitten der Verirrungen des menschlichen Denkens, das gleichsam aufgebläht ist durch eine falsche Freiheit von jedem Gesetzt und jeder Bindung, inmitten der erschreckenden Verderbnis menschlicher Schlechtigkeit, erhebt sich als heller Leuchtturm die Kirche. Sie verurteilt jede Abirrung von der Wahrheit nach rechts und nach links und weist allen und jedem den rechten Weg. Kraft der unfehlbaren Verheißungen, auf denen er steht, kann dieser Leuchtturm nie verlöschen. Aber wehe, wenn er daran gehindert wird, sein segenbringendes Licht in Fülle auszusenden! Wir sehen es ja mit eigenen Augen, wohin die Welt dadurch gekommen ist, daß sie in ihrem Stolz die göttliche Offenbarung verworfen hat und — wenn auch unter dem Scheintitel der Wissenschaft — falschen Theorien der Philosophie und Sittenlehre gefolgt ist. Wenn die Welt auf der abschüssigen Bahn des Irrtums und des Lasters nicht noch tiefer abgeglitten ist, dann schuldet sie das dem Licht der christlichen Wahrheit, das immer noch in die Welt hineinstrahlt. Nun wohl, diesen ihren „Dienst am Worte” übt die Kirche durch die Priester aus. In weiser Ordnung sind diese von ihr auf die verschiedenen Stufen der heiligen Hierarchie verteilt und werden von ihr in alle Länder ausgesandt als unermüdliche Bannerträger der Frohbotschaft, die allein wahre Kultur erhalten, bringen oder neu erstehen lassen kann.
Das Wort des Priesters bringt in die Seelen und bringt ihnen Licht und Kraft. Auch mitten im Sturme der Leidenschaften ertönt es in unbeirrbarer Ruhe und verkündet unerschrocken die Wahrheit und fordert das Gute: jene Wahrheit, welche die schwersten Fragen des menschlichen Lebens aufklärt und löst; jenes Gute, das kein Unglück, nicht einmal der Tod, rauben kann, ja das der Tod sogar sicherstellt und unsterblich macht.
Betrachtet man die einzelnen Wahrheiten in sich, die der Priester pflichtgemäß immer wieder einschärfen muß, und wägt man ihre innere Kraft, dann begreift man, wie groß und wohltuend der Einfluß des Priester für die sittliche Hebung und für die Versöhnung und die Ruhe der Völker sein muß. So wenn er z. B. vornehm und gering erinnert an die Vergänglichkeit des gegenwärtigen Lebens, an die Wertlosigkeit der irdischen Güter, an den Wert der geistigen Güter und der unsterblichen Seele, an die Strenge der göttlichen Gerichte, an die unbestechliche Heiligkeit des Auges Gottes, der die Herzen aller erforscht und „einem jeden nach seinen Werken vergilt” (Matth. 16, 27). So gibt es kein besseres Mittel als alle diese und ähnliche Unterweisungen zur Beherrschung der fieberhaften Vergnügungssucht und ungezügelten Gier nach zeitlichen Gütern, die heute so viele Menschen entwürdigen und die verschiedenen Klassen der menschlichen Gesellschaft dazu treiben, sich als Feinde zu bekämpfen, statt einander in gegenseitiger Zusammenarbeit zu helfen. Inmitten sodann des Zusammenpralls so hemmungsloser egoistischer Wünsche, beim Auflodern so großen Hasses, bei so finsteren Racheplänen gibt es kein angebrachteres und wirksameres Mittel als die laute Verkündigung des „neuen Gebotes” Christi (Joh. 13, 14) des Gebotes der Liebe, das sich auf alle Menschen erstreckt und keine Schranken und Grenzen kennt, ja selbst die Feinde nicht ausnimmt.
Eine ruhmreiche Erfahrung von nunmehr zwanzig Jahrhunderten beweist die ganze segenbringende Wirksamkeit des priesterlichen Wortes. Denn da es ein treuer Widerhall des „Wortes Gottes” ist, das „lebendig, wirksam und schärfer ist als jedes zweischneidige Schwert”, so dringt auch dieses vor „bis zur Scheidung von Seele und Geist” (Hebr. 4, 12). Es erweckt Heldentum jeglicher Art, in jeder Menschenklasse und an allen Orten, und gibt selbstloses Wirken den ganz großmütigen Herzen ein.
Alle Wohltaten, welche die christliche Kultur in die Welt gebracht hat, sind wenigstens in ihrer Wurzel dem Wort und Wirken des katholischen Priester zu verdanken. Eine solche Vergangenheit würde aus sich schon eine Gewähr auch für die Zukunft bieten, hätten wir nicht in den unfehlbaren Verheißungen Christi ein „noch zuverlässigeres Wort” (2 Petr. 1, 19).
Auch das Missionswerk, das so klar die gottgegebene innere Kraft der Kirche zur Ausbreitung offenbart, wird hauptsächlich durch den Priester gefördert und getragen. Als Bahnbrecher des Glaubens und der Liebe breitet er unter zahllofen Opfern das Reich Gottes auf Erden immer weiter aus.
Endlich ist der Priester der öffentliche und amtliche Fürsprecher der Menschlichkeit bei Gott: auch darin setzt er die Sendung Christi fort, der „die ganze Nacht im Gebete mit Gott verbrachte” (Luk. 6, 12) und „immer lebt, um für uns Fürbitte einzulegen” (Hebr. 7, 25): darum hat er die Aufgabe und den Auftrag, Gott im Namen der Kirche nicht allein das eigentliche Opfer, sondern mit dem öffentlichen und amtlichen Gebet auch das „Opfer des Lobes” darzubringen (Ps. 49, 14). Täglich entrichtet er Gott mit Psalmen, Gebeten und Gesängen, die großenteils den heiligen Büchern entnommen sind, zu wiederholten Malen den schuldigen Tribut der Anbetung und erfüllt die notwendige Aufgabe der Fürsprache für die Menschheit, die heute mehr denn je in Bedrängnis ist und Gottes Hilfe bedarf. Wer kann sagen, wie viele Strafen das Gebet des Priesters von der treulosen Menschheit fernhält und wie viele Wohltaten es beständig erwirkt?
Wenn schon das Privatgebet so großartige und feierliche Verheißungen von Jesus Christus erhalten hat (vgl. Matth. 7, 7—11; Mark. 11, 24; Luk. 11, 9—13), wie machtvoll muß dann erst das Gebet sein, das amtlich im Ramen der Kirche, der geliebten Braut des Erlösers, verrichtet wird. Und der Christi, auch wenn er in den Tagen des Glückes allzu selten an Gott denkt, bewahrt in der Tiefe seines Herzens doch das Vertrauen auf das Gebet und fühlt, daß das Gebet alles vermag. Gleichsam durch heiligen Naturtrieb nimmt er in allem Unheil, in jeder privaten oder öffentlichen Not seine besondere Zuflucht zum priesterlichen Gebet. Von ihm erwarten die Unglücklichen aller Art Trost und Kraft. An ihn wendet man sich, daß er in den verschiedenen Wechselfällen dieser irdischen Verbannung Gottes Hilfe erflehe. In Wahrheit „mitten zwischen Gott und Mensch steht der Priester: Gottes Wohltaten bringt er zu uns herab; unsere Bitten trägt er zu ihm empor und versöhnt den Herrn in seinem Zorne” (S. Io. Chrysost., Hom. 5 in Isaiam: P.G. 56, 131).
Schließlich zeigen in ihrer Weise selbst die Feinde der Kirche — wie Wir eingangs andeuteten —, daß sie die ganze Würde und Bedeutung des katholischen Priestertums fühlen; denn immer richten sie gegen dieses ihre ersten und leidenschaftlichsten Angriffe. Wissen sie doch recht wohl, wie innig das Band zwischen der Kirche und ihren Priestern ist. Am erbittertsten hassen heute das katholische Priestertum die, welche auch Gott hassen: ein Ehrentitel, der das Priestertum nur noch mehr der Achtung und Verehrung würdig macht.
II.
Erhaben ist also, Ehrwürdige Brüder, die Würde des Priesters. Sind auch die Schwächen einiger Unwürdiger noch so beklagenswert und schmerzlich, so können sie doch nicht den Glanz einer so hohen Würde verdunkeln; zumal da man ihretwegen die Verdienste so vieler Priester nicht vergessen darf, die sich durch Tugend und Wissen, durch Werke des Seeleneifers, ja selbst durch das Martyrium ausgezeichnet haben. Dazu kommt, daß die Unwürdigkeit des Trägers keineswegs die Ausübung des Amtes ungültig macht. Die Unwürdigkeit des Spenders berührt nicht die Gültigkeit der Sakramente. Diese empfangen ja ihre Wirksamkeit vom Blute Christi, unabhängig von der Heiligkeit des Werkzeuges: sie üben ihre Wirksamkeit nach dem Sprachgebrauch der Scholastik ex opere operato aus.
Trotzdem verlangt gerade die Würde des Priesters in ihrem Träger einen Hochsinn, eine Reinheit des Herzens und eine Heiligkeit des Lebens, wie sie der Erhabenheit und Heiligkeit des priesterlichen Amtes entspricht. Dieses macht ja, wie Wir schon gesagt haben, den Priester zum Mittler zwischen Gott und den Menschen, in Vertretung und im Auftrage dessen, der da ist „der eine Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Jesus Christus” (1 Tim. 2,5).
Darum muß auch der Priester der Vollkommenheit Christi, dessen Stelle er vertritt, möglichst nahe kommen und sich Gott immer wohlgefälliger machen durch die Heiligkeit des Lebens und Wirkens; denn mehr als den Duft des Weihrauchs, mehr als den Glanz der Altäre und Tempel liebt und wünscht Gott die Tugend. „Wer zwischen Gott und dem Volke Mittler ist”, sagt der hl. Thomas, „muß im Glanze eines reinen Gewissens vor Gott und in gutem Rufe bei den Menschen stehen” (Summ. Theol., Suppl. q. 36, a. 1 ad 2).
Anderseits aber, wenn jemand, der heilige Dinge zu besorgen oder zu verwalten hat, ein tadelnswertes Leben führt, so entheiligt er sie und macht sich des Sakrilegs schuldig: „Wer nicht heilig ist, soll auch nicht mit Heiligem umgehen” (Decret., dist. 88, can. 6).
Darum befahl Gott im Alten Bunde seinen Priestern und Leviten: „Sie sollen heilig sein, weil auch ich, der Herr, heilig bin, ich, der sie heiligt” (Lev. 21, 8). Um Heiligkeit bittet den Herrn auch der weise Salomon im Lied der Tempelweihe für die Söhne Aarons: „Mögen deine Priester sich in Gerechtigkeit kleiden; mögen deine Heiligen Frohlocken” (Ps. 131, 9). Nun wohl, Ehrwürdige Brüder, „wenn so große Gerechtigkeit, Heiligkeit und Eifer schon von jenen Priestern verlangt wurde” so sagen Wir mit dem hl. Robert Bellarmin, „die doch nur Schafe und Rinder opferten und Gottes Lob sagen nur für zeitliche Wohltaten, was wird dann erst von den Priestern verlangt, die das göttliche Opferlamm darbringen und Dank sagen für ewige Wohltaten?” (Explanatio in Psalmos, Ps. 131, 9.) „Groß ist die Würde der Vorsteher”, ruft der hl. Laurentius Justinianus aus, „aber größer die Verantwortung: zu erhabener Stellung vor den Augen der Menschen erhoben, müssen sie auch auf dem Gipfel der Tugend vor dem Auge des Allwissenden stehen; sonst gereicht ihnen ihre Gewalt nicht zum Verdienst, sondern zum Gericht” (De instit. et regim. prael. c. 11; Ausg. Venedig 1606, fol. 380—381).
Und in der Tat können jetzt alle von Uns oben angeführten Beweisgründe für die Würde des katholischen Priestertums gleichfalls als Beweise für die Pflicht des Priesters dienen, nach hoher Heiligkeit zu streben. Denn „zur würdigen Ausübung der Weihen genügt nicht”, wie der hl. Thomas lehrt, „irgend eine Stufe der Vollkommenheit, sondern ein hervorragenden Grab der Tugend wird verlangt; wie nämlich durch den Weihegrad der Empfänger der Weihe über das Volk gestellt wird, so soll er auch durch das Verdienst seiner Heiligkeit über ihm stehen” (Summ. Theol., Suppl. q. 35, a. 1 ad 3). Wirklich fordert das eucharistische Opfer, in dem sich das unbefleckte Opferlamm, das da die Sünden der Welt hinwegnimmt, selbst darbringt, in besonderer Weise, daß der Priester durch ein reines und unbeflecktes Leben sich Gottes möglichst wenig unwürdig mache. Täglich bringt er ja ihm jene anbedeutungswürdige Opfergabe dar, die da Gottes Wort selbst ist, das aus Liebe zu uns Fleisch ward. „Beachtet, was ihr tut, und ahmt nach, was ihr vollzieht”, spricht die Kirche durch den Bischof zu den Diakonen, die bald zu Priestern geweiht werden sollen (Pont. Rom. in ordinat. presbyt.).
Der Priester ist ferner der Ausspender der göttlichen Gnade, die uns durch die Sakramente zuströmt. Aber gar ungeziemend und widerspruchsvoll würde es für einen solchen Gnadenspender sein, wenn er selbst jene so kostbare Gnade nicht besäße oder sie auch nur gering einschätzte und nachlässig behütete. Der Priester soll weiterhin die Wahrheit des Glaubens verkünden! Aber die religiöse Wahrheit wird am würdigsten und wirksamsten gelehrt, wenn der Lehrer groß ist an Tugend. Deshalb sagt ein bekanntes Wort: „Worte bewegen, Beispiele reißen hin.” Der Priester muß das Gesetz des Evangeliums verkünden! Aber zur Erreichung der Annahme dieses Gesetzes gibt es mit der Gnade Gottes kein annehmbareres und überzeugenderes Motiv als das Vorbild der Gesetzestreue im Leben dessen, der die Gesetzesbeobachtung einschärft. Den Grund dafür gibt der hl. Gregor der Große an: „Jenem Wort gewährt der Hörer lieber Eingang in sein Herz, das der Lebenswandel des Sprechers empfiehlt; denn was dieser durch sein Wort verlangt, hilft er durch sein Beispiel bereits verwirklichen” (Epist. I. 1, ep. 25: P.L. 77, 470). So sagt auch die Heilige Schrift vom göttlichen Erlöser: „Er fing an zu handeln und zu lehren” (Apg. 1,1), und die Volksmenge jubelte im zu, nicht so sehr weil „noch nie einer so gesprochen hatte wie dieser” (Joh. 7, 46), sondern vielmehr weil „er alles gut gemacht hat” (Mark. 7, 37). Alle hingegen, „die lehren, aber nicht nach ihrer Lehre handeln”, machen sich den Schriftgelehrten und Pharisäern gleich, die derselbe göttliche Heiland von der lauschenden Volksmenge tadelte mit einem Vorwurf, der zugleich das Ansehen des Gotteswortes schützte, das jene gesetzmäßig predigten: „Auf dem Lehrstuhl Moses’ sitzen Schriftgelehrte und Pharisäer; alles, was sie euch sagen, tuet und beobachtet, nach ihren Werken aber sollt ihr nicht handeln” (Matth. 23, 2—3). Ein Prediger, der sich nicht bemüht, die Wahrheit, die er lehrt, durch seinen Lebenswandel zu bekräftigen, würde mit der einen Hand zerstören, was er mit der andern aufbaut. Reichlich dagegen segnet Gott die Mühen der Bannerträger des Evangeliums, die vor allem auf die eigene Heiligung Gewicht legen. Sie werden zahlreiche Blüten und Früchte ihres Apostolates wachsen sehen, und am Tage der Ernte „kehren sie jauchzend heim mit ihrem Garben in den Armen” (Pf. 125, 6).
Es wäre ein schwerer und gefärlicher Irrtum, wenn ein Priester aus falschem Eifer die eigene Heiligung vernachlässigte, um in den äußern Arbeiten seines Priesterberufes, so wertvoll sie auch sind, ganz unterzugehen. Denn dadurch brächte er nicht bloß sein eigenes ewiges Heil in Gefahr, wie der große Völkerapostel es von sich selbst sagt: „Ich züchtige meinen Leib und mache ihn mir dienstbar, damit ich nicht etwa verloren gehe, nachdem ich andern gepredigt habe”(1 Kor. 9, 27); nein, er setzte sich auch der Gefahr aus, wenn nicht Gottes Gnade selbst, dann sicher jene Salbung des Heiligen Geistes zu verlieren, die dem äußern Apostolat eine wunderbare Kraft und Wirksamkeit verleiht.
Übrigens, wenn schon zu allen Christen gesagt ist: „Seid vollkommen, wie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist”(Matth. 5, 48), um wieviel mehr müssen dann aber die Priester dieses Wort des göttlichen Meisters auf sich beziehen, weil sie ja in besonderer Weise zu seiner näheren Nachfolge berufen sind.
Darum schärft die Kirche diese ernste Pflicht offen in ihrem Gesetzbuch allen Klerikern ein: „Die Kleriker haben die Pflicht, ihr inneres Leben und ihr äußeres Benehmen heiliger als die Laien zu gestalten und in Tugend und rechtem Handeln ihnen als Beispiel voranzuleuchten”(Cod. Iur. Can. can. 124). Da der Priester „an Christi Statt die Sendung ausübt”
(2 Kor. 5, 20), muß er auch in seinem Leben nach Kräften das Wort des Apostels wahr machen: „Ahmt mir nach, wie ich meinerseits Christus nachahme!” (1 Kor. 4, 16; 11, 1.) Er muß wie ein zweiter Christus leben, der mit dem Glanze seiner Tugend die Welt erleuchtete und noch heute erleuchtet.
Gewiß sollen alle christlichen Tugenden in der Seele des Priesters blühen. Es gibt aber doch einige, die sich für den Priester in ganz besonderer Weise ziemen und ihm mehr entsprechen. Das ist nach der Mahnung des Apostels an seinen lieben Timotheus an erster Stelle die Frömmigkeit: „Übe dich in der Frömmigkeit (1 Tim. 4,7). Wirklich, so innig, so zart und häufig ist ja der Verkehr des Priesters mit Gott, daß er ohne Zweifel begleitet und wie durchdrungen sein muß vom Duft der Frömmigkeit. „Frömmigkeit ist zu allem nützlich”(1 Tim. 4, 8), somit ganz besonders zur rechten Ausübung des priesterlichen Amtes. Ohne Frömmigkeit werden der heiligste Dienst und die erhabensten Riten des heiligen Amtes mechanisch und gewohnheitsmäßig ausgeübt. Es fehlt ihnen den Geist, die Salbung und das Leben. Die Frömmigkeit jedoch, Ehrwürdige Brüder, von der Wir hier sprechen, ist nicht jene leichtfertige und oberflächliche Frömmigkeit, die gefällt, aber nicht stark macht, die angenehme Gefühle weckt, aber nicht heiligt. Wir meinen jene gediegene Frömmigkeit, die nicht den unbeständigen Schwankungen des Gefühls unterworfen ist, sondern sich stützt auf die Grundsätze ganz sicherer Doktrin; die Frömmigkeit, die somit entstanden ist aus festen Überzeugungen heraus, die auch den Angriffen und Schmeicheleien der Versuchung Widerstand leisten.
Und diese Frömmigkeit muß sich zwar an erster Stelle in kindlicher Liebe auf den Vater im Himmel richten, muß sich dann aber auch auf die Gottesmutter erstrecken, und zwar mit größerer Zärtlichkeit beim Priester als bei den einfachen Gläubigen, weil besonders wahre und tiefe Ähnlichkeit besteht zwischen den Beziehungen des Priesters zu Christus und denen Marias zu ihrem göttlichen Sohn.
Innig verbunden mit der Frömmigkeit, von der sie ihren Bestand und ihren Glanz erhalten muß, ist die Keuschheit, der andere leuchtende Edelstein des katholischen Priestertums. Zu ihrer vollkommenen und allseitigen Beobachtung sind die Kleriker der höheren Weihen in der Lateinischen Kirche unter so schwerer Verpflichtung gehalten, daß die Verletzung dieser Verpflichtung ein Sakrileg sein würde (Cod. Iur. Can. can. 132, § 1). Wenn auch ein derartiges Gesetzt die Kleriker der Orientalischen Kirchen nicht in seiner ganzen Strenge verpflichtet, so steht doch auch bei ihnen der kirchliche Zölibat in Ehren und ist in bestimmten Fällen, zumal für die höchsten Grade der Hierarchie, eine notwendige und verpflichtende Forderung.
Einen gewissen Zusammenhang zwischen dieser Tugend und dem priesterlichen Amt nimmt schon allein die natürliche Vernunft wahr. Da „Gott Geist ist” (Joh. 4, 24), scheint es angebracht, daß ein jeder, der sich seinem Dienste widmet und weiht, sich auch in gewisser Weise „von seinem Liebe freimache”. Schon die alten Römer hatten das Geziemende eines solchen Verhaltens erkannt. Eines ihrer Gesetze, das folgenden Wortlaut hat: „Man soll keusch zu den Göttern hintreten”, wurde vom größten ihrer Redner angeführt und mit der Erklärung versehen: „Keusch befiehlt uns das Gesetz vor die Götter hinzutreten, nämlich im Geiste, der alles umfaßt; doch sieht das von der Reinheit des Leibes nicht ab, sondern diese muß mit- verstanden werden, da der Geist über dem Lieb steht; auch möge bemerkt sein, daß die Keuschheit vor allem im Geiste zu pflegen ist, um die Keuschheit des Körpers zu haben” (M.T. Cicero, De legibus 1. 2, c. 8 u. 10).
Im Alten Bunde wurde Aaron und seinen Söhnen und Moses im Namen Gottes befohlen, nicht aus dem Zelte zu gehen und somit Enthaltsamkeit zu beobachten in den sieben Tagen bis zur Beendigung ihrer Weihe (vgl. Lev. 8, 33—35).
Aber dem christlichen Priestertum, das viel erhabener ist als das alte, entsprach darum auch eine viel größere Reinheit. So findet sich denn die erste schriftliche Spur des kirchlichen Zölibatsgesetzes, die offenbar eine ältere Beobachtung des Zölibates voraussetzt, schon in einem Kanon des Konzils von Elvira (Conc. Eliberit. can. 33: Mansi tom. 2, col. 11), aus dem Anfang des 4. Jahrhunderts, zu einer Zeit, wo die Christenverfolgung noch wütete. Doch das Kirchengesetz hat nur zu einer strengen Verpflichtung erhoben, was eine gewisse, sagen Wir, moralische Forderung, die ihren Ursprung im Evangelium und in der Predigt der Apostel hat, auferlegt. Die Hochschätzung, die der göttliche Meister von der Keuschheit hatte: er pries sie ja als etwas, was über die Fassungskraft der menge geht (vgl. Matth. 19, 11); die Tatsache, daß er selbst die „Blüte einer jungfräulichen Mutter” ist (vgl. Brev. Rom., Hymn. ad Laud. in festo SS. Nom. Iesu) und von Kindheit an in der jungfräulichen Familie Josephs und Marias aufwuchs, daß er eine besondere Vorliebe zeigte für reine Seelen wie für die beiden Johannes, den Täufer und den Evangelisten; der Umstand, daß der große Apostel Paulus, der treue Ausleger der evangelischen Gesetze und des Gedankens Christi, die unschätzbaren Vorzüge der Jungfräulichkeit verkündet, besonders hinsichtlich eines Dienstes Gottes: „Wer unverheiratet ist, der ist um die Sache des Herrn besorgt, wie er dem Herrn gefalle” (1 Kor. 7, 32): Alles das mußte die fast notwendige Wirkung haben, die die Priester des Neuen Bundes den himmlischen Zauber dieser erhabenen Tugend spürten, daß sie sich bemühten, doch auch zur Zahl derer zu gehören, „denen es gegeben ist, jenes Wort zu verstehen” (vgl. Matth. 19,11), und daß sie sich freiwillig die Beobachtung der Jungfräulichkeit auferlegten, die dann bald noch durch ein strenges kanonisches Gesetz in der ganzen Lateinischen Kirche zur Pflicht gemacht wurde: „Auch wir sollen”, wie am Ende des 4. Jahrhunderts das zweite Konzil von Karthago erklärte, „üben, was schon die Apostel lehrten und was bereits die alte Zeit beobachtete” (Conc. Carthag. II can. 2: Mansi, Collect. Conc. tom. 3, col. 692).
Auch fehlen nicht Zegnisse berühmter orientalischer Väter, die die Erhabenheit des katholischen Zölibates preisen und beweisen, daß schon damals in den Gegenden, wo einen strengere Disziplin herrschte, auch in diesem Punkte zwischen der Lateinischen und Orientalischen Kirche Übereinstimmung bestand. Der hl. Epiphanius bezeugt gegen Ende des gleichen 4. Jahrhunderts, daß der Zölibat sich schon bis auf die Subdiakone erstreckte: „Niemand, der in der Ehe lebt und sich um Kinder bemüht, wird von der Kirche zur Weihe des Diakons, Priesters, Bischofs oder des Subdiakons zugefallen, auch wenn es die erste Ehe war; nur den ist die Kirche bereit zu weihen, der die Lebensgemeinschaft mit seiner ersten und einzigen Gattin aufgegeben oder diese bereits durch den Tod verloren hat. Das geschieht vor allem an den Orten, wo die kirchlichen Kanones genau beobachtet werden” (S. Epiph., Advers. haer. Panar. 59, 4: P. G. 41, 1024). Ganz besonders beredt ist in dieser Frage der heilige Diakon von Edessa und Kirchenlehrer Ephrem der Syrer, der mit Recht „Zither des Heiligen Geistes” heißt (Brev. Rom., d. 18 Iun., lect. 6). In einem seiner Lieder richtet er an seinen Freund, den Bischof Abraham, das Wort: „Du bist wirklich”, so sagt er ihm, „was dein Name sagt, Abraham, weil auch du Vater vieler geworden bist. Weil du aber keine Gattin hast, wie Abraham die Sara, siehe, so ist deine Herde deine Gattin. Erziehe ihre Kinder in deiner Wahrheit. Mögen sie dir Kinder des Geistes werden und Söhne der Verheißung, damit sie auch Erden werden in Erden. O schöne Frucht der Keuschheit! Du machtest das Priestertum wohlgefällig, ….das Horn schäumte über und salbte dich, die Hand lag auf dir und wählte dich aus, die Kirche rief und liebte dich” (Carm. Nisib., carm. 19; Ausg. Bickell 112).An einer andern Stelle sagt er: „Es genügt nicht für den Namen des Priesters, der den lebendigen Leib des Herrn opfert, Gedanken und Zunge zu läutern, die Hände zu reinigen und seinen ganzen Leid sauber zu halten, sondern er muß stets ganz rein sein, weil er als Mittler zwischen Gott und das Menschengeschlechts gestellt ist. Gepriesen sei, der da seine Diener gereinigt hat!” (Carm. Nisib., carm. 18; Ausg. Bickell 112). Johannes Chrysostomus behauptet gleicherweise, daß „der Priester so rein sein muß, als ob er in den Himmel mitten unter die himmlischen Mächte versetzt sei” (De sacerdotio lib. 3, cap. 4: P. G. 48, 642).
Die höchste Angemessenheit des Zölibats und des Gesetzes, das ihn den Dienern des Altares zur Pflicht macht, wird schließlich auch durch die Erhabenheit selbst oder — nach einem Ausdruck des hl. Epiphanius (Advers. haer. Panar. 59, 4: P. G. 41, 1024) — durch die „unglaubliche Ehre und Würde” des christlichen Priestertums, die schon von Uns ausgeführt ist, erweisen. Wenn jemand ein Amt hat, das in gewisser Hinsicht selbst jenes der reinsten Geister überragt, die „vor dem Herrn stehen” (vgl. Tob. 12, 15), ist er dann wohl nicht das Richtige, daß er auch möglichst wie ein reiner Geist leben muß? Wer ganz „in dem sein muß, was des Herrn ist” (vgl. Luk. 2, 49; 1 Kor. 7, 32), muß der dann nicht wohl entsprechenderweise von den irdischen Dingen gänzlich losgelöst, muß sein Wandel nicht immer im Himmel sein? (Vgl. Phil. 3, 20.) Wenn jemand eifrig in der Sorge um das Heil der Seelen das Werk des Erlösers fortführen soll, ist es dann nicht wohl angemessen, daß er sich freihält von den Sorgen um eine eigene Familie, die einen großen Teil seiner Tätigkeit in Anspruch nähme?
Und es ist in Wahrheit ein bewundernswertes, doch in der katholischen Kirche so häufiges Schauspiel, das die Jungen Leviten, bevor sie die heilige Weihe des Subdiakonates empfangen und sich damit dem Dienste und der Verehrung Gottes gänzlich weihen, frei den Freuden und Annehmlichkeiten entsagen, die sie sich in einem andern Lebensstande ehrbarerweise gestatten dürften. Nach der Weihe sind sie allerdings nicht mehr frei, eine irdische Ehe einzugehen. Dennoch gebrauchen Wir das Wort „frei”: weil sie nicht gezwungen durch irgend ein Gesetz oder eine Person zur Weihe hinzutreten, sondern aus eigenem freiem Willen (vgl. Cod. Iur. Can. can. 971).
Was Wir zur Empfehlung des kirchlichen Zölibats gesagt haben, wollen Wir aber keineswegs so verstanden wissen, als ob Wir in irgend einer Form gegen den anders gearteten, in der Orientalischen Kirche rechtmäßig zugelassenen Brauch Tadel oder Vorwürfe erheben wollten. Wir sagen es einzig deshalb, um im Herrn zu preisen jene Wahrheit, die Wir für einen der Größten Ruhmestitel des katholischen Priestertums halten und die Uns mehr den Wünschen und Absichten des heiligsten Herzens Jesu in Bezug auf die Seelen der Priester zu entsprechen scheint.
Nicht weniger als in der Keuschheit muß sich der katholische Priester in der Uneigennützigkeit auszeichnen. Mitten in der Korruption der Welt, in der alles käuflich und verkäuflich ist, muß er frei von jeglicher Selbstsucht wandeln, in heiliger Verachtung für jede niedrige Gier nach irdischem Gewinn, auf der Suche nach Seelen und nicht nach Geld, nach Gottes Ehre und nicht nach seiner eigenen. Er ist nicht der Taglöhner, der um zeitlichen Lohn arbeitet, auch nicht der Beamte, der bei aller gewissenhaften Erfüllung seiner Amtspflichten doch auch an seine Laufbahn und seine Beförderung denkt. Er ist vielmehr „der wackere Streiter Christi”, der „sich nicht in weltliche Geschäfte einläßt, um dem zu gefallen, denn er sich verschrieben hat” (2 Tim. 2, 3 — 4). Er ist der Diener Gottes und der Vater der Seelen. Er weiß, daß sich seine Mühen und Sorgen nicht mit irdischen Schätzen und Ehren vollwertig entgelten lassen. Die Annahme eines angemessenen Unterhaltes ist ihm nicht verboten nach dem Wort des Apostels: „Wer dem Altare dient, erhält auch vom Altare seinen Anteil; … der Herr hat befohlen, daß die Boten des Evangeliums auch vom Evangelium leben sollen” (1 Kor. 9, 13 14). Jedoch „zum Anteil des Herrn berufen”, wie sein Name „Kleriker” andeutet, erwartet er keinen andern Lohn als den, welchen Christus seinen Aposteln versprach: „Euer Lohn ist groß im Himmel” (Matt. 5, 12). Wehe, wenn der Priester, uneingedenk so göttlicher Verheißungen, begänne, sich „gierig nach häßlichem Gewinn” (Tit. 1,7) zu zeigen, und sich der Masse der Kinder dieser Welt zugesellte, über welche die Kirche mit dem Apostel klagt: „Alle suchen nur das Ihrige, nicht aber die Sache Jesu Christi!” (Phil. 2, 21.) In einem solchen Falle würde er sich nicht nur an seinem Berufe verfehlen, er zöge sich auch die Verachtung der Gläubigen zu. Denn diese würden in ihm einen beklagenswerter Widerspruch finden zwischen seiner Lebensführung und der Lehre des Evangeliums, die Jesus so klar ausgesprochen hat und die der Priester verkünden muß: „Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Rost und Motten sie verzehren, wo Diebe sie ausgraben und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel!” (Matth. 6, 20.) Wenn man bedenkt, das Judas, ein Apostel Christi, „einer der Zwölfe” — wie traurig die Evangeliesten bemerken —, gerade durch den Geist der Habsucht nach irdischen Gütern in den Abgrund seiner Bosheit gestürzt wurde, dann begreift man, wie derselbe Geist im Laufe der Jahrhunderte so viel Unglück über die Kirche hat bringen können. Diese Habsucht, die vom Heiligen Geist „die Wurzel aller Übel” (1 Tim. 6,10) genannt wird, kann zu jedem Verbrechen hinreißen; und sollte es auch nicht so weit kommen, so macht ein Priester, der vom diesem Laster angesteckt ist, in der Tat bewußt gemeinsame Sache mit den Feinden Gottes und der Kirche und arbeitet mit an ihren schändlichen Plänen.
Echte Selbstlosigkeit gewinnt dagegen dem Priester die Herzen aller. Das gilt um so mehr, da mit dieser Loslösung von den Erdengütern, die aus innere Glaubenskraft entspringt, auch immer jene zarte Teilnahme mit Unglücklichen aller Art verbunden ist, die den Priester zu einem wahren Vater der Armen macht. Sieht er ja in ihnen, eingedenk jener ergreifenden Worte seines Herrn: „Was ihr einem der geringsten meiner Brüder getan, habt ihr mir getan” (Matth. 25, 40), und verehrt und liebt in ihnen mit besonderer Herzlichkeit Jesus Christus selbst.
Ist so der katholische Priester von den beiden Banden frei, die ihn hauptsächlich an die Erde fesseln könnten, von den Banden einer eigenen Familie und von den Fesseln des Eigennutzes, dann kann er viel leichter von jenem himmlischen Feuer ergriffen werden, das aus dem Innern des Herzens Jesu hervorlodert und nichts so sehr sucht, als überzugreifen auf apostolische Herzen, um die ganze Erde zu entflammen (vgl. Luk. 12, 49): vom Feuer des Eifers. Dieser Eifer für die Ehre Gottes und das Heil der Seelen muß, wie es in der Heiligen Schrift von Jesus heißt, den Priester verzehren (Ps. 68, 10; Joh. 2, 17), muß ihn dahin bringen, sich selbst und alle irdischen Interessen zu vergessen, und muß ihm ein mächtiger Ansporn sein, sich restlos seiner erhabenen Sendung zu weihen und immer geeignetere Mittel zu suchen, um seine Sendung in immer weiteren Kreisen und stets besser zu erfüllen.
Wie kann denn ein Priester das Evangelium betrachten, wie kann er die Klage des Guten Hirten hören: „Noch andere Schafe habe ich, die nicht aus diesem Schafstall sind, auch sie muß ich heimführen” (Joh. 10, 16), wie kann er ansehen, wie „die Saaten schon reif für die Ernte sind” (Joh. 4, 35), ohne in sich die Sehnsucht entbrannt zu fühlen, doch auch solche Seelen zum Herzen des Guten Hirten zu führen, und ohne sich dem Herrn der Ernte als unermüdliche Arbeiter anzubieten? Wie kann ein Priester soviel armes Volk sehen, das „verlassen ist wie Schafe, die keinen Hirten haben” (Matth. 9,36) — nicht nur in den fernen Missionsgebieten, nein, leider auch in Ländern, die seit Jahrhunderten schon christlich sind —, ohne in seiner Seele einen tiefen Widerhall jenes göttlichen Erbarmens zu spüren, das sooft das Herz des Gottessohnes bewegte? (Vgl. Matth. 9, 36; 14, 14; 15, 32; Mark. 6, 34; 8, 2 usw.) Könnte das bei einem Priester geschehen, der weiß, daß er auf seinen Lippen Worte des Lebens und in seinen Händen die göttlichen Mittel der Wiedergeburt und des Heiles hat? Aber Gott sei gelobt, gerade dieses Feuer des apostolischen Eifers ist einer der leuchtenden Strahlen, die auf der Stirn des katholischen Priestertum glänzen! Mit freudigem Trost im Vaterherzen schauen Wir auf Unsere Ehrwürdigen Brüder und geliebten Söhne, die Bischöfe und Priester. Wie eine erlesene Truppe sind sie stets bereit, auf den Ruf des Führers an alle Fronten des ungeheuren Kampffeldes zu eilen, um dort die friedenbringenden, aber doch harten Kämpfe der Wahrheit gegen den Irrtum, des Lichtes gegen die Finsternis, des Reiches Gottes gegen das Reich des Teufels zu führen.
Aber diese Eigenschaft des katholischen Priestertums, eine bewegliche und tapfere Streiterschar zu sein, bringt mit sich die Notwendigkeit eines Geistes der Disziplin oder, um es mit einem mehr christlichen Wort anzudrücken, die Notwendigkeit des Gehorsams: jenes Gehorsams, der alle die verschiedenen Grade der kirchlichen Hierarchie so schön miteinander verbindet. So „ist in wunderbarerer Mannigfaltigkeit die heilige Kirche gekleidet, geschmückt und regiert — wie der Bischof in seiner Ermahnung an die Weihekandidaten sagt —, da in ihr die einen zu Bischöfen, die andern zu Priestern niederer Ordnung geweiht werden und so aus vielen Gliedern verschiedener Würde der eine Leib Christi gebildet wird” (Pont. Rom. in ordinat. presb.). Diesen Gehorsam versprachen die gerade geweihten Priester ihrem Bischof, bevor er sie am Schluß der Weihe entließ. Diesen Gehorsam schwuren ihrerseits die Bischöfe am Tage ihrer Konsekration dem höchsten sichtbaren Haupte der Kirche, dem Nachfolger des hl. Petrus, dem Stellvertreter Jesu Christi.
Der Gehorsam soll also immer mehr die verschiedenen Glieder der kirchlichen Hierarchie untereinander und mit dem Haupte verbinden und so die streitende Kirche den Feinden Gottes wahrhaft furchtbar machen „wie ein gutgeordnetes Schlachtheer” (vgl. Hohel. 6, 3 9). Er soll den vielleicht zu stürmischen Eifer der einen mäßigen und die Schwäche und Schlaffheit der andern anspornen; er soll jedem seinen Posten und seine Aufgaben anweisen, und jeder soll folgen ohne Widerstand: denn dieser würde das herrliche Werk, das die Kirche in der Welt leistet, nur stören; jeder soll in den Weisungen der kirchlichen Obern die Weisungen des wahren und einzigen Hauptes sehen, dem wir alle gehorchen, Jesus Christus, unseres Herrn, der „für uns gehorsam ward bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze” (Phil. 2,8).
In der Tat wollte der göttliche Hohepriester, daß sein ganz vollkommener Gehorsam gegen den himmlischen Vater uns in ganz besonderer Weise offenbar würde, und deshalb sind die Zeugnisse der Propheten und Evangelisten für diese restlose und vollkommene Unterwerfung des Sohnes Gottes unter den Willen des Vaters sehr zahlreich: „Bei seinem Eintritt in die Welt spricht er: Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gewollt; aber einen Leib hast du mir bereitet…. Da sprach ich: Sieh, ich komme, in der Buchrolle steht von mir geschrieben, daß ich deinen Willen, o Gott, erfülle” (Hebr. 10, 5—7). „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat” (Joh. 4, 34). Selbst noch am Kreuze wollte er seine Seele nicht in die Hände des Vaters übergeben, bevor er nicht erklärt hatte, alles sei erfüllt, was die Heilige Schrift von ihm vorausgesagt hatte: nämlich die ganze Sendung, die ihm vom Vater anvertraut war, bis zu jenem letzten, so tief geheimnisvollen „Mich dürftet”, das er aussprach, „damit die Schrift erfüllt würde” (Joh. 19, 28).
Er wollte damit zeigen, wie auch der glühendste Eifer immer dem Willen des Vaters vollkommen untergeordnet sein müsse, mit andern Worten, stets geregelt sein müsse durch den Gehorsam dem gegenüber, der für uns die Stelle des Vaters im Himmel vertritt und uns seinen Willen übermittelt, das heißt, gegenüber den rechtmäßigen kirchlichen Obern.
Aber das Bild des katholischen Priesters, das Wir in heller Beleuchtung der ganzen Welt zeigen wollen, würde unvollständig sein, wenn Wir es unterließen, eine andere notwendige Eigenschaft von großer Wichtigkeit einzuzeichnen, die die Kirche von ihm verlangt: die Wissenschaft. Der katholische Priester ist zum „Lehrer in Israel” (Joh. 3, 10) bestellt. Von Christus hat er das Amt und die Sendung empfangen, die Wahrheit zu lehren: „Lehret alle Völker…!” (Matth. 28, 19.) Er soll die Wissenschaft des Heiles lehren und dadurch, dem Völkerapostel gleich, Schuldner „für Gebildete und Ungebildete” (Röm. 1, 14) sein. Aber wie kann er sie lehren, wenn er sie nicht besitzt? „Die Lippen des Priesters werden die Weisheit hüten, und von seinem Munde wird man das Gesetz fordern”, spricht der Heilige Geist bei Malachias (2, 7), und niemand könnte jemals mit ernsteren Worten die Forderung auf Wissenschaft im Priester stellen als die göttliche Weisheit selbst, die einst durch den Mund des Propheten Oseas gesagt hat: „Du hast die Erkenntnis verschmäht. Darum will auch ich dich verschmähen, daß du mir nicht mehr als Priester dienest!” (Os. 4, 6.) Der Priester muß die katholische Glaubens- und Sittenlehre vollkommen beherrschen. Er muß sie vortragen können und fähig sein, Rede und Antwort zu stehen über die Dogmen, Gesetze und den Kult der Kirche, deren Diener er ist. Die Unwissenheit in religiösen Fragen, die trotzt des Fortschrittes der weltlichen Wissenschaft tatsächlich den Geist so vieler Zeitgenossen verdunkelt, muß er beseitigen. Nie war die Mahnung Tertullians so zeitgemäß wie heute: „Das eine verlangt bisweilen die Wahrheit, nicht ungehört verurteilt zu werden” (Apolog. c. 1: P.L. 1, 260). Es ist Pflicht des Priesters, seine Zuhörer von Vorurteilen und Irrtümern zu befreien, die der Haß der Gegner aufgehäuft hat. Dem modernen Menschen, der so sehnsüchtig die Wahrheit sucht, muß er sie mit unbefangenem Freimut zeigen können. Den Seelen, die noch suchen und von Zweifeln gequält sind, muß er Mut und Vertrauen einflößen und sie mit ruhiger Sicherheit zum sicheren Hafen des bewußt und fest angenommenen Glaubens führen. Den Angriffen des anmaßenden und hartnäckigen Irrtums muß er einen mutigen und starken, aber doch ruhig besonnenen und gut begründeten Widerstand entgegensetzen können.
Deshalb, Ehrwürdige Brüder, ist es für den Priester notwendig, das ernste und gründliche Studium der Theologie mit Rücksicht auf seine Aufgaben auch mitten im Drang der Geschäfte jenes heiligen Amtes fortzusetzen. So wird er zu der hinreichenden wissenschaftlichen Ausbildung, die er aus dem Seminar mitgebracht hat, immer reichere theologische Kenntnisse hinzufügen und sich so für Predigt und Seelenleitung immer geeigneter machen (Cod. Iur. Can. can. 129).Ferner muß der Priester, um seinem Amte Ansehen zu verschaffen und sich, wie es sich gehört, beim Volke Vertrauen und Achtung zu erwerben, was so sehr dazu beiträgt, seine Hirtentätigkeit erfolgreicher zu gestalten, jene Bildung, auch soweit sie nicht streng theologischer Natur ist, besitzen, die Gemeingut der Gebildeten unserer Zeit ist. Das heißt: Er soll in gesunder Weise modern sein, wie es die Kirche ist, die alle Zeiten und Länder umspannt und sich allen anpaßt, die alle gefunden Anregungen segnet und fördert und sich auch nicht fürchtet vor den kühnsten Fortschritten der Wissenschaft, wenn sie nur wahre Wissenschaft ist. Immer zeichnete sich der katholische Klerus auf allen Gebieten des menschlichen Wissens aus. Ja es gab Zeiten, da trat er so an die Spitze der Wissenschaft, daß „Kleriker” gleichbedeutend wurde mit „Gelehrter”. Und die Kirche hat nicht nur die Schätze der antiken Kultur behütet und bewahrt, die ohne sie und ihre Klöster fast gänzlich verlorengegangen wären, sondern auch in ihren größten Gelehrten bewiesen, wie alle menschliche Erkenntnis zur Erläuterung und Verteidigung des katholischen Glaubens dienen kann. Dafür haben Wir selbst der Welt noch jüngst ein leuchtendes Beispiel vor Augen geführt, als Wir jenen großen Lehrer des noch größeren Aquinaten mit dem Glorienschein des Heiligen und der Aureola der Kirchenlehrer schmückten, jenen Albert den Deutschen, den schon seine Zeitgenossen mit dem Namen „der Große” und „Doctor Universalis” ehrten.
Sicher kann man heute eine solche Vorrangstellung auf allen Wissensgebieten vom Klerus nicht mehr verlangen. Der menschliche Wissensschatz ist jetzt so groß geworden, daß ihn kein Mensch völlig umspannen und sich noch viel weniger in all den unzähligen Wissenszweigen auszeichnen kann. Aber man soll jene Glieder des Klerus, die sich durch Neigung oder besondere Anlagen zur Pflege und Vertiefung dieses oder jenes Kunst- und Wissensgebietes — sofern es für ihre kirchliche Stellung nicht unpassend ist — berufen fühlen, in kluger Weise ermutigen und unterstützen. Denn hält sich diese Betätigung in den erforderlichen Grenzen und unter der Leitung der Kirche, so gereicht sie der Kirche selbst zur Zierde und ihrem göttlichen Haupte Jesus Christus zur Ehre. Jedoch auch die übrigen Kleriker dürfen sich nicht mit dem Wissensstand begnügen, der vielleicht in früheren Zeiten ausreichte. Sie müssen sich um umfassendere und vollständigere Allgemeinbildung bemühen; ja vielmehr sollen sie diese tatsächlich schon besitzen. Wir meinen eine Allgemeinbildung, die dem Höheren Stand und der breiteren Ausdehnung entspricht, die heute, ganz allgemein gesprochen, die moderne Kultur gegenüber der Bildung früherer Zeiten erreicht hat.
Gewiß, der Herr hat mitunter, „auf dem Erdkreis spielend” (Spr. 8, 31), auch noch in neuerer Zeit Menschen zur Priesterwürde berufen und Wunder des Segens wirken wollen durch solche, die fast gänzlich dieses Wissensschatzes, von dem Wir sprechen, entbehrten. Er tat dies, damit alle lernten, die Heiligkeit höher zu schätzen als die Wissenschaft und auf menschliche Mittel nicht mehr Vertrauen zu setzen als auf die göttlichen. Mit andern Worten: Er tat es, weil die Welt von Zeit zu Zeit diese heilsame praktische Lehre wieder hören muß: „Was der Welt als töricht gilt, hat Gott auserwählt, um die Weisen zu beschämen …, damit sich kein Erdenmensch vor seinen Augen rühmen könne” (1 Kor. 1, 27 29). Aber wie in der natürlichen Ordnung die Wunder Gottes die Wirkung der Naturgesetze für kurze Zeit aufheben, ohne die Gesetze selbst abzuschaffen, so sind auch diese Menschen wahre lebendige Wunder, in denen die hohe Heiligkeit alles Fehlende ersetzt, ohne daß jedoch dadurch die Wahrheit und Notwendigkeit dessen aufgehoben wurde, was Wir hier einschärfen wollten.
Heute ist sodann diese Notwendigkeit von Tugend und Wissenschaft, dieses Bedürfnis nach vorbildlichem Wandel und Erbauung, nach diesem „Wohlgeruch Christi” (vgl. 2 Kor. 2, 15), den der Priester überall in seiner Umgebung verbreiten soll, um so fühlbarer und ei