Predigt am vierten Fastensonntag Laetare, dem 14. März 2021, Von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Im Namen dieser großen Worte, die sich die Französische Revolution auf die Fahnen geschrieben hatte, sind in den vergangenen 200 Jahren große Verbrechen verübt worden. Man könnte sogar meinen, dass Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit für den Menschen niemals geringer gewesen sind. Wir merken auch in unseren Tagen, dass die Freiheit bedroht ist, von der Gleichheit und der Brüderlichkeit ganz zu schweigen. Deswegen müssen wir uns mit dem heiligen Paulus in der heutigen Lesung aus dem Brief an die Galater darüber klarwerden, was Freiheit eigentlich bedeutet. Wer ist wirklich frei und woher kommt die Freiheit, deren wir uns rühmen?

Der hl. Paulus sagt es ganz klar: „Sumus filii liberae, qua libertate Christus nos liberavit“ (Gal 4, 31). Wir sind die Kinder der Freien, also der Kirche, durch die Freiheit, mit der uns Christus befreit hat.

Natürlich sind wir alle durch Gott, den Vater, frei geschaffen worden. Wir alle haben keine absolute Freiheit, denn wir bleiben Geschöpfe des Vaters. Wir sind immer von Seiner Güte und Seiner Führung und Seinen Geboten abhängig. Aber Er hat uns die Freiheit gegeben, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und entsprechend zu handeln. Wir besitzen das liberum arbitrium, die freie Entscheidung, Seinem Willen zu folgen oder nicht.

Diese Freiheit aber, wie wir alle aus eigener, oft schwerer Erfahrung wissen, ist von der Sünde geknechtet. Oft wollen wir das Gute tun, aber unsere Schwäche, die von der Sünde kommt, erlaubt es uns nicht, obwohl wir sehen, was das das Gute wäre, und dann trotzdem oft gerade das Gegenteil tun. Deswegen musste Christus uns befreien, Er musste uns die Freiheit zurückgeben, die wir durch die Sünde verloren haben. So können wir uns nicht selbst rühmen, sondern müssen jene Freiheit rühmen, mit der uns Christus befreit hat. Sein Tod am Kreuz war der Akt jener Befreiung, die uns die Freiheit zurückgegeben hat, das Gute zu tun und das Böse zu meiden durch die Kraft Seiner Erlösung, also durch Gnade.

Was aber, so müssen wir weiter fragen, ist der Maßstab dieser Freiheit? Was sollen wir tun und wie sollen wir uns verhalten, damit wir der Freiheit, die Gott uns wiedergeschenkt hat, gerecht werden können? Auch hier gibt uns die Heilige Schrift wieder eine Antwort. Im 8. Kapitel des Johannes-Evangeliums heißt es ganz klar: „Veritas liberabit vos“, es ist die Wahrheit, die euch befreit. Nicht irgendeine These, nicht irgendwelche Meinungen, die wir finden können oder uns selbst in den Kopf setzen, sondern die Wahrheit, die von Gott kommt, die Wahrheit, die von oben kommt, die Wahrheit der göttlichen Offenbarung, die uns in der Lehre der Kirche und in den Geboten Gottes begegnet. Wenn wir nicht wissen, wie wir mit unserer Freiheit entscheiden sollen, wenn unsere Freiheit, durch die Sünde geschwächt, in die falsche Richtung gehen will, dann müssen wir uns an der göttlichen Wahrheit orientieren; dann müssen wir den Maßstab des Glaubens zum Maßstab des Handelns und der Freiheit und machen; immer dann dürfen wir Gott danken, dass Er uns klare Gebote und einen eindeutigen Weg in Seiner Kirche gegeben hat, der uns zu Ihm und Seiner Gnade führt.

Nur die Wahrheit, nichts anderes wird uns frei machen! Immer dann, wenn diese Wahrheit und damit die Freiheit gefährdet ist, soll unser Maßstab der Glaube sein. Damit sehen wir, was der eigentliche Ursprung der Freiheit ist. Sie ist, wie die Heilige Schrift uns im Römerbrief (8, 21) sagt: „Libertas gloriae filiorum Dei.“ Es ist nicht, wie oft falsch übersetzt wird, die Freiheit der Gotteskinder, sondern es ist die Freiheit der gnadenvollen Herrlichkeit der Kinder Gottes. Die wahre Freiheit kommt nicht aus uns selbst! Die wahre Freiheit entsteht nach dem Sündenfall aus keiner bloß menschlichen Ordnung, die diese Freiheit vielmehr oft eher bedroht und manipuliert. Die wahre Freiheit kommt aus der Gnade Gottes!  Wir können sie dadurch erkennen, dass sie zur Glorie führt: Wenn wir unsere Freiheit so benutzen, dass sie der Gnade nicht im Wege steht, dann führt sie durch die Gnade zur Glorie. Wenn sie nicht zur Glorie führt, wenn sie also eine Freiheit der Sünde ohne Gnade ist, dann ist sie nicht die wahre christliche Freiheit.

Wenn wir heute die Freiheit betrachten, dann dürfen wir uns glücklich schätzen, dass wir die Gnade der Freiheit von Christus empfangen haben, die uns zu dieser Glorie führt. Deswegen können wir mit dem heiligen Louis Grignion de Montfort sagen: „Tibi servire libertas“, Dir, Christus, zu dienen ist die wahre Freiheit. Der Dienst an Christus, im Licht der Gebote Gottes und der Lehre der Kirche in der Kraft der Sakramente: Das ist die wahre Freiheit!

Daher, Geliebte, kommt auch alle wahre christliche Freude. Die Freiheit, die von der Sünde geknechtet ist, die Freiheit, die sich von Gott abwendet, bringt niemandem echte Freude, bestenfalls Spaß und Ausgelassenheit. Wir sehen es in unserer Gesellschaft: Die Freude ist künstlich und die Freiheit bedroht. Wenn wir uns aber an der Freiheit der Gnade und Herrlichkeit der Kinder Gottes orientieren, die aus dem Glauben kommt, dann können wir uns freuen. Dann werden wir auch in schweren Tagen die Hoffnung nicht verlieren, denn die Freiheit, die uns gegeben wurde, verlässt uns auch nicht in äußerer Not. Diese auch im Dunkel bleibende Freude, die Vorfreude auf die Glorie ist, erkennen wir mitten in der Fastenzeit am heutigen Sonntag Laetare an der frohen Farbe der liturgischen Gewänder und an der Musik, die uns aus der Orgel entgegenklingt. Die Freiheit gibt uns Freude; und die Freude der Kinder Gottes führt wieder zur Freiheit der Gnade.

Danken wir Gott, dass Er uns in der Wahrheit des Glaubens den Maßstab der Freiheit gegeben hat. Wenn wir wirklich in Freiheit, in Brüderlichkeit und vor Gott in Gleichheit leben wollen, dann orientieren wir uns an dieser einen wahren Freiheit aus Glaube und Gnade, der Freiheit der Kinder Gottes: Wir werden frei, wenn wir Christus dienen, und diese Freiheit bringt uns zu Ihm. Amen.

Predigt zum Fest des Allerheiligsten Namens Jesu am 3. 1. 2021, von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Namen.

Niemand von uns möchte namenlos sein. Namenlosigkeit macht Angst. Man spricht sogar von der namenlosen Angst. Wenn wir etwas nicht definieren können, wenn wir es nicht erklären können, wenn wir einer Situation keinen Namen geben können, sind wir unsicher und fühlen uns leicht bedroht. Andererseits sagen wir von jemandem, der eine besondere Persönlichkeit ist und etwas Besonderes geleistet hat, zu Recht: Er hat sich einen Namen gemacht.

Der Name des Menschen ist ein wesentlicher Teil seiner Existenz. Der Mensch braucht einen Namen. Wir geben unseren Kindern von Anfang an einen Namen und dieser Name wird bestätigt, erhöht und geheiligt durch die Taufe, in der er feierlich verliehen wird. Der Name des Menschen ist unveränderlich. Nach der klassischen Rechtsprechung ist dieser unveränderliche Name mit der Identität des Menschen eng verbunden. Nur wer einen Namen hat, kann gekannt werden. Nur wer einen Namen hat, kann angesprochen werden. Deswegen ist der Name exklusiv. Wir dürfen den Namen der anderen nicht missbrauchen. Wir dürfen unseren eigenen Namen nicht mit Dingen oder Taten verbinden, die nicht die unseren sind. Mit dem persönlichen Namen verbinden wir diese Exklusivität der Identität, die das Gesetz schützt und die verhindert, dass wir in die gefährliche Namenlosigkeit verfallen.

Auch gibt uns der Name die Möglichkeit, Beziehungen herzustellen. Wenn man sich begegnet, stellt man sich einander mit dem Namen vor. Durch den Namen erkennen wir Familenzugehörigkeiten. Geliebte Menschen und Familienmitglieder nennt man gerne beim Vornamen. Aber auch, wenn jemand etwas verbrochen hat, wenn etwas nicht gut war, fragen wir nach dem Namen, damit wir den identifizieren können, der verantwortlich ist. Sogar wenn wir beten, wenden wir uns nicht an namenlose Geister, sondern wir wenden uns an Gott, Seine Engel und Heiligen mit den Namen, die wir aus Schrift und Tradition kennen. Selbst wenn die Kirche in der Macht, die Christus ihr gegeben hat, Exorzismen über die Dämonen betet, dann muss der Priester nach dem Namen fragen, denn wenn der Name fällt, dann hat die Kirche Gewalt, den Dämon auszutreiben. Der Name, auch der Name der gefallenen Engel ist so stark, dass Macht damit verbunden ist, ihn zu wissen.

Aber über allen diesen Namen, über den Namen der Menschen, über den Namen der Engel, über den Namen der Heiligen steht jener Name, den die Kirche uns heute vorschreibt zu feiern: Der Name Jesu, der Name, vor dem sich alle Knie beugen, der Name, in dem allein Heil ist. Jesus ist eine Verkürzung des hebräischen Namens Joschua, Gott ist der Retter, Gott ist der Befreier, Gott ist der Herr. Im 1. Kapitel des Matthäus-Evangeliums wird darin zurecht eine Erfüllung jener Prophezeiung gesehen, dass der Erlöser Emmanuel ist, nämlich der Gott mit uns, der nahe Gott, der Sich um Seines Namens willen jedes Einzelnen erbarmt, der uns beim Namen gerufen hat, der unseren Namen kennt und dessen Name uns gegeben ist, damit wir gerettet werden können.

Jesus ist wirklich ein naher Gott, deswegen hat er für uns einen menschlichen Namen angenommen. In diesem Namen handelt die Kirche. Sie betet im Namen Jesu, sie spendet die Taufe im Namen Jesu und der anderen göttlichen Personen. Die Sakramente werden niemals gespendet, ohne dass der Name des Herrn über uns ausgerufen wird. Der Name Jesu Christi ist der Name, der gleichsam in jedem Tabernakel fleischgeworden gegenwärtig ist, der Name der Kraft, der Gewalt, der Größe Gottes. Wegen dieser Majestät des göttlichen Namens wurde im Alten Testament der Name Gottes selten ganz geschrieben und niemals ausgesprochen.

Wir aber haben einen menschgewordenen Gott. Er hat uns Seinen Namen gegeben, damit wir Ihn rufen können. Er hat Sich uns mit Seinem Namen vorgestellt. Er hat uns gleichsam durch Seine Barmherzigkeit in der Anrufung Seines Namens Macht über Sich gegeben, und Er hat diesen Namen ausgerufen, damit Sein heiliges Volk, die Kirche, in diesem Namen geschützt wird. Wir dürfen sogar im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes beten und mit Jesus ausrufen: Abba, Vater!

Die ganze Majestät der göttlichen Namen aber ist im Namen Jesu vereint: Als während der Türkenkriege des 17. und 18. Jahrhunderts die Franziskaner den Namen Jesu und seine Verehrung verbreitet haben, da haben die Christen diesen Namen angerufen, um die große weltliche Gefahr zu bannen, in der sie standen. Als dann nach der entscheidenden Schlacht Innozenz XIII. auf Betreiben Kaiser Karls VI. das Fest des heiligen Namens Jesu 1712 in der ganzen Kirche eingeführt hatte, wussten die Menschen: Wenn wir den Namen Jesu aussprechen, dann haben wir Schutz, dann sind wir unter der behütenden Macht des Herrn Selber, dann wissen wir, dass Seine Kraft und Seine Gnade siegen, dann gibt eine keine namenlose Angst!

Deswegen wollen wir auch heute, an diesem Festtag und an jedem Tag des Neuen Jahres den Namen Jesu auf uns herabrufen. Das ist der Name, in dem alle Gewalt des Himmels und der Erde beschlossen ist und vor dem sich alle Knie beugen sollen, im Himmel und auf Erden. Wenn wir diesen Namen täglich oft aussprechen im Jesusgebet, im Kreuzzeichen, als Stoßgebet, wenn wir diesen Namen mit Ehrfurcht behandeln und ihn nicht missbrauchen in gedankenloser Rede, wenn dieser Name uns voranleuchtet, dann wissen wir: Ja, Gott ist unser Retter, Gott ist unser Befreier, Gott ist der Herr, der Emmanuel, der Gott-mit-uns: Er verlässt uns nicht! Sind wir sicher mit der ganzen Kirche, der Herr hat Sich einen Namen gemacht, einen einzigartigen Namen, der alle dunkle Namenlosigkeit bekämpft und in dem wir gerettet sind, denn dieser heiligste Name wird von der Kirche täglich über uns ausgerufen und wir alle stehen unter Seinem Schutz!

Amen.

Predigt zum 5. Sonntag nach Ostern, dem 14. Mai 2023, Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

„Seid Befolger des Wortes und nicht nur Hörer, sonst betrügt ihr euch selbst.“ (Jak 1,22) Diese oft erlebte Dichotomie, diese Spaltung zwischen dem Glauben, den wir wohl bekennen, und unserem Leben, das diesem bekannten Glauben dann doch nicht folgt, liegt an unserer gefallenen Natur. Diese sündhafte Trennung zwischen Glauben und Leben müssen wir ein ganzes christliches Leben lang zu überwinden suchen. Der heilige Papst Johannes Paul II. sagt das in seiner berühmten Enzyklika Veritatis splendor ganz eindeutig: „Kein Riss“, so sagt der Papst, „darf die Harmonie zwischen Glauben und Leben gefährden. Die Einheit der Kirche wird nicht nur von den Christen verletzt, die Glaubenswahrheiten ablehnen oder verzerren, sondern auch von jenen, die die sittlichen Verpflichtungen verkennen, zu denen sie das Evangelium aufruft.“

Wir müssen das Wort Gottes also nicht nur hören, sondern wir müssen es tun. Die Bedingung dazu, dass wir das Wort hören und es befolgen können, ist aber, dass wir es verstanden haben, dass wir die Wahrheit, die das Wort Gottes enthält, wirklich erkennen und nicht in eine falsche Richtung gehen und meinen, wir könnten nach unserem eigenen Gutdünken und unserer eigenen Interpretation der Schrift folgen. Man kann nicht dem Willen Gottes entsprechend leben, wenn man die Schrift alleine nach eigenem Gutdünken auslegt oder die Auslegung der Kirche, die allein vom Heiligen Geist als die wahre garantiert ist, ablehnt und sich selber neue Lehren zurecht macht. Es ist deswegen eine wichtige Bedingung des richtigen Verstehens des Wortes und der richtigen Ausführung des verstandenen Wortes, dass wir uns an die reine katholische Lehre halten.

Gestern hat die Kirche den großen heiligen Kardinal Robert Bellarmin gefeiert, der in einer Zeit, wo die sogenannte Reformation die Heilige Schrift nach eigenem Gutdünken erklären wollte, uns darauf hingewiesen hat, dass zum richtigen Glauben und zum richtigen Handeln die Reinheit der Lehre gehört. Er sagt in einer seiner Predigten: „Die Reinheit des Glaubens ist es also, wodurch sich unsere Religion vor allem Weltlichen besonders auszeichnet. Denn während alle Religionsgesetze der Philosophen, Heiden und Ketzer neben einigen Wahrheiten viele offenbare Lügen und der Frömmigkeit und Ehrbarkeit sicher widerstrebende Regeln enthalten, kann sich nur unsere heilige Kirche rühmen, dass sie das untadelhafte Gesetz des Herrn ohne die Hinzusetzung eines Irrtums besitzt, was ein ausreichender Beweis dafür ist, dass nur allein unser Gesetz Gott zum Urheber hat.“

Wenn wir wissen wollen, was das Wort Gottes beinhaltet und was seine Wahrheit für unser Leben bedeutet, ist es wichtig, dass wir die vom Heiligen Geist inspirierten und getragenen Wahrheiten der Kirche, wie sie sich in der katholischen Lehre seit der Offenbarung durch Jesus Christus immer erhalten haben, genau kennen, dass wir sie leben und dass wir uns ihnen geistig und in unserer konkreten Existenz dankbar unterwerfen. Wenn wir unserem eigenen Wort folgen, wenn wir im Ungehorsam zur Lehre der Kirche leben, dann werden wir vielleicht das Wort Gottes hören, aber wir werden es missverstehen, wir werden in die Irre gehen und werden das Wort Gottes nicht in die Tat umsetzen.

Deswegen ist es außerordentlich wichtig, dass der, der das Wort Gottes hört und es befolgen will, sich als ein Glied der Kirche versteht. Denn die Gliedschaft der Kirche, die Tatsache, dass wir Glieder im mystischen Leib Christi sind, der die Kirche ist, rettet uns davor, selbst zu interpretieren, eigenmächtig zu handeln und einen Glauben zu erfinden, der mit der Lehre Jesu Christi nichts mehr gemein hat.

Deswegen hat auch das Zweite Vatikanische Konzil, das die Einheit der Kirche und ihre Identität mit dem Leib Christi betont, unsere Verbindung mit der Kirche und ihrem inneren und äußeren Leben unterstrichen. Es zitiert dabei wieder den großen Kirchenlehrer Robert Bellarmin, dessen berühmte Definition für die Kirche auch heute noch gilt. In dem Dekret für die Ostkirchen (Nr. 2) lehrt das Konzil: „Die heilige katholische Kirche ist der mystische Leib Christi und besteht aus den Gläubigen, die durch denselben Glauben, dieselben Sakramente und dieselbe oberhirtliche Führung im Heiligen Geist organisch geeint sind.“

Die katholische Lehre lädt uns ein und hilft uns, wahre Hörer des Wortes zu sein. Die sieben heilswirksamen Gnadenzeichen der Sakramente stehen uns dann bei, das, was wir aus der Lehre der Kirche als wahre Hörer des Wortes verstanden haben, je nach unserem Stand zu leben oder, wenn wir zu schwach gewesen sind, um den Glauben zu leben, in der heiligen Beichte zu Gott zurückzufinden, unser Ohr wieder neu der Wahrheit zu öffnen und unser Leben so zu ordnen, dass wir die Wahrheit nicht nur gehört haben, sondern sie dann durch uns auch verwirklicht wird. Mit Hilfe der Sakramente können wir das dauernde und unveränderte Lehramt der Kirche zu allen Zeiten zum Maßstab unseres Handelns machen. Darüber hinaus dürfen wir erfahren, dass die mit dem göttlichen Gesetz unverbrüchlich verbundene überlieferte hierarchische Ordnung der Kirche uns in unserer Schwäche ebenfalls hilft, nicht nur das Wort zu hören, sondern dieses Wort auch zu tun. Wenn wir mit diesen drei Banden mit der heiligen Kirche, dem mystischen Leib Christi, verbunden bleiben – mit der Reinheit der Lehre, mit der Fülle der Sakramente und mit der bewährten Ordnung -, dann werden wir nicht in die Irre gehen, wir werden die Kraft finden, nicht nur zu hören, sondern auch zu tun.

Auf diese Weise werden wir erleben, dass das Wort Gottes das „vollkommene Gesetz der Freiheit“ ist, wie der Apostel Jakobus lehrt (Jak 1, 25), und uns die „Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8, 21) verleiht, wie der Völkerapostel unterstreicht. Wort und Gesetz Gottes engen uns nicht ein, unterdrücken uns nicht, sondern machen uns frei von Irrtum und Sünde! Sie öffnen unser Herz, machen die Augen unseres Glaubens sehend und stärken das innere Gehör des Gewissens für die Wahrheit. Wer deswegen ganz in der Kirche leben wird, wer sich ihrer Überlieferung in Lehre, Sakramenten und Disziplin öffnet, wird wahrer Hörer des Wortes, und er wird von Gott durch Seine Gnade die Kraft bekommen zu tun, was er gehört hat. Amen.

Predigt zum Sonntag vom guten Hirten, dem 23. April 2023, Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wie meisten von ihnen wissen, halten wir hier in Engelport Schafe. Letztlich haben wir zwei von diesen Schafen eine neue Weide voll frischem Gras und frischen Kräutern gegeben. Trotzdem sind sie durch eine kleine Öffnung im Gitter irgendwohin gegangen, wo es statt Gras nur Dornen gab und wo sie auch nichts zu trinken hatten. Schließlich hat dann einer unserer Kanoniker sie wieder auf die frische neue Weide zurückführen müssen.

Wenn der Herr von Schafen und Hirten spricht, dann weiß Er nicht nur genau über die Schafe Bescheid, denn Er kannte sie wie wohl alle Juden seiner Zeit aus eigener Erfahrung, sondern Er weiß auch genau über uns Becheid. Diesen vielleicht auf den ersten Blick wenig schmeichelhaften Vergleich verwendet Er nämlich, weil wir tatsächlich oft genug mit Schafen zu vergleichen sind. Schafe sind Herdentiere. Sie tun gern, was alle anderen tun und laufen den anderen blökend nach. Wer könnte von sich sagen, dass er das nicht auch schon in seinem Leben getan hätte? Das, was alle tun, das, was keinen Anstoß erregt, das, was gerade modern ist zu tun, das tun wir manchmal alle, so wie die Schafe, die der Herde gedankenlos hinterherlaufen.

Schafe werden leicht ängstlich und verwirrt. Sobald irgendwo ein unbekanntes Geräusch oder gar einen Hund auftaucht, sind sie alle verschreckt, laufen wirr durcheinander und wissen nicht mehr, was sie tun sollen. Wie leicht kann man nicht die Menschen mit Angst und Zweifel in die Irre führen. Wir haben in der Geschichte unseres Volkes im vorigen Jahrhundert und wieder ganz kürzlich erlebt, wie stark die Angst als Instrument der Herrschaft sein kann. Wir sind dann wie Schafe, nicht weniger verwirrt, nicht weniger kopflos, und wir wissen nicht mehr, was wir tun sollen.

Die Schafe folgen ihrem Nahrungstrieb und ihren anderen Instinkten. Auf der anderen Seite des Zaunes glauben sie immer, dass das Gras grüner und die Blumen schöner blühen. Wie oft sind nicht auch wir von unseren niederen Instinkten bewegt! Wir glauben, dass es anderswo besser ist, besonders weg von den Geboten Gottes. Wir vergessen, dass wir überall da, wohin wir in dem Glauben gehen, dass es dort besser ist, auch uns selbst mitbringen und auch dort sind wir dann nicht wirklich in der Lage, unsere Leidenschaften zu zügeln. Wir sind wie die Schafe, die aus dem Zaun der Gebote ausbrechen, weil sie glauben, draußen sei es besser und dann doch nur Durst und Dornen finden.

Schafe sind nicht immer vernünftig. Man sagt nicht umsonst von jemandem: Du bist ein dummes Schaf. Aber sind wir immer vernünftig? Lassen wir uns nicht oft von Hass, Neid und Lust bestimmen, so dass unsere Vernunft nicht mehr die erste Geige spielt, sondern alle möglichen anderen Beweggründe uns dazu bringen, etwas Unvernünftiges und schließlich für uns und andere Schädliches zu tun? Handeln wir nicht auch da wie die vom Instinkt getriebenen Schafe?

Schließlich sind die Schafe immer verletzlich und gefährdet. Hier, wo offensichtlich die Wölfe wiederkommen, müssen wir unsere Schafe beschützen. Wir wissen, sie können sich nicht selbst verteidigen. Sie können manchmal sogar den Wolf und andere Gefährdungen nicht erkennen und setzen sich Dingen aus, die ihnen das Leben kosten könnten. Wie oft ist es nicht in unserem Leben auch so gewesen? Wir wissen ganz genau, dass wir gefährdet sind und verletzlich sind. Nicht nur von Krankheiten, nicht nur vom Tod, sondern von vielen anderen geistigen Gefahren und Irrtümern, die wir nicht gleich erkennen und denen wir zum Opfer fallen. Auch wenn wir die Gefahren erkennen, handeln wir oft genug unvernünftig und kurzsichtig, eben wie Schafe.

Das sind die Gründe, warum der Herr uns mit den Schafen vergleicht. Darum brauchen wir wir alle einen guten Hirten brauchen! Es gibt keine autonomen Schafe, genauso wenig wie es autonome Christen gibt. Wenn wir uns selbst zu bestimmen versuchen, dann werden wir wie die Schafe der Herde nach in die Irre laufen. Wir brauchen deswegen einen guten Hirten, der die Schafe genau kennt, der weiß, wie die Herde sich bewegt, der jedes einzelne Schaf beim Namen rufen kann und der manchmal auch seinen Hirtenstab verwendet, um diejenigen, die besonders widerspenstig sind, auf den guten Weg zurückzuführen.

Der gute Hirte leitet und beschützt die Schafe, und zwar manchmal auch vor sich selbst. Denn wir wissen aus eigener Erfahrung, auch aus der Erfahrung in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, dass die Menschen oft vor sich selbst geschützt werden müssen. Sie sehen den Sinn der Gebote Gottes, die sie doch beschützen und zum jetzigen und zum ewigen Heil führen, nicht ein. Jugendliche wissen oft alles besser, selbst Gott gegenüber.  Aber wenn wir ihnen, manchmal sogar mit heilsamem Zwang, den richtigen Weg zeigen, dann tut ihnen das gut. Am Ende ihres Lebens sind sie denen, die sie erzogen haben, dankbar, dass man sie nicht den Dornen ausgeliefert hat. So ist es mit allen Christen, gleich welchen Alters und Standes!

Der gute Hirte weiß nämlich besser als die Schafe, was gut für sie ist. Die Schafe denken immer, woanders schmecke das Gras besser. Wir denken leicht, wo Gott uns scheinbar nichts zu sagen hat oder wo wir gleichsam durch die kleine Öffnung im Zaun seiner Gebote schlüpfen können, da wird es uns dann richtig gut gehen. Aber in Wirklichkeit schaden wir uns!  Wir wissen nicht, was auf der anderen Seite auf uns wartet. Wir haben den Wolf nicht in seiner ganzen Grausamkeit erkannt. Wenn wir aber den Geboten Gottes nicht folgen, wenn wir meinen, unseren eigenen Willen und unseren eigenen Kopf durchsetzen zu müssen, dann gehen wir in die Irre und stürzen den Abgrund herab, der gleich hinter der vermeintlich grünen Wiese beginnt. Vertrauen wir also dem guten Hirten und verstehen wir endlich, dass Er es besser weiß als die Schafe! Deswegen hat Gott uns die zehn Gebote gegeben, deswegen gibt es die göttliche Offenbarung, deswegen gibt es die Lehre der Kirche, damit wir trotz unserer Kleinheit und Beschränktheit den größeren, besseren, gesünderen Weg für unseren Leib und unsere Seele finden, den Weg des Heils, den der gute Hirte uns anleitet zu gehen.

Schließlich dürfen wir sicher sein, dass dieser gute Hirte, der Bischof unserer Seelen, keine Angst hat, für uns Sein Leben zu geben. Er hat es verloren am Kreuz, damit wir es gewinnen. Er hat, damit wir an Ihn glauben, klar gezeigt, dass Er der Sieger über den Tod ist und ist von den Toten auferstanden, Er wird uns immer mit seinem Leben verteidigen, Ihm sollen wir folgen! Nicht der kopflosen Menge, nicht alten Irrtümer und billigen Verführungen, sondern der wahren Lehre Jesu Christi, so wie sie uns in den Geboten Gottes und in den Verkündigungen der Kirche aller Zeiten klar mitgeteilt wird.

Für die menschlichen Schafe, die wir alle sind, und auch für die menschlichen Hirten, die nicht weniger Schafe sein können, gilt das Gebot der Klugheit, nicht der Menge, sondern dem einen guten Hirten ohne Zögern zu folgen. So hat es schon Gott dem Moses im Buch Exodus (23,2) offenbart: „Non sequeris turbam ad faciendum malum nec in iudicio plurimorum adquiesces sententiae, ut a vero devies“; „Du sollst nicht der Menge folgen zum Bösen, noch dich einem Urteil der Mehrheit anschließen, sodass du von der Wahrheit abweichst.“

Nicht die Menge, nicht die Masse, nicht die große Herde führt uns den richtigen Weg! Es ist vielmehr der eine Hirt, Jesus Christus, der Herr, dem wir folgen sollen; der eine Hirt, der Gottmensch, der uns klare Worte, Gebote, Lehren und heilswirksame Zeichen in Seiner Kirche hinterlassen hat; der eine Hirt, der wahre Erlöser, der die Schafe, die ihm folgen, zu der einen klugen Herde macht und dann dahin führt, wo in Ewigkeit immer grünes Gras wächst und immer frischer Trank zu haben ist.

Der gefallene Mensch, d.h. jeder von uns, ist immer davon bedroht, ein dummes Schaf zu werden und den Instinkten, der Macht und der Angst zu folgen. Deswegen sollen wir uns gesagt sein lassen: Sei kein Schaf! Folge nicht der blinden Menge, folge nicht der lauten Masse, sei kein dummes Schaf. Folge Jesus Christus, unserem Gott und Herrn, dem einzigen, wahren, guten Hirten! Er allein führt zum Heil! Amen.

Predigt zum Fest der Hl. Familie, am 10. Januar 2021, Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Warum wird die Familie heute immer heftiger angegriffen? Sie wird angegriffen, weil sie, sei es als natürliche oder christliche Familie, eines der größten Geschenke Gottes an die Menschheit ist.

Jeder wird in einer Familie geboren und diese Familie hat so viele gute Seiten, dass wir ohne sie weder sein noch leben könnten; ohne sie wären wir nicht, was wir sind; ohne sie würden wir nicht lernen, in Gemeinschaft zu leben und ohne diese Familiengemeinschaft auch Gott in der Kirche nicht richtig verehren. Die Familie ist von so großer Wichtigkeit, dass unser alter Feind, der uns nur Böses will, sie angreift, wo er eben kann. Am Fest der Heiligen Familie wollen wir uns daher auf das große Geschenk besonders der christlichen Familie besinnen, denn Gott Selbst hat entschieden, in einer Familie Mensch zu werden, damit wir sehen können, dass die Familie so wichtig ist, dass Er durch Seine Gegenwart in der Heiligen Familie die natürliche Familie besonders heiligen und mit übernatürlichen Gaben stärken wollte.

Zunächst schenkt uns die Familie Gemeinschaft. Wir wissen, dass der Mensch ein Gemeinschaftswesen ist, dass er nicht allein leben kann. Wenn wir vereinzelt sind, dann sind wir verletzlich! So brauchen wir gleich von Anfang an, gerade dann, besonders wenn wir als Kleinkinder und Kinder, als Jugendliche verletzlich sind, den Rahmen der Familie. Wir brauchen diejenigen, die uns schützen, die uns helfen, die uns zur Seite stehen, die uns erziehen, damit wir eben nicht vereinzelt und manipulierbar sind, sondern einer Gemeinschaft leben können, die uns hilft, menschlich zu handeln und die uns als Christen zu Gott führt. Die Familie gibt uns eine außerordentliche Geborgenheit. Wer alleine leben muss, der weiß, wie schwierig das oft ist. Auch wer allein ist, wird durch die weitere Familie und den Freundeskreis Geborgenheit suchen.

Die Familie gibt uns aber jene Geborgenheit, die wir brauchen, damit wir uns nicht in der Kälte dieser Zeit verlieren. Sie gibt uns die Geborgenheit des Zuhauses, des Behütetseins, des Umgebenseins von liebenden Menschen, an die wir uns wenden können, wenn wir allein sind oder uns traurig fühlen. Selbst wenn in keiner auch noch so guten Familie alles ideal ist, wenn die Familienmitglieder schwache Menschen mit Grenzen und Fehlern sind, so gibt der Zusammenhalt der Familie doch eine Kraft, die wir allein schwer erringen können

Darüber hinaus gibt die Familie uns das, was der Staat uns nicht geben kann, nämlich persönliche Sicherheit. In der Familie, besonders der christlichen Familie, kann sich der eine auf den anderen verlassen. Das mag nicht immer ohne Spannungen abgehen, aber im Letzten hält doch die Familie meist zusammen, wenn es darum geht, Schwierigkeiten zu überwinden und auch ganz einzigartige Situationen zu ertragen. Wie viel einfacher ist es nicht, in einer Familie zusammen zu sein, wenn der Tod an die Türe klopft? Wieviel einfacher ist es nicht, sich in der Krankheit behütet zu fühlen, wenn die Familienmitglieder sich um uns kümmern? Wie viel einfacher ist es nicht, sich in Sicherheit zu wissen, wenn wir selbst uns in Schwachheit und Alter nicht mehr um unsere eigenen Dinge kümmern können, aber die anderen Familienmitglieder uns zur Seite stehen, damit wir besser leben können. Die christliche Familie schenkt uns diese einzigartige gegenseitige Hilfe, denn diese gegenseitige Hilfe ist leider nicht mehr selbstverständlich. Manchmal muss man sich überwinden, auch in der Familie, um dem anderen gegen den eigenen Egoismus beizustehen. Jeder muss sich gleichsam zurücknehmen, damit er in der Familie dem anderen Hilfe leisten kann. Diese Hilfe ist eben keine bezahlte, sondern eine opferbereite Hilfe. Sie ist eine Hilfe, die wir freiwillig leisten, weil wir uns in dem Rahmen der Familie gegenseitig stützen. Wir tun das in der berechtigten Hoffnung, dass die Familie auch uns zur Seite steht und uns ebenso hilft, wenn wir sie brauchen.

Die Familie schenkt uns ebenfalls eine einzigartige Eingebundenheit. Wir sind nicht allein, sondern wir sind in einem großen Ganzen eingebettet, einem Ganzen, das nicht nur die kleine Familie umfasst, sondern, wie wir es an der Heiligen Familie sehen, auch die Großfamilie, die wir in diesem besonderen Fall die Heilige Sippe nennen. Wir sehen, dass sich die Heilige Familie auch auf den weiteren Familienkreis verlässt. Der Herr, der verloren gegangen scheint, wird zuerst im Familienkreis gesucht, sucht, schon vorher besucht die hl. Jungfrau ihre Cousine Anna, oft befindet sich die Gottesmutter im Familienkreis, gegenseitig stützt, die Apostel sind teilweise Vettern des Herrn, der auch in eine Großfamilie eingebunden ist. So könne auch wir, wenn es schwierig wird, dem christlichen Glauben zu folgen, in der größeren Familie, ja in der Familie der Kirche Stütze finden, denn es findet sich immer jemand, der uns hilft, der mit uns glaubt und für uns betet.

Die Wichtigkeit der Familie aber zeigt sich in einer ganz besonderen Weise dadurch, dass die Familie für viele auch das Tor zur Kirche ist. Denn weil die christliche Familie auf das Sakrament der Ehe aufbaut, weil die Familie uns einführt in den Glauben, weil die Familie dafür sorgt, dass die Kinder getauft werden, deswegen ist die Familie auch das Tor zu jener größeren Familie, zur Familie der Kirche. Die Familie der Kirche wiederum ist eine geistliche Familie, in der viele Familien Platz haben, die so, wie unser Institut Christus König, die heilige Familie nachzuahmen suchen. In der Familie der Kirche sollen wir uns in einem gemeinsamen Streben nach Heiligkeit gegenseitig darauf hinweisen, dass jede Familie, sei es die natürliche Familie, sei es die christliche Familie, sei es die geistliche Familie, offen ist auf die Gemeinschaft mit Gott und letztlich ohne diese Gemeinschaft nicht leben kann.

Um das zu verwirklichen, müssen wir in der Familie Demut und Selbstvertrauen lernen. Wenn wir wirklich die Gemeinschaft der Familie erhalten, dann findet jeder darin seinen Platz. Das bedeutet aber, dass jeder sich in der Demut übt, dass er sich nicht an den Platz eines anderen stellen will, dass er sich nicht wichtig machen will, dass er nicht immer recht haben will, dass er auch demütig verzeihen und Verzeihung entgegennehmen kann, das er Opfer bringen muß. Wir können nur dann in der Familie leben, wenn wir auf unserem eigenen Platz sind und an unserem Platz unsere Pflicht erfüllen. Familienleben gibt uns deswegen die Möglichkeit, Demut und Opferbereitschaft zu lernen.

 Dadurch, dass die anderen in der Familie ebenso ihren Platz ausfüllen und uns gleichzeitig an unserem Platz das Gefühl geben, gebraucht zu werden, gibt uns die Familie auch Selbstvertrauen. Denn ohne die Familie wären wir nichts. Ohne die Familie wären wir nur ein kleines anonymes Rad im Gesamt eines kalten Staates. Wir wären nur noch Teil des Arbeitsprozesses und kalkulierbarer Konsument! Weil wir aber in der Familie demütig unseren Platz einnehmen und ausfüllen, weil wir so anderen helfen und dienen, werden wir gebraucht und haben das Selbstvertrauen des Familienzusammenhaltes, das nicht leicht erschüttert werden kann, wenn wir als Einzelne uns in die christliche Familie einordnen. Das gibt uns dann auch jene emotionale, gefühlsmäßige Stabilität, die wir brauchen, um in der Härte des Lebens zu bestehen.

Als Erzieher junger Menschen merken wir leicht, wenn jemand aus einer gebrochenen Familie kommt. Was für ein großes Geschenk ist es nicht, eine gesunde christliche Familie als Hintergrund zu haben! Die emotionale Stabilität, die die Einheit der Familie von Mutter, Vater und Kindern gibt, kann nur dann weitergegeben werden, wenn wir sie empfangen haben. Deswegen will der böse Feind die Familien zerstören, damit wir unsicher werden und damit wir nicht die christliche Liebe weitergeben können, weil wir sie nicht empfangen haben. Die Familie ist gleichsam der Nährgrund dieser Liebe. Jeder, der durch eine christliche Familie gegangen ist, auch wenn Kreuz und Schwierigkeiten in einer solchen Familie nie fehlen, der kann geben, was er empfangen hat, nämlich die Liebe und Sicherheit, deren Hort die Familie ist.

Wenige Bedingungen, die wir alle leicht erfüllen können, tragen dazu bei, dass unser Familienleben dem Leben der Heiligen Familie täglich mehr gleicht.

Zunächst einmal müssen wir uns vornehmen, miteinander Zeit zu verbringen. Gott hat uns Zeit geschenkt, damit wir sie den einzelnen Familienmitgliedern schenken. Wie wichtig ist es, dass der Vater sich um seine Kinder kümmert! Wie wichtig ist es, dass die Mutter nicht nur immer beschäftigt ist, sondern auch mit den Familienmitgliedern Zeit verbringt! Wie wichtig ist es, dass die Kinder nicht aus dem Haus laufen, weil keiner Zeit für sie hat, sondern wissen: Dort sind Eltern, an die ich mich wenden kann, die Zeit mit mir verbringen und die mir zur Seite stehen! Dann werden die Kinder auch für die alt gewordenen Eltern Zeit haben, weil man Zeit für sie gehabt hat.

Das bedeutet auch, dass wir miteinander reden. Heute sitzen wir viel zu oft vor dem Fernsehen, sind viel zu oft vom Handy oder vom Computer völlig belegt. So entsteht gegenseitiges Unverständnis und ungutes Schweigen: Jeder starrt nur auf irgendeinen Apparat, man blickt sich nicht mehr an, man kennt das Herz des anderen nicht mehr. Schalten wir Fernseher, Computer und Handy ab! Reden wir miteinander! Nur wer redet, dem kann auch geholfen werden, nur wer redet, der kann Verzeihung geben und annehmen. Nur wer redet, der kann den anderen verstehen lernen und seine eigenen Sorgen den anderen mitteilen. Dass wir miteinander reden, dass wir am Tisch zusammen essen, dass wir Dinge gemeinsam tun, die uns die Gelegenheit geben, Familie zu werden und als Familie zu leben, ist entscheidend wichtig.

Aber über allem ist es ganz besonders bedeutend, dass wir wie die heilige Familie auch gemeinsam beten. Dass wir nicht nur die Tischgebete gemeinsam sprechen, sondern dass wir auch jeden Tag wenigstens eine Weile zusammen beten, einen kleinen Augenblick innehalten, um Gott für die Familie zu danken und Ihn darum zu bitten, unsere Familie zu segnen. Die Heilige Familie soll dann in unserer Mitte sein, und wir sollen mit ihr eine Gebetsgemeinschaft bilden, damit wir auch gemeinsam als Familie am Sonntag zur Messe gehen können, um Gott zu loben und zu danken für all das, was Er uns in der Familie geschenkt hat.

Wenn wir das tun, dann ist das Ideal der Familie, das jetzt gezeichnet worden ist, keine Utopie. Sicherlich gibt es in jeder Familie Streit, Auseinandersetzungen, Schwierigkeiten, Tod und vielleicht sogar Not. Aber wenn wir Gott in den Mittelpunkt stellen, wenn wir gemeinsam beten, wenn wir gemeinsam zur Messe gehen, wenn wir ein Glaubenszeugnis geben, auch da, wo man es vielleicht nicht mehr hören will, da beginnt die Familie zu wachsen und wirklich christlich zu werden. Dann haben wir noch mehr Kraft, miteinander zu sprechen und einander zu verzeihen. Dann wird es auch möglich sein, Zeit miteinander zu verbringen, weil Gott in unserer Mitte ist.

Dadurch werden unsere Familien wie die Heilige Familie ein Abbild der Trinität, ein Abbild jener inneren Gemeinschaft Gottes, die ebenso eine Art Familie bildet. Gott ist Gemeinschaft! Gott hat in einer Familie Mensch werden wollen! Je mehr wir unsere Familien als christliche Familien begreifen, je mehr wir uns auf das Fundament besinnen, das Gott uns gegeben hat, desto mehr werden unsere Familien glücklich sein, desto mehr werden wir uns gegen alle Angriffe auf die Familie wehren können und desto mehr wird gelten für unsere Familie: My home is my castle, mein Haus ist meine Burg! Wo Gott im Mittelpunkt der Familie ist, wo alle einander um Gottes willen dienen, wo alle Familienmitglieder sich im Gebet vereinen, bleibt die Familie stark und wird immer mehr zur christlichen, ja zur heiligen Familie! Amen.

Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am 16. April 2023 (Weißer und Barmherzigkeitssonntag, Primiz und Erstkommunion)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Hochwürdiger lieber Neupriester, liebes Kommunionkind, liebe Kanoniker, Geliebte im Herrn!

Dominus meus et Deus meus, Mein Herr und mein Gott! (Jo 20, 28). Der Apostel Thomas hat an die Gottheit Jesu Christi erst geglaubt, als er Ihn gesehen hat und seine Hände in Seine Wunden legen konnte. Der Herr weiß, dass wir, um glauben zu können, der Vermittlung von sichtbaren Zeichen bedürfen. Deswegen sind die drei großen Geheimnisse, die wir heute durch eine Fügung der göttlichen Vorsehung gemeinsam feiern können, durch das Geheimnis der Mittlerschaft verbunden: die göttliche Barmherzigkeit, das Priestertum Jesu Christi und der Kirche sowie die heilige Eucharistie.

Liebe ist für den Menschen immer vermittelt. Sicher können und sollen wir uns selbst in einem gewissen Maß lieben, aber in unserem Herzen ist eine größere Sehnsucht, eine tiefe Sehnsucht nach Liebe und Erfüllung, die uns nur – und immer nur – eine andere Person schenken kann. Das ist in der Ehe der Ehegatte, in der Freundschaft der Freund oder die Freundin, das ist in unserer Beziehung zu Gott der Herr Selbst, Der sich uns barmherzig naht.

Liebe ist immer vermittelt. Zunächst vermittelt im undurchdringlichen Geheimnis der göttlichen Dreifaltigkeit. Der Vater liebt den Sohn durch die Vermittlung des Heiligen Geistes, der die Brücke einer ganz göttlichen und geheimnisvoll personhaften Liebe zwischen der ersten und der zweiten Person der göttlichen Trinität bildet. Auch im inneren geheimnisvollen Leben Gottes ist die Liebe vermittelt, und zwar durch den liebenden Gott Selbst.

Um uns die Teilhabe an der trinitarischen Liebe schenken zu können, hat der Allmächtige Gott uns wiederum einen Mittler, ja den Mittler für diese Welt gesandt, Der uns Seine barmherzige Liebe bringt: Unseren Herrn Jesus Christus. Er nimmt in Seiner Menschwerdung, um Mittler sein zu können, unsere Natur an und bleibt doch Gott, damit Er uns, geopfert als Mensch auf dem Kreuz, durch die göttliche Kraft in diesem Erlösertod die Liebe der Barmherzigkeit Gottes endgültig vermitteln kann. Christus ist Seinem Wesen nach ein Mittler! Er ist nach Seinem Wesen als Gottmensch der mittlerische Priester, den der Vater uns schenkt, damit wir die vermittelte Liebe der Barmherzigkeit in unsere Herzen hineinnehmen können.

Deswegen ist das Mittlertum auch ein Prinzip der Kirche. Der Herr beschränkt sich nicht darauf, als der Mittler unseres Heils am Kreuz zu sterben, sondern Er hinterlässt uns die vermittelte Liebe in Seinem eigenen Priestertum. Er schenkt der Kirche nicht nur Sein eigenes Hohepriestertum, mit dem Er ein für allemal uns die Liebe Gottes am Kreuz vermittelt hat, sondern Er sendet uns menschliche Mittler, Mittler, an denen wir sehen können, dass Gottes barmherzige Liebe uns nicht verlässt; priesterliche Mittler, die, obwohl sie schwache Menschen bleiben und, wenn wir nicht genug für sie beten, auch fallen können, doch unmittelbar notwendig sind, damit wir an der vermittelten Liebe Gottes teilhaben können. Denn jeder priesterliche Mittler, den Christus gesandt hat – „So wie der Vater Mich gesandt hat, so sende Ich euch“ (Jo 20, 21) – hat die göttliche Kraft erhalten, durch sein Amt die Liebe Gottes in wirksamen Zeichen zu vermitteln.

Sie, lieber Herr Kanonikus Bell, sind daher schon als junger Priester mit besonderer Kraft und Macht ausgestattet, die vor dem Bösen in der Welt nicht halt zu machen braucht. Als Priester Jesu Christi vermitteln Sie den Menschen nicht nur die sichtbare Liebe und die Barmherzigkeit Gottes. Sie vermitteln ihnen in der heiligen Beichte ebenso die unendliche und immer erneuerte liebende Vergebung des Herrn. Sie vermitteln vor allem in dem großen eucharistischen Glaubensgeheimnis, das wir gleich feiern werden, uns allen die Gegenwart Jesu Christi, die auf andere Weise auch in Ihnen vorhanden ist, denn Sie sind, vor allem am Altar und bei der Sakramentenspendung, ein alter Christus, ein zweiter Christus. Sie handeln gleich bei der heiligen Wandlung in der Person Christi und machen den Herrn unter uns gegenwärtig mit Seiner mittlerischen Liebe!

Deswegen müssen wir Gott unendlich dankbar sein, dass Er uns wie dem Thomas Zeichen Seiner Liebe gibt, dass Er uns durch Sein Priestertum niemals allein lässt, dass wir in den Priestern der Kirche, mögen sie auch jung oder alt, schwach oder stark sein, Seine gegenwärtige Liebe verehren können und uns immer sicher sein können, dass es eine Brücke gibt für die Barmherzigkeit Gottes von der Ewigkeit her in unsere Welt hinein.

So sind wir besonders froh, dass wir diese Mittlerschaft heute an dem größten vermittelten Zeichen Seiner Liebe auch als Erstkommunion feiern können. Denn was der Priester gleich am Altar tut, bleibt eben nicht nur ihm selbst vorbehalten. Der Priester wandelt durch das Wort Christi Brot und Wein in Fleisch und Blut unseres Herrn, damit es uns, die wir wohl vorbereitet zur Kommunionbank gehen, gespendet wird; damit wir teilhaben an der Mittlerschaft, damit die barmherzige Liebe, die die Kirche heute besonders feiert, in unser Herz kommt, und damit wir, dadurch gestärkt, ebenfalls Mittler der Liebe werden können.

Liebes Kind, wenn du gleich zum ersten Mal den Herrn empfängst, unter den geheimnisvollen Zeichen, die die Kirche täglich feiert, dann wirst auch du an der Vermittlung der Liebe Gottes mitwirken. Du kannst, wie wir alle, mit diese göttlichen Gabe die Barmherzigkeit Gottes durch ein christliches Leben bezeugen und Du wirst so selbst ein deutliches Zeichen jener barmherzigen Liebe, die der Herr uns niemals entzieht. Dazu hilft Dir der unter der Gestalt der Hostie gegenwärtige Herr, der mit Seiner Liebe in Dein Herz kommt.

So sehen wir, dass diese Glaubensgeheimnisse der heiligen Barmherzigkeit, des Priestertums und der heiligen Eucharistie eng und untrennbar miteinander verbunden sind. Der Barmherzigkeitssonntag zeigt uns an die unendliche Barmherzigkeit Gottes für die reuigen Sünder. Durch unseren Neupriester werden wir an die bleibende priesterliche und sakramentale Gegenwart unseres Herrn erinnert. Die erste heilige Kommunion eines Kindes am Weißen Sonntag offenbart uns, dass auch wir berufen sind, Mittler zu sein in einer Welt, die der vermittelten Liebe unseres Herrn täglich mehr bedarf. Wenn wir vor diesen drei Geheimnissen stehen, dann können auch wir wie der heilige Thomas sehen und glauben. Wir können die in diesen Glaubensgeheimnissen zeichenhaft und wirkmächtig vermittelte Liebe unseres Herrn erkennen und anbeten. Daher dürfen wir mit dem Apostel Thomas und der ganzen Kirche heute froh und dankbar mit österlicher Freude rufen: Dominus meus et Deus meus, mein Herr und mein Gott! Amen.

Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am Ostersonntag, dem 9. April 2023

Im Namen des Vater und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Ohne jeden Zweifel ist die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus das wichtigste Ereignis der Weltgeschichte überhaupt. Alles hat es geändert, weil es plötzlich den Menschen eine Hoffnung gegeben hat, die sie vorher nicht hatten. Nicht nur die Hoffnung auf das ewige Leben, nicht nur die Hoffnung auf ein Fortleben nach dem Tode, sondern die Hoffnung, ja die sichere Glaubensgewissheit, dass sie, wenn sie dem Willen des Vaters entsprechen wollen, durch die Barmherzigkeit Jesu Christi teilhaben an der Gottheit in der ewigen Herrlichkeit.

Wer nicht an die Auferstehung glaubt, hat diese Hoffnung nicht. Wenn die Auferstehung nicht stattgefunden hat, dann leben wir in einer absurden Welt. Dann wäre alles, was der Herr selbst getan hat, ebenso absurd. Im 15. Kapitel des Korintherbriefes sagt uns der heilige Paulus etwas über diese Absurdität, die für diejenigen besteht, die nicht an die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus glauben:  Es wäre sinnlos, Christus zu predigen. Der Glaube an ihn wäre nutzlos. Alle Zeugen und Prediger der Geschichte, die von der Auferstehung gesprochen haben, wären Lügner. Niemand könnte von der Sünde erlöst werden. Alle Verstorbenen wären auf immer verloren. Die Christen, so schließt er diese Liste der Absurditäten, wären die bedauernswertesten Menschen. Wir können hinzufügen: Wenn Christus nicht auferstanden wäre, dann wüssten wir nicht, dass es einen barmherzigen Gott gibt, der uns liebt. Wir könnten vielleicht mit den asiatischen Mythen darauf hoffen, vom angeblich immer wiederkehrenden Rad der Zeit in eine vage Göttlichkeit aufgelöst zu werden. Wir würden aber wohl, wie die meisten heidnischen Religionen, die eine persönliche Gottheit annehmen, bis auf den heutigen Tag einen Dämon verehren, der uns gänzlich fremdbestimmt und uns unter seinen despotischen Willen zwingt, dem wir uns sklavisch unterwerfen müssten; wir wüssten nichts von der Würde der Person und ihrer gottgeschenkten Freiheit, denn wir wüssten nichts von einem barmherzigen Gott, der uns liebt.

Nun aber ist Jesus auferstanden! Wie der heilige Paulus sagt, ist er denen, die gestorben sind, voran gegangen. Diese Auferstehung ist so vielfältig bezeugt, dass ihr Zeugnis die Welt im Tiefsten verändert hat, dass alles, was in der Geschichte des Christentums an Dynamischem, an Schönem, an Großem entstanden ist, die Auferstehung als Urgrund hat. Die Auferstehung Christi führt uns zum tröstenden Glauben, dass Gott uns nicht nur liebt, sondern jeden Moment unseres Lebens mit seiner voraussehenden, begleitenden und vollendenden Liebe umgibt.

Das leere Grab; die Wolke von Zeugen für die nachösterlichen Erscheinungen des Herrn; Zeugen, die so authentisch sind wie die Apostel, die ihr Leben hingegeben haben für die Wahrheit der Auferstehung; alles, was wir vom reichen nachösterlichen Gnadenleben der Kirche wissen; die vielen Milliarden von Christen, die ihr Leben auf den Glauben an die Auferstehung aufbauen sowie die fortgesetzten Wunder und Großtaten Gottes in der Geschichte der Kirche; das alles spricht lebendig von der Wahrheit der Auferstehung und sagt uns: Ja, der Herr ist wirklich auferstanden! Es handelt sich eben nicht um einen Mythos, sondern um eine geschichtliche Wahrheit, die besser und öfter bezeugt ist als viele andere geschichtliche Ereignisse, die wir nur aus wenigen Zeugnissen kennen und die auch sonst heute kaum mehr bleibende Folgen zeigen. Unser Glaube an die Tatsache der Auferstehung aber hat wichtige Folgen.

Weil wir aus Zeugnissen und Tatsachen wissen, dass Herr in Wahrheit auferstanden ist, können wir ebenso an die Allmacht Gottes glauben. Wenn wir die Auferstehung leugnen würden, wir würden gleichzeitig den Allmächtigen Gott verkleinern, weil wir Ihm die Macht absprechen würden, Herr über Tod und Leben zu sein. Der Herr, Gott der Allmächtige, kann die Toten auferwecken! Er ist in Jesus Christus erstanden, um uns zu zeigen, dass Er der Sieger über den Tod ist, der nun nicht mehr endgültig unser Leben bedroht.

Die Auferstehung ist ebenfalls Zeugnis und Besiegelung des Sinnes der Menschwerdung und des Kreuzestodes in ihrer ganzen Wichtigkeit. Der Kreuzestod ist nicht der Tod eines bloßen Menschen, der aufgegeben hat und verurteilt worden ist, als Absurdität und Abschluss eines sinnlosen Lebens. Der Kreuzestod, das sehen wir vor allem durch die Auferstehung, ist ein wirkliches Erlösungsopfer! So wie die Menschwerdung den Sinn gehabt hat, dieses Erlösungsopfer vollziehen zu können, so bezeugt uns die Auferstehung, dass dieses Erlösungsopfer wirkliche Frucht getragen hat, die sich auf jedes einzelne Leben jedes Menschen bezieht, der an diese Auferstehung glaubt. Wir sind nicht mehr allein. Gott gibt uns die Gnade, die Christi Leben, Tod und Auferstehung uns verdient haben, jedes Mal, schon bevor wir uns bemühen können, während wir uns bemühen und wenn wir uns bemüht haben, damit wir an der Frucht der Auferstehung Anteil haben und alles in ihr vollendet wird.

Gleichzeitig ist die Auferstehung ein Unterpfand für unsere eigene Zukunft. Wir sind nicht verloren. Wir sind nicht nur in dieser Welt gerettet, sondern wir werden ewig leben, und wenn wir nur wollen und mit der geschenkten Gnade mitarbeiten, werden wir ewig leben in einer Herrlichkeit und einer Schönheit, die wir uns jetzt nicht vorstellen können. Die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, diese wohl bezeugte Tatsache, ist ein Unterpfand dafür, dass uns ein Erlöser, Gott und Mensch, vorausgegangen ist in die Ewigkeit, dass wir einst durch Ihn erweckt und an der Glorie teilhaben werden, die Er uns durch die Auferstehung bezeugt und verdient hat.

Das alles feiert die heilige Kirche am heutigen Tag: Das große, einzigartige, geschichtsumstürzende Ereignis der leiblichen Auferstehung des Gottmenschen Jesus Christus mit allen seinen wunderbaren Folgen für unser Heil. Wir haben, wenn wir an diese reichbezeugte Auferstehung glauben, eine neue Hoffnung!  Wir haben ein neues Leben!  Wir sind neue Menschen! Wir können mit dem heiligen Paulus rufen: „Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?“ (1 Kor 15, 55). Deswegen dürfen wir in den liturgischen Lobgesang der Kirche einstimmen und singen: „ Scimus Christum surrexisse a mortuis vere: Tu nobis victor rex, miserere! Amen, alleluja.

Predigt Msgr. Prof. DDr. Rudolf  Michael Schmitz am Karfreitag, den 7.4.2023

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 Niemand von uns bringt gerne Opfer. Das Leben fordert uns jedoch manche Opfer ab. Manche müssen auf Dinge verzichten wegen ihrer Gesundheit, andere wollen Sport treiben und bringen deswegen Opfer. Für viele ist es das liebe Geld oder persönliche Wünsche, die sie zum Opferbringen veranlassen. Viele bringen Opfer für Familie und Freunde. Diese Opfer sind aber oft genug halbherzig oder nur zwangsläufig. Sie sind selten ganz selbstlos, werden nicht wirklich gerne gebracht und oft lassen sie einen bitteren Geschmack zurück.

Keiner bringt gerne Opfer, aber noch viel weniger möchten wir Opfer sein. Dabei gibt es Hunderttausende von Menschen, die Opfer sind. Opfer von Ungerechtigkeit, Opfer von Krieg, Opfer von Bosheit, schließlich werden wir alle Opfer eines Todes, den wir uns nicht gewählt haben. Das gilt vor allem für die Hilflosen, wie etwa die abgetriebenen Kinder und so viele andere, die ohne eigene Schuld sterben müssen.

Diese Opfer, dieses Leid, dieses Opfersein hätte in dieser Welt gar keinen Sinn, wenn sich nicht jemand entschieden hätte, für all diese Geopferten und für die Opfer so vieler einzustehen mit Seinem eigenen, persönlichen, ganz selbstlosen Lebensopfer: Unser Herr Jesus Christus! Der Herr hat nicht nur Sein ganzes Leben lang unzählige Opfer gebracht, Er hat nicht nur in einer ständigen Entäußerung Seiner Gottheit entsagt und sich für uns in einem Leben voller Opfer hingegeben. Er ist auch das Opfer schlechthin geworden: für alles Unrecht, für alle Sünde, und für den Tod in dieser Welt. Das feierliche Gedenken an dieses Opfer begeht die Kirche an jedem Karfreitag. Aber in unserer Oberflächlichkeit, in unserem auf uns selbst gerichteten Egoismus sehen wir oft nicht, wie groß dieses Opfer ist. Schauen wir deswegen auf einige Elemente dieses kosmischen Opfers.

Zunächst müssen wir uns fragen: Wer handelt in diesem Opfer? Es ist der Allmächtige Gott Selbst, der Seinen Sohn in diese Welt schickt, damit Er einen Leib annimmt und Sich für uns opfern kann. Es handelt sich nicht um ein grausames Menschenopfer, das ein ferner Gott fordert, sondern die zweite Person der Trinität wird selbst Mensch; Gott wird Mensch, er nimmt unsere kleine und unbedeutende Existenz an, er trägt unser Elend mit, damit Er sich in Christusopfern kann für unsere Sünden. Unser Planet wäre völlig vergessen, er wäre verloren und sinnlos  in einem riesigen, unbelebten Weltall, wenn Gott, der Schöpfer, Sich nicht unserer erbarmt hätte! Er ist hat uns nicht nur nach seinem Abbild geschaffen, sondern ist nach dem Sündenfall selbst in diese Welt gekommen und hat einen Leib angenommen, den Er für uns opfern kann, damit wir wieder Hoffnung haben. Gott handelt in diesem Opfer, und Gott ist es auch, der den Gegenstand des Opfers schafft. Gott ist es, der das Opferlamm bereitet, indem Er einen Leib annimmt, einen Leib, der in der Passion, die uns heute vor Augen gestellt wird, gegeißelt und blutig geschlagen wird, einen Leib, der wirklich der Leib des Opferlammes geworden ist, das vor den Schächer geführt wird. In Seiner angenommenen Menschheit ist Er selbst das Opfer. Er Selbst nimmt alle Schlechtigkeit und alle Grausamkeit und alle Bosheit der Menschen auf sich, indem Er als das Opferlamm vor den Richter hintritt, um das ungerechte Urteil auf sich zu nehmen. Er, der Gottmensch, zögert keinen Augenblick, Sich hinzugeben für uns, die wir nichts wert wären, wenn Er uns nicht lieben würde.

Dieses Opferlamm bringt sich dar auf einem doppelten Altar. Wir werden gleich den Altar des Kreuzes verehren dürfen, jenen Altar, der der Baum des Lebens geworden ist, an dem das Opferlamm gehangen hat und Seinen letzten Blutstropfen für uns vergossen hat. Doch dieses äußere Opfer, das Opfer, das das Opferlamm sichtbar für uns bringt, würde nichts bewirken, wenn nicht der innere Altar des Herzens Jesu eine echte Opfergesinnung, den tiefen Willen des Gottmenschen, sich für die Sünder zu opfern, in sich beschlossen hätte. Der eigentliche Altar, für den das Kreuz ein sichtbares Zeichen ist, ist das durchbohrte Herz Jesu, das alles auf sich nimmt, das alles annimmt, das sich an unsere Stelle setzt und sich zerreißen lässt für unsere Sünden. Dieser doppelte Altar, der Altar des Kreuzes und der Altar des Herzens wird für uns zu dem einen Altar des Heiles. Deswegen verstehen wir auch, dass derjenige, der sich auf diesem doppelten Altar opfern läßt, identisch ist mit dem Ewigen Hohepriester ist, nach dem wunderbaren Wort des heiligen Augustinus: „Sacerdos et hostia, sacerdos suae hostiae et hostia sui sacerdocii“, „Christus ist Priester und Opfer, Priester seines Opfers und Opfer seines Priestertums.“

Jeder andere Priester, sowohl in den vielen, vergeblichen Opfern des Heidentums, als auch in den das große Opfer Christi vorbildenden Opfern des Alten Testamentes, hat immer jemand anderen oder etwas anderes opfern müssen. Christus ist der Stifter der einzigen wahren Religion, was er dadurch zeigt, das er sich als einziger für seine Gläubigen selbst aufopfert! Unser ewiger Hohepriester opfert sich Selbst in Seinem Priestertum. Er vollzieht das Priestertum Seines eigenen Opfers und Er ist selbst das Opfer Seines Priestertums. In Ihm ist daher alles Priestertum der Welt überhöht und beschlossen. Dieses Priestertum Christi lebt weiter im Priestertum unserer Kirche, wie auch das Opfer weiterlebt auf unseren Altären, weil Christus, der ewige Hohepriester, vom Kreuz herab gegenwärtig ist auf unseren Altären mit Seinem in der Ewigkeit weiterbestehenden Willen, sich für immer für die Sünder zu opfern. Wenn wir Jesus Christus, das Lamm, am Kreuz verehren, dann sehen wir den ewigen Hohenpriester, der in die Welt gekommen ist, das endgültige Opfer unseres Heiles darzubringen.

Der endgültige Moment dieses Opfers aber, den wir heute besonders ehren, ist durch das große Wort des Herrn bezeichnet: Consummatum est, es ist vollbracht! Alle Opfer, die je die Menschen, weil sie irgendwie ahnten oder wussten, dass sie die Gottheit mit sich versöhnen müssen, dargebracht haben, sind in diesem unwiederholbaren Moment zusammengefasst, in dem Ganzhingabe unseres Herrn Jesus Christus für immer besiegelt wird. Für alle Zeiten ist die Sünde damit besiegt, für immer ist der Tod gegenstandslos geworden als ein furchtbares Ende in der Sinnlosigkeit. Neue und endgültige Hoffnung ist gekommen! Denn in dem Moment, wo der Herr spricht: Consummatum est, wird der Ozean jener Verdienste, die Er durch Seine Menschwerdung und durch Seine Entäußerung ein ganzes Leben lang angesammelt hat, ganz aufgefüllt durch den ewigen Verdienst Seines Erlösertodes. In demselben Moment aber, während Seine Gottheit noch geheimnisvoll mit Seinem toten Leib verbunden bleibt, den sie wiederbeleben wird, steht er doch bereits vor dem Thron des Vaters als der Erlöser der Sünder guten Willens: Die Schleusen des Ozeans Seiner Verdienste werden durch das menschgewordene glorreiche Wort Gottes geöffnet, damit wir aus Seiner Barmherzigkeit die Gnade erhalten können, nicht ewig unterzugehen.

Dieser Moment ist so dramatisch, dass er nicht nur das Schicksal der ganzen Welt ändert, sondern das Schicksal des Universums. Plötzlich macht alles Leiden einen Sinn. Plötzlich werden alle Opfer möglich. Plötzlich können wir unser eigenes Leiden, unsere Unwilligkeit zu opfern, die uns trotzdem vor den Opfern des Lebens nicht rettet, dem Herrn hinhalten und Seinen Opfergeist zu unserem machen. Kein sinnvolles Leben, vor allem auch kein wirklich christliches Leben, ist ohne das Opfer Christi möglich! Wir aber haben die große Hoffnung, dass wir angesichts des Kreuzes, das vor uns aufgerichtet ist, an dem der Herr Opferlamm, Priester, Gott und Mensch gleichzeitig ist, wissen dürfen: Unsere Opfer haben einen Sinn, wir sind gerettet, unsere Sünde ist vergeben und wenn wir nur bereuen, dann steht uns die Glorie des Vaters bevor.

Das alles feiert und bedenkt die Kirche am heutigen Tag. Sind wir tief dankbar dafür, dass wir den ewigen Hohenpriester Jesus Christus als unser Opferlamm am Kreuz verehren dürfen. Denken wir daran in jedem Moment, in dem unser Leben schwierig wird und uns Opfer abverlangt, auf dieses Kreuz zu blicken und in Ihm Hoffnung zu schöpfen, damit wir in allen Schwierigkeiten den christlichen Opfergeist bewahren: Ave o Crux, spes unica! Sei gegrüßt, o Kreuz, unsere einzige Hoffnung! Dann können wir uns bei jedem Opfer mit Christus vereinigen und durch Ihn, mit Ihm und in Ihm die Kraft finden, das Wort des Heils zu sprechen, das er zuerst über uns ausgerufen hat:  „Consummatum est“, „Es ist vollbracht.“ Amen.

Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf  Michael Schmitz am Gründonnerstag, dem 6. April 2023

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der heutige Abend beinhaltet das größte Glaubensgeheimnis, das wir hier auf Erden von Jesus Christus empfangen haben. Dieser feierliche Abend umfasst alle anderen Glaubensgeheimnisse, alles das, was der Herr uns hinterlassen hat, damit wir durch die Sakramente und Seine göttliche Offenbarung in den Himmel gelangen können.

Das Sakrament aber, das wir heute feiern, die heilige Eucharistie, ist der Mittelpunkt aller heiligen Mysterien. In seiner Enzyklika Mysterium fidei hat Papst Paul VI. schon 1965 gegen grassierende Irrtümer über die Eucharistie Folgendes gesagt: „Wenn die heilige Liturgie im Leben der Kirche den ersten Platz einnimmt, so ist das eucharistische Mysterium gleichsam das Herz und der Mittelpunkt der Liturgie. Weil es der Lebensquell ist, durch den gereinigt und gestärkt, wir nicht mehr für uns, sondern für Gott leben und untereinander geeint sind durch die engsten Bande der Liebe.“ Deswegen hat ein Theologe des 19. Jahrhunderts die heilige Eucharistie als den wirklichen Zusammenfassungspunkt aller Glaubensbekenntnisse bezeichnet: „Cogitanti exhibet integrum fidei christiani conspectum et synthesim“ „Dem denkenden Menschen öffnet [die heilige Eucharistie] einen Überblick des Glaubens, dessen Synthese sie bildet.“

I.

Zunächst erinnert uns die heilige Eucharistie daran, dass wir ohne die Gegenwart des Herrn alle verloren wären. Sie erinnert uns an den Fall unserer Voreltern und daran, dass wir, alle mit der Erbsünde geboren, die unseren Körper und Geist zeichnet, nicht nur durch die Taufe gereinigt werden, sondern, weil wir schwach bleiben, immer wieder gestärkt werden müssen durch die Gabe der Eucharistie, durch das Brot der Engel, durch die Gegenwart unseres Herrn Selbst. Ohne diese Gabe könnten wir dieses Leben nicht so führen, dass es uns zu Gott bringt. Ohne das Brot der Engel wären wir gleichsam jeden Tag dabei, geistlich zu verhungern. Wir wären elend und allein in einer Welt, die immer kälter wird. Die heilige Eucharistie ist in gewisser Weise die Fortsetzung der Menschwerdung unseres Herrn Jesus Christus. Der Herr ist in diese Welt gekommen, um uns von der Erbsünde zu erlösen. Der Herr ist in diese Welt gekommen, um Sühne zu leisten und sich um unseretwillen am Kreuz aufzuopfern.

II.

Die Menschwerdung und die Erscheinung des Herrn werden auf unseren Altären sakramental gegenwärtig. Denn, wie schon der heilige Ignatius von Antiochien im ersten Jahrhundert den Glauben der Kirche zusammengefasst hat: „Die heilige Eucharistie ist das Fleisch unseres Herrn, dasselbe Fleisch, das für uns am Kreuz aufgeopfert wurde und das der Vater auferstehen ließ.“ Wir sind von Gott nicht getrennt, sondern wir können ihn immer wieder in Seiner von Gott ganz verherrlichten Menschheit in unser Herz kommen lassen und uns mit Ihm vereinigen. So ist denn die heilige Eucharistie für uns das wirkliche und wirkmächtige Gedächtnis jenes einzigartigen Opfers, in dem der Herr Sein Fleisch für uns am Kreuz hingegeben hat. Jedes Mal, wenn die heilige Messe gefeiert wird, dann stehen wir alle unter dem Kreuz. Jedes Mal, wenn die heilige Eucharistie uns dargeboten wird, dann sehen wir den durchbohrten Leib unseres Herrn. Dann ist der Herr wiederum als Erlöser unter uns gegenwärtig und Sein Blut fließt über die ganze Welt. Jedes Mal, wenn die heilige Messe gefeiert wird, dann wird das große Geheimnis unserer Erlösung gegenwärtig.

III.

Der Herr offenbart sich uns in der heiligen Eucharistie daher als der Priester unserer Erlösung. Er ist in die Welt gekommen, weil er Priester sein wollte, Mittler zwischen uns und dem Vater, Mittler, der sich derjenigen annimmt, die verloren waren. Er gibt sich in einem einzigartigen priesterlichen Akt selbst als Opfer hin und macht dieses Opfer ist jedes Mal in der heiligen Eucharistie gegenwärtig. Seine Gegenwart wird uns nicht entzogen, sondern der gottmenschliche Priester des Erlösungsopfers öffnet uns in bleibender Weise sein Herz in der heiligen Eucharistie. Der ewige Hohepriester zeigt sich uns darin als der Priester des einen wahren Opfers und schenkt uns Seinen gegenwärtigen Leib jedes Mal dann, wenn die heilige Eucharistie gefeiert wird. Er hat gesagt: Das ist mein Leib, das ist der Kelch meines Blutes. Weil Jesus Christus als Gott und Mensch spricht, ist jeder Zweifel an der Gegenwart unseres Herrn ein Zweifel an der Allmacht Gottes. Daher muss sich jeder Priester, in dem das Priestertum des Herrn, das heute der Kirche geschenkt worden ist, durch die Kraft Christi fortlebt, der Würde des Opfers erinnern, dass er sakramental gegenwärtig setzt. Wer das Geheimnis der heiligen Eucharistie durch die Banalisierung der Liturgie verkleinert, verkleinert ebenso den Glauben an die Gottheit unseres Herrn und an das große Geheimnis unserer Erlösung, das sich vor unseren Augen in jeder heiligen Messe vollzieht. Wo die Liturgie würdig und feierlich vollzogen wird, öffnet sie uns die Augen des Glaubens.

                                                                        IV.

Daher ist die heilige Eucharistie auch auf die ganze Kirche geöffnet. In der heiligen Eucharistie ist die Kirche symbolisiert: Wie im Brot die vielen Körner geeint sind, so ist in der Gemeinschaft der Kirche durch Jesus Christus in der Eucharistie der ganze Leib, der mystische Leib der Kirche, dessen Haupt Jesus Christus Selbst ist, gegenwärtig und sichtbar. So sagt wieder Paul VI. in der Enzyklika Mysterium fidei: „Die ganze Kirche, die mit Christus zusammen das Amt des Priesters und Opfers ausübt, bringt das Messopfer dar und wird in Ihm auch selbst ganz dargebracht.“

Wenn wir heute die heilige Eucharistie am Gründonnerstag feiern, dann feiern wir sie nicht nur mit Jesus Christus und seinen Aposteln. Wir sind nicht nur gleichsam im Abendmahlssaal und vorausgenommen unter dem Kreuz, sondern wir stehen hier mit allen Priestern, allen Bischöfen und allen Päpsten der Welt, wir stehen hier mit den Engeln und Heiligen, mit der ganzen sichtbaren und unsichtbaren Kirche, und bringen der Heiligen Dreifaltigkeit den Leib unseres Herrn Jesus Christus zu Ehre und Opfer da. Deswegen die großartigen Zeremonien der Kirche, deswegen die Gesänge, die seit Jahrtausenden erklingen, deswegen die Ehrfurcht, mit der wir alle uns diesem Geheimnis nähern.

                                                                        V.

Wenn diese Ehrfurcht uns begleitet, werden wir durch die heilige Eucharistie auch darin bestärkt, was wir sind: Wir werden wir teilhaft an der Gottheit Jesu Christi. Wir werden daran erinnert, dass wir nicht mehr verloren sind, sondern dass wir durch die Gnade unseres Erlösers zu Adoptivkindern des Vaters im Himmel geworden sind. Wir werden in der heiligen Eucharistie an unsere einzigartige Würde als Christen erinnert. Deswegen sagt der heilige Paulus so deutlich in der Epistel des heutigen Abends, dass wir nicht unwürdig zutreten dürfen zu diesem Altar, auf dem sich der Herr Selbst opfert. Wir müssen, unserer Würde als Kinder Gottes bewusst, uns vorbereiten auf die heilige Eucharistie. Jetzt durch eine gute Osterbeichte, aber immer dadurch, dass wir unser Herz befreien von aller Sünde und Schuld, dass wir bereuen, oft in unsere Schwächen zurückzufallen. Wir dürfen uns bewusstwerden, dass wir gleich, wenn wir die heilige Kommunion empfangen, als Kinder des einen Vaters Tempel werden des Heiligen Geistes und der Herr Selbst in uns wohnt.

VI.

Deswegen werden wir in der heiligen Eucharistie auch auf besondere Weise mit der Gottesmutter vereint. Denn die Gottesmutter ist zuerst eine eucharistische Monstranz gewesen, in der und durch die die Eucharistie und das Opfer Jesu Christi möglich wurden. So heißt es wieder mit der schon zitierten Enzyklika: „Die allerseligste Jungfrau Maria, von der Christus, der Herr, jenes Fleisch annahm, das in diesem Sakrament unter den Gestalten von Brot und Wein enthalten ist, dargebracht und genossen wird, ist jedem, der sich der heiligen Eucharistie nähert und würdig vorbereitet ist, ganz besonders nahe als Mutter des eucharistischen Herrn.“ Es ist die Gottesmutter, die uns lehrt, den eucharistischen Herrn zu lieben und in seiner Gegenwart zu leben.

VII.

Wir können durch diesen Überblick über die Geheimnisse des Glaubens, die uns in der heiligen Eucharistie entgegentreten, auch verstehen, warum die heilige Eucharistie der Anfang jeder endgültigen Anbetung ist, für die wir alle geschaffen sind: Wir müssen immer etwas lieben. Wir müssen immer uns nach etwas sehen. Unser Herz ist hier niemals ruhig, weil wir die endgültige Liebe und Erfüllung dieser Sehnsucht nicht gefunden haben. Die heilige Eucharistie aber ist gleichsam das Unterpfand des Versprechens Gottes, dass wir die Erfüllung unserer Sehnsucht finden können. Die heilige Eucharistie ist das Unterpfand Seiner nicht endenden Liebe. Daher wird sie von uns angebetet und seit den Anfängen der Christenheit ehrfürchtig bewahrt und verehrt. Schon der heilige Augustinus sagt: „Nemo illam carnem manducat, nisi prius adoraverit.“ „Niemand wage dieses Fleisch zu essen, wenn er es nicht vorher angebetet hat.“

Die ganze heilige Liturgie der Kirche ist eine ständige, großartige Anbetung des gegenwärtigen Mysteriums des Erlöserpriesters in der heiligen Eucharistie. Wenn wir deswegen hier in Engelport die Anbetung mit unseren Schwestern besonders pflegen, wenn die heilige Kirche das gläubige Volk immer aufgefordert hat, den Herrn anzubeten, dann deswegen, weil die heilige Eucharistie für uns ein offenes Fenster zum Himmel ist; weil wir darin sehen können, dass der Herr gegenwärtig ist, mitten in der Traurigkeit unserer Zeit; weil Er uns damit eine Hoffnung gibt, die in keiner Not aufhören wird, wenn unsere Anbetung treu bleibt und wir als eucharistische Christen dem Herrn Ehrfurcht und Liebe darbieten. Die heilige Eucharistie ist das Unterpfand jener Glorie, für die jeder von uns als Kind Gottes geschaffen ist.  

Aus diesem Grund haben die Kirchenväter dieses großartige Sakrament, das so viele Glaubensgeheimnisse umfasst und das in seiner Größe von niemandem völlig erklärt werden kann, mit dem Baum des Paradieses verglichen. Die heilige Eucharistie, die wir heute feiern, der Herr, unter uns gegenwärtig als der geopferte Gottmensch, ist jener Baum des Paradieses, der mitten in der Kirche wächst ist, der immer blüht! Was auch sonst in der Kirche vorgehen sollte: Hier ist das Heil, hier ist das große Geheimnis, hier ist das Unterpfand der Ewigkeit. Am heutigen Abend der Feier der Einsetzung der Eucharistie und des Priestertums wollen wir daher mit großer Demut dieses zentrale Geheimnis unseres Glaubens verehren und Gott von ganzem Herzen danken, dass Er uns nicht allein gelassen hat, sondern dass Er im Altarssakrament und im Priestertum der Kirche durch Seine große Liebe immer gegenwärtig ist für jeden von uns. Amen.

Predigt von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am Aschermittwoch, dem 21. Februar 2023

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Was ist der Mensch ohne Gott? Der hl. Johannes vom Kreuz gibt eine eindeutige Antwort: nada de nada, gar nichts: Der Mensch ohne Gott ist gar nichts! Das gilt schon auf der natürlichen Ebene. Denn wenn uns Gott nicht geschaffen hätte, wenn wir nicht ganz von Ihm getragen würden, wenn Er nicht in jedem Moment für uns sorgen würde, dann würden wir vergehen wie nichts. Die Menschen, ja ganze Völker, so sagt die Heilige Schrift, sind wie ein „Tropfen am Eimer“ (Is 40, 15). Wir sind wie das Gras auf dem Feld, das am Morgen blüht und am Abend verwelkt (vgl. Ps 90, 5-6; auch Mt 6, 30; Lk 12, 28). Ohne Gott, den Schöpfer, der uns unsere Existenz gegeben hat, wären wir niemals aus dem Nichts hervorgetreten und ohne Ihn könnten wir uns keinen Augenblick in diesem Leben halten.

Doch selbst mit Gott haben wir durch die Sündhaftigkeit unserer Voreltern mitverschuldet, dass unser Leben nichts ist. Kaum hat es begonnen, dann endet es schon. Wer älter wird, muss jeden Moment an den Tod denken. Auch die, die jünger sind, wissen, dass ihr Leben kaum mehr als 70 oder 80 Jahre betragen wird, heute vielleicht 90, aber dass alles schnell vergeht, so schnell, dass wir oft sagen: Die Zeit eilt davon, tempus fugit. Kaum, dass wir geboren sind, müssen wir schon sterben. Ein bekannter deutscher Philosoph hat sogar bemerkt: „Das Leben ist die Krankheit zum Tode.“

Darüber hinaus ist unser Leben sehr zerbrechlich. Eine kleine Krankheit wirft uns nieder, ein geplatztes Blutgefäß in unserem Kopf kann uns ganz hilflos machen, wir sind in jedem Moment unseres Lebens von Krankheit, Unfall, von vielen unguten Dingen bedroht, die wir weder ganz vorauswissen können und die uns niemals wirklich vorbereitet treffen. Der Mensch ist trotz allen Fortschritts in Technik und Medizin immer gefährdet.

Schließlich wissen wir alle, was uns die Kirche heute deutlich vor Augen führt: „Bedenke o Mensch, dass Du Staub bist und zum Staub zurückkehren wirst.“ Unser Leben wird sicher mit dem Tod enden. Wir kennen nicht die Stunde, aber wir wissen: Es geht zu Ende und bald zu Ende. Selbst diejenigen, die sich vielleicht jetzt noch blühender Jugend erfreuen und guter Gesundheit, können morgen schon erfahren, dass sie nichts sind als Staub. Schon auf der natürlichen Ebene also sind wir ganz von der Güte und der Barmherzigkeit Gottes abhängig, sonst wären wir „nada de nada“, gar nichts.

Das gilt noch mehr, wenn wir auf übernatürliche Ebene blicken, auf jene Wirklichkeit, die mit der Gnade Gottes zu tun hat. Wir alle sind getauft, wir alle sind gefirmt, wir alle bemühen uns um ein christliches Leben. Aber wir könnten das nicht aus eigener Kraft: Gott hat uns erwählt! Er hat uns auserwählt und geliebt, noch bevor wir von unseren Eltern gekannt waren. Unsere Namen sind, so dürfen wir hoffen und beten, im Buch der Vorherbestimmung verzeichnet. Wir sind von Gott und Seiner Gnade dazu bestimmt, einst, wenn wir Seinen Willen getan und unsere Sünden bereut haben, einzugehen in das ewige Leben mit Ihm.

Das aber sind alles Geschenke. Wir können nicht einmal die Gnade der Barmherzigkeit in der Todesstunde verdienen. Wenn wir in der Todesstunde unserem Glauben an Jesus Christus treu bleiben, so lehrt die Kirche, dann ist das ein Gnadengeschenk. Allein können wir gar nichts. Wenn nicht Gott da wäre, um uns von den Nachstellungen des Teufels zu bewahren und uns ständig mit seiner Gnade zu beschenken, wären wir im geistlichen Bereich ebenso verletzlich wie im natürlichen.

Gott hat uns nach seinem Abbild geschaffen, „nur wenig geringer als einen Gott“ (Ps 8, 6) und uns die Herrschaft über die Wesen dieser Welt geschenkt (Gen, 1, 26 ff.). Er hat uns aus reiner Güte aus dem Nichts emporgehoben. Er hat uns nicht nur die leibliche Natur geschenkt, sondern Er hat uns unser Leben verliehen, damit wir zeigen können, ob wir Seinen Willen tun wollen. Aber alles hängt dennoch von Ihm ab. Er schenkt uns jeden Tag neue Gnaden: die Gnaden der Bekehrung, die Gnaden des Gebetes, die Gnaden des Glaubens, die Gnaden der Gottes- und Nächstenliebe. Wir könnten niemanden lieben mit jener Liebe, die zum Heil notwendig ist, wenn Er uns nicht zur Seite stünde und uns in unserer Schwachheit jeden Moment mit der Gnade beschenkte.

Deswegen erinnert uns die Kirche heute eindringlich daran, dass wir Staub sind, dass wir uns vor dem Herrn niederwerfen müssen in unserem eigenen, sündigen Elend. Gleichzeitig zeigt sie uns, dass Gott uns sicher erheben kann, dass Er uns viele Gaben geschenkt hat, dass wir deswegen durch Seine Liebe, Seine Gnade und Seine Güte wertvoll sind in Seinen Augen. Aber nicht aus unserer eigenen Kraft, nicht, weil wir ohne Seine Gnade etwas verdienen könnten, nicht, weil wir uns unserer persönlichen Größe rühmen dürfen. Wie der hl. Paulus sagt: Gott „aber antwortete mir: Meine Gnade genügt dir; denn die Kraft wird in der Schwachheit vollendet. Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt“ (Phil 4,13).

Denken wir also am Beginn dieser hl. Fastenzeit daran, dass wir ohne Gott gar nichts sind und gar nichts haben. Versuchen wir in diesen vier Wochen dadurch, dass wir fasten und Almosen geben, uns immer daran zu erinnern, dass alles, was wir sind und haben, Gottes freies Gnadengeschenk ist. Versuchen wir auf diese Weise, Gott wieder zum Mittelpunkt unseres Lebens zu machen und anzuerkennen, dass alles nur von Ihm stammt. Er lädt uns ein, weil Er uns liebt, als Seine Kinder mit Seiner Gnade mitzuwirken. Sind wir Ihm unendlich dankbar, dass Er uns erwählt hat. Und beginnen wir diese heilige Fastenzeit mit dem Wunsch, Seiner Gnade gerecht zu werden, Ihm zu dienen, unser Leben Ihm ganz zu unterwerfen und dadurch aus unserem Nichts in Seine Herrlichkeit zu gelangen. Amen.