Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Es gibt Situationen, die zeitlos sind und ein Licht auf unsere eigene Existenz werfen, obwohl sie weit zurückliegen. Das Geschehen um den Protomärtyrer Stephanus gehört zu diesen zeitlosen Situationen (vgl. Apg 6, 8-10; 7, 54-59). Wir sehen ihn mitten unter den Menschen seiner Zeit den Herrn als Gott verkünden und Gutes tun in Wundern und Zeichen. So wie wir selbst, lebte er in einer ungläubigen Zeit. Die Menschen glaubten nicht an Christus, sie glaubten nicht an Seine Gottheit, und selbst die meisten von Stephanus‘ Volks- und Glaubensgenossen waren weit davon entfernt, Christus als den Messias anzuerkennen. Trotzdem hat Stephanus nicht aufgehört, Zeugnis zu geben. Er hat mitten unter ihnen, den ungläubigen Juden und den Heiden seiner Zeit, gelebt und durch Nächstenliebe und Glaubenszeugnis gezeigt, dass Christus der Sohn Gottes ist. Das ist unser eigenes Leben! Wir sollen unter den ungläubigen Christen und den Heiden unserer eigenen Zeit nicht mutlos werden, sondern in Wort und Tat für Christus und Seine Gottheit einstehen.
Es geschieht dem Stephanus, was auch uns heute leider immer wieder widerfährt: Die sogenannten „guten“ Mitglieder der Synagogen, ja die Schriftgelehrten, die es eigentlich besser wissen müssten, treten gegen ihn auf. Jene, die aus der Schrift erkennen könnten, dass der Messias gekommen ist, dass Jesus Gott ist, regen sich auf, wollen den Glauben des Stephanus nicht wahrhaben und die Wahrheit der Offenbarung verkleinern. Das geschieht auch jetzt nicht selten: Sogenannte Theologen, die es besser wissen müssten, die die Schrift studiert haben dürften, die die Glaubenslehre der Kirche kennen sollten, versuchen frech, die Gottheit unseres Herrn zu schmälern, und statt sich mit den heiligen Geheimnissen des Glaubens und dem Himmel zu beschäftigen, reden sie uns von der Erde und von allen möglichen Dingen, die mit dem Glauben kaum zu tun haben.
Stephanus hat sich von diesen sogenannten Schriftgelehrten nicht erschrecken lassen. Durch eine großartige Vision gestärkt, hat er den Herrn Jesus Christus noch deutlicher und voller Mut vor ihnen verkündet. Sicher haben wir keine direkten Visionen, aber wir haben, anders als er, bereits den gesamten Glauben der Kirche vor uns. Wir kennen die Lehre der Kirche, ihre Dogmen, und wir wissen, dass viele Generationen vor uns unerschrocken und visionär den Glauben an die Gottheit Jesu Christi verkündet haben. Deswegen haben auch wir vom Himmel her die frohe Botschaft und die Wahrheit des Glaubens über Christus erfahren und können fortfahren, gegen die falschen Lehrer unserer Zeit, Christus und Seine Gottheit unerschrocken zu bekennen.
Was dem Stephanus als dem ersten Märtyrer der Kirche dann widerfahren ist, darf uns ebenso nicht wundern. Die Wut derjenigen, die nicht glauben wollen, die ihr eigenes Leben nicht ändern wollen, die Gott auf die Größe ihres eigenen eingeschrumpften Herzens verkleinern wollen, richtet sich gegen Stephanus. Sie beginnen ihn zu steinigen, sie verfolgen ihn mit Gewalt und Rohheit, wie immer, wenn den Menschen die Argumente ausgehen. Vorgebliche Toleranz und Liberalität schlägt in Hass und Wut gegen die Wahrheit um!
Uns wird vielleicht in unserem Leben das blutige Martyrium erspart bleiben. Aber das sogenannte weiße Martyrium, das tägliche Martyrium der Bekenner des Glaubens, werden auch wir oft erleben. Man wird unser Zeugnis nicht wahrhaben wollen, man wird uns belächeln und unsre Ehre abschneiden, man wird uns diskriminieren und für übertrieben oder gar fanatisch halten, man wird uns vielleicht sogar am Arbeitsplatz oder in der Familie isolieren und vereinzeln. Trotzdem haben wir wie Stephanus die Kraft der Gnade Jesu Christi in uns! Gleich so vielen vor uns werden wir die Kraft der Gnade besonders dann erhalten, wenn es darauf ankommen sollte, auch mit unserem Blut für Christus Zeugnis zu geben. Im täglichen Leben aber wird die Gnade uns stärken, um mit unserer ganzen christlichen Existenz und unserem gläubigen Handeln für den Gottmenschen Zeugnis abzulegen.
Das tut auch Stephanus, der sogar angesichts des sicheren Todes noch einmal Jesus Christus verkündigt. Sein Zeugnis ist nicht nur Bekenntnis des Glaubens, sondern auch Beweis christlichen Handelns aus dem Glauben: Er bekennt furchtlos, dass Jesus Gott ist und er verzeiht seinen Peinigern. Wir können es Ihm gleichtun, selbst dann, wenn man uns belächelt; selbst dann, wenn man uns diskriminiert; selbst dann, wenn wir Nachteile in Kauf nehmen müssen. Weil wir Christus mit der Nächstenliebe, die dafür notwendig ist, verkünden sollen, dürfen wir einerseits nicht feige aufgeben, dürfen wir anderseits aber auch nicht hart werden, dürfen wir das Böse nicht mit dem Bösen vergelten, sondern müssen aus ganzem Herzen unseren Peinigern verzeihen: „Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen!“ (Mt 5, 44; auch Lk 6, 27; Röm 12, 14).
So werden auch wir Zeugen für Jesus Christus in einer Welt, die nicht glauben kann und nicht glauben will, weil es unbequem ist und weil es eine grundsätzliche Änderung des eigenen Lebensstils bedeutete. Daher ist unser Zeugnis notwendig wie das des Stephanus! Wir können Stephanus nachfolgen! Wir werden wie er Zeugnis geben, weil wir begriffen haben, worum es wirklich geht. Es geht eben nicht darum, hier in diesem Leben von allen anerkannt und gelobt zu werden, mit dem Strom zu schwimmen und das zu sagen, was der Zeitgeist uns in den Mund legt. Es geht darum, Christus zu bekennen: In Wort, mit dem ganzen Glauben der Kirche, der von Gott offenbart worden und von der Überlieferung bewahrt worden ist, und in Tat, mit der Überzeugung tätiger Nächstenliebe. Dann werden wir glaubwürdig, denn alle sehen, dass das, was wir bekennen, auch von uns gelebt wird und Christus in unserem Herzen wohnt.
Diese Situationen des Bekenntnisses und der Verfolgung sind zeitlos. Der Herr lehrt, dass sie immer wieder vorkommen, denn die Propheten werden oft nicht gehört, sondern verfolgt und gekreuzigt (vgl. Mt 23, 34-35). So ist auch der Herr Selbst als Zeuge für die Wahrheit, die Er Selbst ist, in die Welt gekommen, hat uns diese Wahrheit in Wort und Tat verkündigt und ist für sie zum Zeugnis für uns alle gekreuzigt worden und auferstanden. Werden wir also mutig! Lassen wir gerade dann, wenn die Welt sich von uns abwendet, unser Herz nicht sinken, sondern wenden wir uns Christus zu. Beten wir zum heiligen Stephanus, dass er uns und allen Christen, die die Gottheit des Herrn bekennen, den Mut des Bekenntnisses schenkt, damit die Welt auch durch uns Zeugnis erhalte, und den wahren Glauben, dass der Herr der Retter ist, der an Weihnachten geboren wurde. Amen.