Predigt von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am 5. März 2023, dem 2. Fastensonntag

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der schaut aber verklärt drein! Wenn man das von jemandem sagt, dann ist es nicht gerade ein Kompliment. Man möchte damit sagen, dass er ein bisschen abgehoben ist, dass er nicht wirklich in der Realität seinen Platz findet, vielleicht sogar, dass er ein kleines bisschen getrunken hat; jedenfalls ist er weit von dem entfernt, was wir die Wirklichkeit nennen und vielleicht sogar ein Träumer.

Das aber hat nichts mit der Verklärung unseres Herrn zu tun! Der Herr, wie wir gerade gehört haben, sieht tatsächlich verklärt aus, aber diese Verklärung bringt Ihn nicht weg von der Wirklichkeit, sondern lässt die eigentliche, göttliche Wirklichkeit in Ihm nach außen sichtbar werden, sodass Er klar und leuchtend erscheint und Seine Kleider weiß wie Schnee. Diese Verklärung offenbart das wahre Sein des Herrn, der ganz Mensch ist, sodass Ihn niemand zunächst als den Sohn Gottes erkennen kann, aber auch ganz Gott, was in diesem Moment sichtbar wird.

Trotzdem können wir fragen: Was hat das mit uns zu tun? Ist es nicht immer noch abgehoben, ist es nicht immer noch fern von unserer Alltäglichkeit? Solchen Fragen zeugen von wenig Verständnis für die Wirklichkeit des Christen, denn diese umfasst die Verklärung durch die Gnade: Auch wir sind nämlich anfanghaft verklärt! Wir bleiben Menschen, aber wir haben das Geschenk der Teilhabe an der göttlichen Natur erhalten und zwar durch das übernatürliche Geschehen der Rechtfertigung, wie die Kirche die göttliche Rettung des Sünders nennt.

Die Rechtfertigung, so lehrt das Konzil von Trient, ist die Versetzung aus dem Zustand der Sünde, in den jeder Mensch durch die Sünde des ersten Adam hineingeboren wird, in den Zustand der Gnade und Gotteskindschaft durch die Verdienste des zweiten Adam Jesus Christus, unseres Erlösers. Wir alle sind im Moment der Taufe gerechtfertigt worden. Wenn der Priester dem Kind das Wasser über die Stirn laufen lässt und den Namen des Dreifaltigen Gottes über es anruft, wird Gott selbst in diesem Kind rechtfertigend tätig und die verklärende Gnade der Gotteskindschaft im Zeichen der Taufe sichtbar.

Diese anfanghafte Verklärung, die Rechtfertigung und Begnadung, die in der Taufe mit uns allen vor sich gegangen ist, hat zwei Hauptelemente: Zunächst einmal wird die Erbsünde weggenommen und unsere Natur gereinigt. Dazu wird uns noch die heiligmachende Gnade mit dem Geschenk der Gotteskindschaft verliehen. Im zweiten Petrusbrief heißt es, wir werden θείας κοινωνοὶ φύσεως, divinae consortes naturae (2 Petr 1, 4), wir werden teilhaft der göttlichen Natur. Wir stehen nicht mehr als Sünder vor Gott, weil die Sünde ganz weggenommen und nicht nur zugedeckt wurde. Zusätzlich werden wir innerlich erneuert, wir erhalten eine innere Kraft, die uns ermöglicht, von nun an als Gotteskinder zu leben, von nun an anfanghaft innerlich verklärt zu sein, von nun an als Menschen an der Natur Gottes teilzuhaben, die uns ein ganz neues Leben gibt.

Das bewirken wir nicht selbst, es ist nicht das Ergebnis einer äußerlichen moralischen Anstrengung, nichts, das wir in irgendeiner Weise selbst hervorrufen könnten. Die Rechtfertigung ist das Tun des barmherzigen Gottes an uns, durch das uns die Verdienste Jesu Christi am Kreuz erlösend erreichen. Gott selbst stellt dadurch in uns Seine Ehre wieder her, er erneuert sein Bild in uns und eröffnet uns damit den Weg zum ewigen Leben. Das ist der Grund, warum die Rechtfertigung notwendig ist, denn ohne gerechtfertigt zu sein, können wir nicht in der Ewigkeit vor Ihm stehen und Ihn preisen. Die Verdienste Jesu Chrisi sind es, die dieses Wunder der anfanghaften Verklärung in uns bewirken, und es ist die Barmherzigkeit Gottes, die ohne Ansehung unserer Verdienste uns dieses Geschenk gibt, damit wir in dem leben können, was uns geschenkt worden ist, nämlich in der innerlichen Heiligkeit der Gnade und in der Gotteskindschaft, die die Einwohnung des hl. Geistes in unserer Seele mit sich bringt.

Die heiligmachende Gnade wirkt innerlich und verändert unser Sein. Die Rechtfertigung, durch den Heiligen Geist in uns bewirkt, ist also nicht etwas Äußerliches, das nur moralisch für uns einen Wert hat. Gott ist nicht nur wie ein Gesetzgeber, der von außen Lehren und Vorschriften erlässt, sondern Er ist auch wie ein Arzt, der uns als gesundmachende Medizin die innere Kraft gibt, die uns von der Sünde heilt und zum guten Handeln innerlich befähigt. Die heiligmachende Gnade ist jenes Element göttlicher Stärke, das uns ermöglicht, das zu tun, was Er zu unserem Heil will. Gott gebietet nicht nur und lässt uns dann allein, sondern Er schenkt uns jene Gabe, mit der wir tun können, was Seines Willens ist.

Diese heiligmachende Gnade ist eine bleibende Kraft in uns. Die Theologie nennt sie einen habitus entitativus, eine in unserem innersten Sein wirkende dauernde Kraft, die uns nicht mehr verlässt, solange wir grundsätzlich mit Gottes Willen in Übereinstimmung leben und keine Todsünde begehen. Sie wird jedesmal gestärkt, wenn wir zur Beichte gehen, und sie wird uns wieder neu geschenkt, wenn wir nach einem schweren Fall Buße tun und in der heiligen Beichte von Herzen bereuen, was wir getan haben. Die Gnade der Rechtfertigung zusammen mit der bleibenden Gnade der Heiligung gibt uns die Stärke, als Christen zu leben. Deswegen sagt der Apostel Paulus so deutlich: „Gottes Wille ist eure Heiligung“ (1 Tim 4, 3). Dieser Heiligungswille Gottes wird uns nicht nur von außen angetragen, sondern erneuert uns innerlich durch die Macht der von ihm ausgehenden Gnade. Die Gnade stärkt unseren eigenen Willen und gibt uns die tatsächliche Möglichkeit zu tun, was Gott will.

Jeder von uns hat diese anfanghafte Verklärung durch die Teilnahme an der göttlichen Natur erhalten. Jeder von uns darf hoffen, wenn er christlich lebt, das Geschenk der heiligmachenden Gnade immer in sich zu tragen, jeder von uns darf im Vertrauen auf diese Gnade, die uns durch den Glauben an Christus geschenkt und durch die Taufe vermittelt wird, wissen, dass er geheiligt ist. Nicht aus eigener Kraft, nicht aus eigener Anstrengung allein: Mit der geschenkten Gnade müssen wir wohl immer mitarbeiten, doch die Gnade geht allem unserem Tun voraus und begleitet uns auf dem Weg, den sie vollendet. Wir sind niemals allein. Die Kraft Gottes bleibt in uns. Der göttliche Arzt bleibt an unserer Seite und gibt uns von Neuem Seine heiligmachende Medizin, wenn wir durch die Sakramente der Kirche darum bitten.

Deswegen schauen wir nicht verklärt, weit von der Wirklichkeit entfernt, sondern wir sind verklärt, durch die Wirklichkeit Gottes in uns. Jeder von uns kann sicher sein, dass er in der Taufe heilig geworden ist, und seine ganze Aufgabe ist es nun, diese Heiligkeit zu leben und allen zu zeigen, ebenso wie der Herr seine göttliche Wirklichkeit in der Verklärung offenbart. Was wir Gutes tun, geschieht immer mit der Kraft Gottes und aus dieser heraus. Wenn wir es mit ganzem Herzen tun und die uns angebotene Hand der Gnade annehmen, dann wird diese Heiligkeit nach außen sichtbar und alle werden sehen, dass wir schon anfanghaft verklärt sind, und mit Christus in der Heiligkeit, die Gott allein schenkt, für das ewige Leben erwählt. Amen.

Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am Palmsonntag, dem 10. April 2022

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Ein Missverständnis, sogar ein sehr gefährliches Missverständnis hat Gott am Palmsonntag dazu benutzt, Seine Großtaten zu verkünden und uns allen zu zeigen, wer Christus Jesus wirklich ist.

Weil nämlich eine große Zahl der Juden nicht etwa den göttlichen Messias erwarteten, sondern einen innerweltlichen Herrscher, einen neuen König, der sie aus der Hand der Römer befreien sollte,  sind die meisten von ihnen Jesus mit Palmzweigen entgegengegangen und haben ihn als König begrüßt. Sie riefen dabei mit lauter Stimme: „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel!“ (Jo 12, 12). Selbst die Apostel wussten nicht genau, was diese Szene bedeutete. Der heilige Johannes sagt im zwölften Kapitel seines Evangeliums, dass sie erst nach der Auferstehung des Herrn begriffen haben, warum er auf einem Eselsfüllen in die Stadt hereingeritten war (Jo, 12, 16). Die anderen haben nichts begriffen, die Apostel haben nur wenig geahnt. Eine kleine Gruppe von Gerechten aber, allen voran die Gottesmutter, hat gewusst, dass der Einzug des Messias in seine Stadt der Anfang der endgültigen Erlösung für die Ewigkeit sein sollte.

So müssen auch wir uns entscheiden: Wollen wir unser Heil von der Welt erwarten? Glauben wir, dass irgendeine Regierung, dass irgendein Herrscher, dass irgendjemand, der in dieser Welt Macht hat, diese Welt zu einem Reich des Friedens machen kann? Zu einer krankheitsfreien Stätte, zu einem Platz voller Harmonie, wo die Menschen sich einander nur Gutes tun? Ein Blick in die Geschichte zeigt uns, dass das nicht möglich ist. Wenn wir auf das innerweltliche Heil hoffen, dann können wir lange warten und wir werden genauso enttäuscht werden wie die meisten Juden der damaligen Zeit, die noch immer auf ihren weltlichen König warten müssen.

Wir wollen uns deswegen zu der kleinen Gruppe der Gerechten, allen voran der Gottesmutter, gesellen. Wir wollen erkennen, dass wahr ist, was der Herr selber gesagt hat: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt!“ (Jo 18, 36). Das Reich unseres Königs nicht von dieser Welt, denn der Herrscher dieser Welt ist der Satan, der die Herzen der Menschen verblendet (2 Kor 4, 4). Sie erwarten alles von dieser Welt. Wir aber können hier nie endgültigen Frieden, bleibende Gesundheit, ewiges Glück und eine Existenz ohne Tod, Kreuz und Leid erwarten. Wir müssen vielmehr wissen, dass unser Glaube uns auf die Zukunft ausrichtet! Der Herr uns zwar das Heil gebracht und Sein Reich besteht anfanghaft schon in der Kirche, aber wir preisen Ihn als unseren König, weil Er der vor allem König der kommenden Herrlichkeit ist, der König, der uns in der Ewigkeit endgültig von Krieg, Tod und Leid erlösen wird.

Deswegen müssen wir die Worte der Gottesmutter von Fatima ernst nehmen. Der Heilige Vater hat soeben Russland und die Ukraine dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht. Die Gottesmutter hat in Fatima gesagt, dass darauf ihr Triumph folgen wird, aber nicht ohne viel Leid und ohne große Kreuze, die vorher die Welt und unsere Gesellschaft belasten werden.

Sind wir also nicht dumm und kurzsichtig wie die Menschen, die damals in Jerusalem einen König wollten, weil sie von ihm das weltliche Heil erwarteten. Wissen wir vielmehr, dass jeder von uns auf die eine oder andere Weise das Kreuz des Herrn in dieser Zeit mittragen muss. Bereiten wir uns auf die Kreuze vor, die kommen werden. Aber sind wir auch sicher, eben weil unser Herr kein weltlicher Herrscher ist und keine leeren Versprechungen für das Diesseits macht, dass Sein ewiges Heil schließlich kommen wird.

Auch in der Kirche dieser Zeit wird eines Tages das Herz der Gottesmutter triumphieren, wenn wir treu bleiben und Christus immer als den wirklichen Priesterkönig, den Mittler und Messias für Zeit und Ewigkeit verehren. Dann werden wir endgültige Freiheit, Gesundheit und Glück nicht in dieser Welt erwarten, sondern Ihm treu bleiben in Kreuz und Leid und Tod. Nur so können wir wie die Gerechten, die Ihm in Jerusalem entgegengegangen sind, in einem guten Geist und wahrer Hoffnung mit der ganzen Kirche rufen: „Hosanna, Filio David! Preis Dir, Sohn Davids, hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Christus allein ist der wirkliche König, der uns das tatsächliche, ewige und endgültige Heil bringen wird. Amen.

Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am 27. Februar 2022 (Sonntag Quinquagesima)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Angesichts eines Krieges, der sich auszubreiten droht, von der Liebe zu sprechen, ist vielleicht naiv. Haben wir nicht schon zu viel von der Liebe gehört? Hat die Rede von der Nächstenliebe nicht schon über Gebühr den Platz aller anderen Glaubensinhalte eingenommen? Warum sollen wir von Neuem und schon wieder von der Liebe sprechen?

Der heilige Paulus sagt uns eindeutig, dass wir nie genug von der Liebe reden: Die Liebe ist das Entscheidende in unserem christlichen Leben: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei, doch die größte unter ihnen ist die Liebe.“ (1 Kor 13, 13).

Die Liebe aber scheint auch jene Tugend zu sein, über die die meisten Missverständnisse herrschen. Manche identifizieren die Liebe mit der fleischlichen Lust. Andere glauben, dass die Liebe nichts anderes ist als eine Konsequenz unseres Selbsterhaltungstriebes, mit dem wir andere und uns selbst lieben, damit das Menschengeschlecht überleben kann. Wieder andere identifizieren die Liebe mit dem Gefühl, also mit dem, was wir im Herzen als Menschen einem anderen Menschen gegenüber empfinden, wenn wir glauben, ihn zu lieben. Dabei wird die Liebe ebenso oft mit der Leidenschaft verwechselt. Das alles sind Aspekte der Liebe, die im menschlichen Leben vorkommen können, zusammen oder getrennt voneinander. Doch wenn wir wirklich wissen wollen, wovon der heilige Paulus spricht und was das Wichtigste in unserem Leben ist, dann dürfen wir nicht mit menschlichen Definitionen der Liebe beginnen.

Zum richtigen Verständnis des Glaubens müssen wir wie immer von oben beginnen. Daher müssen wir zuerst die Gottesliebe betrachten. Dabei ist es ganz entscheidend zu sehen, dass diese Liebe auch als Tugend in unsere Herzen eingegossen ist, also nicht von uns hervorgerufen wird. Gott, so wissen wir aus der Offenbarung, hat uns zuerst geliebt (1 Jo 4, 19). Die Gottesliebe, die höchste Form der Liebe, ist zuallererst eine Bewegung des allmächtigen, dreifaltigen, liebenden Gottes auf die Menschheit zu. Er hat uns nicht nur aus dieser für uns im letzten unverständlich-selbstlosen Liebe heraus geschaffen und aus dem Nichts gerufen. Er hat uns dann auch mit dieser Liebe umgeben, für uns gesorgt, uns gezeigt, wie wir handeln sollen, um in Seinen Augen wohlgefällig zu sein. Als wir uns undankbar von dieser Liebe weggewandt hatten, war Seine Liebe so groß, dass Er uns wieder zuerst geliebt hat, dass Er uns retten wollte, dass Er als Zeichen Seiner Liebe selbst in diese Welt gekommen ist, dass Er dazu Seinen Sohn gesandt hat und dieser aus reiner Opferliebe am Kreuz zu unserem Heil gestorben ist. Nur dann können wir die Liebe und das Liebesgebot richtig und in seiner ganzen Tiefe verstehen, wenn wir sehen, dass alle Liebe, die diesen Namen verdient, eine Gnade Gottes ist und zuerst von Gott ausgeht.

So ist auch unsere Liebe nicht zunächst Gefühl. Sicherlich kann Gott uns Gefühlsgnaden schenken, damit auch unser Herz für ihn wie erwärmt ist und wir etwas spüren, wenn wir Akte der Gottesliebe setzen. Das tut Er vor allen Dingen am Anfang des Glaubens. So hilft er nicht selten jungen Menschen. Das kann er auch tun, wenn wir Glaubenszweifel haben und unser kleiner Verstand sich gegen Seinen Willen sträubt. So sagt Blaise Pascal in seinen Pensée nicht zu Unrecht: „Das Herz hat seine Gründe, welche die Vernunft nicht kennt; man fühlt es auf tausenderlei Weise.“ Gott schenkt uns die Gefühlsliebe Ihm gegenüber, damit es uns leichter fällt, Ihn mit ganzem Herzen zu lieben. Das aber ist nur eine Hilfe Gottes von oben. Die Kirche unterstützt sie mit vielen zu Herzen gehenden Frömmigkeitsformen. Alle diese Herzenshilfen aber sind nicht der Kern der Liebe.

Die Liebe, die Gott in unser Herz gegossen hat, ist ein Geschenk der Gnade. Wir alle, die wir hier versammelt sind, haben dieses Geschenk empfangen. Es ist eine Gnade, die im Moment der heiligen Taufe in unsere Seele eingegossen wird. Deswegen brauchen wir als Getaufte die Liebe Gottes nicht zu schaffen. Wir haben sie bereits erhalten. Sie ist in unseren Herzen. Sie ist ein Geschenk, das wir nur durch die Todsünde verlieren, aber das wir durch die lässlichen Sünden kälter und kleiner machen können. Die göttliche Liebe will jedoch in unseren Herzen bleiben, und wie der heilige Franz von Sales immer wieder sagt, ist es unsere einzige Aufgabe, die Hindernisse für diese Gottesliebe, die uns schon gegeben ist, auszuräumen und diese Liebe in unserem Leben zu verwirklichen.

Deswegen ist die Gottesliebe nicht ein vorübergehendes Gefühl à la Hollywood, sondern sie hat ihren Sitz im Willen. Sie ist zunächst eine Entscheidung des göttlichen Liebenswillens, uns Seine Liebe im Sakrament der Taufe zu schenken. Danach bedarf es unserer gewollten Liebesantwort, die aus dem Glauben kommt, um diese Liebe zu leben, das Geschenk lebendig zu machen, das Feuer, das in unserem Herzen brennt, sichtbar und wärmend werden zu lassen. Die wahre Gottesliebe ist von uns aus gesehen ist nichts anderes als ein vollkommenes Ja unseres Willens zu Gott, zu Seiner Allmacht und Größe, zu Seinem göttlichen Willen, zu Seinen Geboten und damit zu Seinem Erlösungswerk durch Christus und die Kirche. Wenn Gott zu unserer Heiligung Prüfungen, Krankheiten und Sorgen zulässt, so ist es die Gottesliebe, mit der wir diese Kreuze annehmen können. Mit unserem ganzen Sein sollen wir Ja sagen zu Gott und allem, was er uns sendet: „Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“ (Dt 6,6).  Diese Liebe hat Gott selbst in der Taufe in unsere Seele gelegt, damit wir Ihn lieben können!

Der Gottesliebe folgt die Nächstenliebe. Der Herr selbst lehrt uns das in feierlicher Form: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.“ (Mk 12, 29-31).  Wie die Gottesliebe ist auch die Nächstenliebe, die aus der Gottesliebe hervorgeht und nicht ohne sie ganz gelebt werden kann, eine Art der Freundschaft. Gott hat uns seine Freundschaft geschenkt, damit wir seine Freunde sein können. Diese besondere Freundschaft können wir in der Gottesliebe nicht nur leben, wir können sie in der Nächstenliebe ebenso anderen weitergeben.

Deswegen ist auch die eheliche Liebe, die eine besonders erhöhte Form der Nächstenliebe darstellt, nicht in erster Linie Gefühl. Natürlich wird das Gefühl helfen, die eheliche Liebe zu leben, aber diese Liebe ruht im letzten auf der liebenden Treue des Willens: Treue zum Gebot Gottes und Treue zueinander. Das bedeutet in der Eh, seinen Willen dem anderen ganz zu geben und sich gegenseitig uns zu helfen, Gott mit dem ganzen Willen zu lieben. Diese Treue ist auch immer offen auf das Leben, dem die eheliche Liebe dient.

Die wahre Liebe, sei es die gegenseitige Liebe in der Ehe oder die Nächstenliebe zu denen, die uns nahestehen, zu unseren Kindern, zu unserer weiteren Familie, und zu anderen Menschen, die uns umgeben oder denen wir helfen sollen, ist deswegen immer auch eine Frage der Vernunft, die sich an dem Willen Gottes orientiert. Alles, was in der ehelichen Liebe oder in sonst irgendeiner Form der Nächstenliebe dem Willen Gottes entgegengesetzt ist und damit dem anderen schadet und wehtut, auch wenn es so aussieht, als würde seine Leidenschaft dadurch erfüllt werden, ist der Gottesliebe und der wirklichen Nächstenliebe entgegengesetzt. Die Liebe, auch wenn sie vom Gefühl des Herzens getragen wird, muss in erster Linie von den Geboten Gottes, so wie wir sie mit unserer Vernunft erkennen können, geleitet werden. Nichts, was den Geboten Gottes widerspricht, ist wirklich Liebe.

Deswegen müssen wir in unserem Leben das tun, was der Blinde im heutigen Evangelium getan hat: Wir müssen zu Christus gehen und Ihn bitten, uns sehend zu machen. Domine, ut videam (Lk 18, 42). Wir müssen dem Herrn sagen: Lass mich sehen, wo ich noch nicht die Tugend der Gottesliebe und der Nächstenliebe, die Du in mein Herz gesenkt hast, wirklich lebe. Fragen wir uns anhand des gerade gehörten Hohenliedes der Liebe des heiligen Paulus (1 Kor 13, 1-13), wo wir noch blind sind, wo wir unseren Willen noch nicht der Gottesliebe angepasst haben, wo wir noch egoistisch und klein sind? Fragen wir uns: Sind wir geduldig und gütig? Sind wir nicht neidisch? Prahlen wir nicht, blähen wir uns nicht auf? Sind wir nicht ehrgeizig, nicht selbstsüchtig? Lassen wir uns nicht verbittern? Denken wir nichts Arges? Freuen wir uns nicht über das Unrecht, sondern freuen wir uns an der Wahrheit? Ertragen wir alles? Glauben wir alles? Hoffen wir alles? Dulden wir alles? Das sind die dringendsten Fragen, die wir uns stellen müssen, wenn wir Gott und den Nächsten lieben lernen wollen.

Nicht dem Nächsten, der vielleicht auch nicht genug liebt, müssen wir diese Fragen stellen, sondern uns selbst. Diese Fragen zeigen jedem, dass er noch nicht genügend mit der eingegossenen Liebe in seinem Herzen mitarbeitet. Bitten wir also Gott, uns sehend zu machen und uns die aktuellen Gnaden zu geben, Ihn noch mehr zu lieben, das Ja unseres Lebens zu ihm noch deutlicher zu machen, auch dadurch, dass wir das Ja zur Hilfe und Liebe den anderen gegenüber besser und täglicher leben. Wenn wir das tun, wenn wir das Feuer der Liebe, das in unseren Herzen brennt, Wirklichkeit werden lassen durch tausend kleine Handlungen der Liebe, dann bringt die Liebe den Frieden hervor, der in unserem Haus, in unserer Umgebung und in unserer Familie beginnt.

Wenn es auch nur die kleine Geste des geduldigen Schweigens ist, der nicht beleidigten Reaktion und des nicht Widerredens, so wächst doch damit der Frieden der Gottesliebe. Im ganz unscheinbar Kleinen wird oft eine große Liebe sichtbar: Wenn wir auch nur mit einem guten Schweigen der Geduld auf weniger Gutes antworten, dann wird dieses geduldige Schweigen der Liebe uns schon helfen, die Stimme Gottes zu hören, der uns wie Petrus fragt: „Liebst du mich?“ Der Sinn unseres Lebens aber liegt darin, durch die Gnade Gottes mit Petrus immer ehrlicher in Wort und Tat antworten zu können: „Ja, Herr, ich liebe dich. Du weißt alles. Du weißt, dass ich dich liebe“ (Jo 21, 15-17). Amen

Predigt Msgr. Prof.DDr. Rudolf Michael Schmitz zur Woche der Einheit der Christen, am 23. Januar 2022, dem dritten Sonntag nach Epiphanie

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wer ist katholisch? Das ist eine Frage, die wir zunächst beantworten müssen, bevor wir von der Einheit der Christen sprechen. Wir stehen in der Woche der Einheit der Christen und wir sind aufgerufen, für diese Einheit zu beten. Wohlgemerkt, nicht für die Einheit der Kirche, die bereits existiert, sondern dafür, dass alle Christen zur Kirche finden und sich in ihr vereinen. Um das aber tun zu können, um zu wissen, um was wir da beten, müssen wir uns fragen: Wer ist eigentlich katholisch?

Natürlich gehört jeder, der getauft ist, zur Kirche. Deswegen nennen wir auch jene, die nicht in der vollen Einheit mit der katholischen Kirche stehen, mit Recht Christen. Trotzdem sind sie nicht im vollen Sinne des Wortes katholisch. Was es bedeutet, wirklich katholisch zu sein, sagt uns das Rechtsbuch der Kirche in seinem Canon 205, der folgendermaßen lautet: „Voll in der Gemeinschaft der katholischen Kirche in dieser Welt stehen jene Getauften, die in ihrem sichtbaren Verband mit Christus verbunden sind, und zwar durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung.“ Also ist nur der voll und ganz katholisch zu nennen, der mit der sichtbaren Kirche durch diese drei Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung verbunden ist.

Was aber bedeutet das? Das bedeutet, dass jeder, der zur vollen Einheit der katholischen Kirche gehören will, den gesamten Glauben, den die Kirche von Christus erhalten hat, ungeschmälert annimmt und in seinem Leben zu verwirklichen sucht. Der Glaube ist nicht ein Kuchen, aus dem wir uns ein Stück nach unserem eigenen Gutdünken herausschneiden können, weil es uns am besten gefällt. Den ganzen Glauben müssen wir annehmen, wenn wir katholisch sein wollen. Das gilt für die einfachen Gläubigen, das gilt für die Priester, das gilt für die Bischöfe und das gilt auch für den Papst. Der ganze katholische Glaube ist es, den wir annehmen müssen, denn er ist uns von Christus, der die Wahrheit ist, verkündet und von der Kirche in Seinem Auftrag überliefert worden.

Seien es unangenehme Wahrheiten, wie die von der Finsternis, wo Heulen und Zähneknirschen herrscht, wie wir heute gehört haben (Mt 8, 12); seien es Wahrheiten, die unser eigenes Leben hier und jetzt betreffen und zur unmittelbaren Umkehr rufen wie die katholische Morallehre: Alles gehört zum katholischen Glauben. Wir können nicht etwas herausnehmen, nicht nach selbstgewählten Kriterien auswählen, sondern wir dürfen Christus sagen: Du hast durch die Kirche all diese Wahrheiten, die für unser Heil notwendig sind, verkündet, und wir nehmen sie alle an und leben danach. Das ist das Band des Glaubensbekenntnisses, ohne das wir nicht selig werden können.

Sodann besteht das Band der Sakramente. Vergessen wir nicht, dass die meisten protestantischen Glaubensgemeinschaften nur noch ein einziges Sakrament wirklich ihr Eigen nennen können, nämlich die Taufe. Alle anderen haben sie entweder verloren, weil sie kein gültiges Priesteramt mehr besitzen, oder immer abgelehnt, so wie etwa die Firmung oder die sakramentale Ehe. Wir aber, mit den orientalischen Kirchengemeinschaften, bekennen die Siebenzahl der Sakramente. Wir schließen kein Sakrament aus, denn wir wissen, dass Christus sie direkt oder durch die Apostel eingesetzt hat, damit wir – je nach unserem Lebensstand – die Gnade Gottes durch diese Sakramente geschenkt bekommen. Ohne sie kann man nicht katholisch leben. Wer an der Siebenzahl der Sakramente nicht festhält, der rüttelt an den Fundamenten der Kirche selbst und er würde all diejenigen, die ihm folgen würden, von diesen Quellen des Heils und damit von der vollen Einheit mit der Kirche trennen. Deswegen dürfen wir auch dabei keine Auswahl treffen, sondern dürfen uns glücklich schätzen, dass wir die sieben Sakramente, jene wirksamen Heilszeichen, die Gott uns schenkt, haben dürfen und durch sie die Gnaden erhalten, die wir brauchen, um wirklich katholisch zu sein.

Schließlich bedürfen alle Katholiken des Bandes der kirchlichen Leitung. Wenn wir treu dem Stuhle Petri ergeben sind, dann bedeutet das nicht, dass wir über alles, was von Rom kommt, begeistert sein müssen. Wir sind keine Claqueure. Wir sind katholische Christen. Wir wissen, dass in der Geschichte, angefangen von Paulus, nicht wenige Heilige auch dem Papst haben ins Angesicht widerstehen müssen, wenn dieser sich in praktischen Fragen oder in Fragen der Klugheit in die falsche Richtung bewegt hat. Die Unfehlbarkeit der Päpste bezieht sich, wie wir alle wissen, nur auf die feierlich verkündeten Lehren des Glaubens und der Sitten oder jene dogmatischen Wahrheiten, die der Päpste zusammen mit den Bischöfen immer gelehrt haben. Petrus ist der Fels, auf den Christus seine Kirche gebaut hat, gerade durch seine Treue zum objektiven Glaubensinhalt der Offenbarung, die er im Licht der Überlieferung treu auszulegen hat. Petrus, der Fels, steht nämlich seinerseits nur fest, wenn er auf dem Urgestein der Offenbarung in Schrift und Tradition aufruht. Dadurch hat die Kirche die Einheit bewahrt und Petrus seine Aufgabe, alle im Glauben zu stärken, erfüllen können. Das ist der Maßstab unserer Treue zur Leitung der Kirche, die nicht willkürlich befiehlt, sondern und Weisung und Richtung aus dem überlieferten Fundament von Dogma und Moral geben muß.

Das also sind die drei Bande, die uns zu Katholiken machen. Der ganze unverfälschte und von Christus uns hinterlassene Glaube, die sieben Sakramente als von Christus eingesetzte wirksame und sichtbare Zeichen der Gnade sowie die Treue zum Felsen Petri, der auf der ganze Offenbarung Christi gegründet ist.

Alle, die nach diesen drei Bindungen in der sichtbaren Gemeinschaft der Kirche leben wollen, sind katholisch. Sie brauchen, damit sie katholisch bleiben können, jene Demut, die der römische Hauptmanns zeigt, wenn er sagt: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach“. Wir entscheiden nicht mit unserem „autonomen“ Hochmut über den Inhalt des Glaubens. Der heilige Paulus sagt daher: „Haltet euch nicht selbst für klug“ (Röm 12, 16). Wir entscheiden nicht über den Glauben, wir entscheiden nicht über die Sakramente, wir entscheiden nicht über die Kirchenleitung, sondern wir nehmen demütig an, was von Gott kommt. Wenn wir mit der Demut der Gottesmutter auch in den Dingen, die uns schwerfallen, den ganzen katholischen Glauben annehmen wollen, wenn wir wirklich aus der Kraft aller Sakramente leben, und wenn wir auch in schweren Zeiten dem Zentrum der Kirche treu bleiben, dann sind wir katholisch.

Erst dann können wir jene, die es noch nicht sind, aufrichtig einladen, uns zu folgen. Dann wissen wir, was es bedeutet, katholisch zu sein. Dann können wir für das richtige Ziel der Einheit der Christen beten. Dann erkennen wir: Die endgültige Einheit der Christen ist erst dann erreicht, wenn wir alle zur Einheit der Kirche zurückgeführt haben, wenn alle in diesen drei Banden sichtbar  mit Christus verbunden sind und wenn alle in der einen sicheren Heilsgemeinschaft vereint sind, die die Kirche als mystischer Leib Christi bildet und in der Christus, als das Haupt, allen die große Gnade gibt, sich wahrhaft katholisch nennen zu dürfen und es zu sein. Amen.

Predigt von Kanonikus Joseph de Poncharra zum Fest des hl. Josef (20. März 2023)

Er ward geliebt von Gott und den Menschen; sein Andenken ist gesegnet (Sir 45,1). Mit diesen treffenden Worten aus dem Alten Testament können wir auch das Andenken an den hl. Josef ausdrücken, dem ja unsere ganze Verehrung gilt, besonders am heutigen Tag. 

Bevor wir aber mit der Betrachtung der Gestalt des hl. Josef beginnen, bitten wir seine liebenswürdigste, am meisten geliebte und am innigsten liebende Braut, dass wir vom liebenswürdigsten, geliebtesten und am meisten liebenden Gemahl recht sprechen können!

Wer nun war der hl. Josef? Drei Namen werden ihm in den Evangelien gegeben:

-Er wird Gemahl Marias genannt (Mt 1,16-19);

-Maria nennt ihn den Vater Christi: „Dein Vater und ich haben dich schmerzlich gesucht.“ (Lk 2,48)

-Schließlich wird er als „Gerechter“ bezeichnet (Mt 1,19).

Der zweite Name ergibt sich aus dem ersten: Als Gemahl Marias ist er in der heiligen Familie der Vater Christi, des göttlichen Sohnes. Die dritte Bezeichnung als „gerechter Mann“ schließt den ersten und zweiten mit ein. Als Gemahl der Gottesmutter und Pflegevater Jesu kann nur ein „gerechter Mann“ berufen sein.

Der Gemahl Marias. Was sagt uns die Schrift dazu?

In Genesis 2,18 heißt es: „Lasst uns eine Hilfe für ihn (Adam) machen, die ihm ähnlich ist“. Hier wird die Würde der Ehe hervorgehoben: Um die Sittsamkeit und Ehre der seligsten Jungfrau zu wahren, soll ihr Sohn von einer Vermählten geboren werden; um ihre Keuschheit unter dem schützenden „Schatten“ einer Ehe zu verbergen, war sie Josef wirklich als Gattin vermählt, so wie wie die weibliche Palme im Schatten des Palmbaums steht.

Im zweiten Namen „Dein Vater und ich haben dich schmerzlich gesucht“ kommt zum Ausdruck, dass Jesus nach dem natürlichen Recht sein Sohn ist, nicht aber nach dem Gesetz des Lebens. Er ist Sein Pflegevater.

Warum nun wird Josef gerecht genannt? Warum wird ausdrücklich berichtet, dass er ein „gerechter“ Mann war? Was heißt da „gerecht”? Manchen Menschen sagen wir nach, sie seien gerechtigkeitsliebend und könnten kein Unrecht ertragen. Aber das ist nicht das, was die Heilige Schrift meint, wenn sie vom hl. Josef als einem „gerechten Mann“ spricht. Hier bedeutet es, dass er ein rechtschaffener Mann ist – besonders in den Augen Gottes und nicht zunächst in den Augen der Menschen. Der heilige Josef ist ausgezeichnet durch jede Art von Tugend, wie der Josef des Alten Bundes. Nach der Hl. Schrift sah dieser, dass sich der  Mond, die Sonne und die Sterne vor ihm verneigten (Gen 37,9): die Vielzahl der Menschen (ausgedrückt in der Zahl zehn), die Welt der Engel, unter einem Namen gefasst, die seligste Jungfrau und der Herr. Wie der ägyptische Josef ist er in kostbares Linnen gekleidet. Wie die Palme wird der Gerechte erblühen, so der Psalmist (Ps 92,13).

Das Entscheidende für einen Menschen ist also, wie Gott ihn anschaut und was Gott von ihm hält, und nicht, was andere Menschen von ihm halten – außer diese Menschen leben in der Tugend! Wichtig ist nur, was unter Gottes Augen Bestand hat. Der hl. Josef hat niemals die Ehre von Menschen gesucht, sondern immer nur die Ehre Gottes.

Liebe Gläubige, im Sturm dieser Zeit ragt der hl. Josef wie ein Fels aus der Brandung heraus. Als Haupt der Heiligen Familie, als gesetzlicher Ehemann der jungfräulichen Gottesmutter Maria, als Pflegevater Jesu, als Patron der Kirche, als Schutz der Sterbenden und als Schrecken der Dämonen trotzt er allem Bösen. Sein Leben zeigt uns unerschütterliche Glaubenstreue, festes Gottvertrauen sowie liebende Großzügigkeit. Gerade heute brauchen wir sein Beispiel und seine Fürbitte, gerade heute müssen wir deshalb um einen festen Glauben bitten und uns der Gnade Gottes öffnen, die alles vermag. Gott hat uns alles gegeben und wird uns weiterhin alles geben, was wir brauchen, um selig zu werden.

Der große heilige Josef mag hier unser Vorbild sein. Er war im wahrsten Sinne des Wortes auch der „Mann der Situation“! Die größten Schwierigkeiten, denen die hl. Familie ausgesetzt war, hat er mit seinem Glauben, seinem Vertrauen und seiner Selbstlosigkeit gemeistert. Seine Tugenden können uns gerade heute Richtschnur und Hilfe sein. Beten wir mit großem Vertrauen zu ihm, damit Gott uns hilft.. Unter der Führung des heiligen Josef bleiben wir mit der Kirche eine Heilige Familie! Amen.

Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz, Sonntag Quinquagesima, 19. 2. 2023

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Eines der größten Kreuze für die Menschen ist es, wenn sie das Augenlicht verlieren, oder gar, wenn sie, ohne sehen zu können, auf diese Welt gekommen sind. Das Dunkel, das immer mehr oder ganz auf ihren Augen liegt, macht ihr Leben zu einem schwierigen Kreuzweg.

Schlimmer noch als die Blindheit der Augen aber ist die Blindheit des Herzens!  Deswegen haben schon die Kirchenväter den Wunsch des Blinden an den Herrn: „Ut videam“, „Mach mich sehend“ (Lk 18, 42), als den Wunsch und die Notwendigkeit der ganzen sündigen Menschheit interpretiert. Wir sind nicht alle blind, wenn es um das Augenlicht geht, aber viele von uns – und leider immer mehr – leiden an einer tiefen Herzensblindheit, an einer Verblendung des Herzens, die sie nicht mehr erkennen lässt, wie sehr Gott sie liebt. Diese Herzensblindheit, diese innere Verblendung kann viele verschiedene Gründe haben. Wenn wir heute in die Gesellschaft und in die Kirche blicken, sehen wir einige von ihnen, die offensichtlich sind.

Zunächst einmal sind viele verblendet und können dem Wort des Herrn und seinem Licht nicht mehr folgen, weil sie der Ideologie und der Lüge verfallen sind. Wir merken, dass selbst intelligente Menschen, und vielleicht gerade sie, nicht mehr erkennen können, was klar vor Augen liegt, was unbedingt getan werden müsste, was Gut und Böse ist, weil sie einer Ideologie folgen, die mit der Wahrheit nichts zu tun hat, weil sie vom Vater der Lüge stammt. Eine solche Verblendung – wir sehen es in der Geschichte und heute wieder – befällt nicht selten die Regierenden, vor allem, wenn sie sich von Gott angewandt haben. Doch leider, und so lehrt uns die allerjüngste Geschichte in unseren deutschen Landen, kommt eine solche Verblendung auch bei Würdenträgern der Kirche vor, die trotz der Wahrheit des Glaubens nicht mehr sehen können und wollen, wo der wahre Weg des Willens Gottes liegt. Sie können nicht mehr erkennen, was das Heil für alle ist, und meinen, durch eigene Wege und Sonderwege etwas zu erreichen, was vielleicht „zeitgemäß“ erscheint, aber ganz deutlich gegen den Willen Gottes gerichtet ist. Die Verblendung des Herzens treibt den Menschen durch Ideologie und Falschheit vom Wege Gottes und schließlich aus der Einheit der wahren Kirche.

Die Verblendung des Herzens aber findet ihren Ursprung oft genug ebenfalls in Hass und Neid. Dadurch kommt sie nicht selten in unser eigenes Leben, wenn wir dem Nächsten nicht gönnen, was er hat; wenn uns jemand so zuwider ist, dass wir ihn nicht mehr mit klaren Augen sehen können; wenn wir nicht mehr begreifen, dass auch der, der uns unsympathisch ist, ein Kind Gottes ist und dass es im Garten Gottes verschiedene Pflanzen gibt, die alle auf die eine oder andere Weise ein Recht haben zu wachsen. Wenn Abneigung, wenn gar Hass und Neid uns Herz und Auge verengen, dann können wir nicht mehr sehen, wer der andere wirklich ist. Wir können und wollen nicht mehr wahrhaben, dass auch er von der Gnade berührt wurde und wir wollen nicht einsehen, wie gut es wäre, mit ihm in Frieden zu leben. „Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“, ruft der Dichter; wie leicht, geben wir es zu, können wir selbst dieser böse Nachbar sein!

Leider gibt es in unserem eigenen Leben ebenso die Verblendung durch Egoismus und Hochmut. Wie oft drehen wir uns nur um uns selbst! Wir beklagen uns darüber, was uns fehlt, und sehen dabei gar nicht mehr die Not des anderen und das, was uns alles von Gott geschenkt worden ist. Wir sind hochmütig und meinen, über alle anderen richten zu können und in unserer Verblendung sehen wir nicht, wie klein, wie hilflos und wie erbarmungswürdig wir selbst sind. Unsere eigene, eingebildete autonome Selbstherrlichkeit hindert uns daran, die Größe Gottes und Seiner Gnadengeschenke zu sehen, Ihn dankbar mit ganzem Herzen zu verehren und Ihn so zu lieben, wie Er von uns geliebt werden will. Wir sind hartherzig Gott und den Menschen gegenüber und daher herzensblind und stolz verblendet.

Vielleicht am häufigsten und gleichzeitig am unsichtbarsten ist diese Verblendung, wenn sie durch die Gewohnheit eintritt. Hier ist nicht die gute Gewohnheit gemeint, die wir alle brauchen, die als ordnende Hand unser Leben dem Willen Gottes angleicht und die uns in ihrer höchsten Form als Tugend begegnet. Es ist vielmehr die Gewohnheit der Routine, die gleichsam mit einer kalten Hand die Augen des Herzens bedeckt. Wir können uns an das Gute so sehr gewöhnen, dass wir es nicht mehr sehen. Wenn in Ehe oder Freundschaft durch lange Gewohnheit plötzlich das Gute, das man einander tut, oder das Gute, das in dem Ehepartner oder den Freunden liegt, nicht mehr gesehen wird, weil es schon zur unbeachteten Gewohnheit geworden ist, dann ist unser inneres Auge blind geworden für die Güte der anderen Personen. Wenn wir die Augen unserer kleinen, routinemäßigen Gewohnheit mehr auf die Schwächen unserer Umgebung lenken als auf die Stärken, werden auch wir verblendet. Das kann in jedem Kreis von Menschen passieren, der geistlichen Gemeinschaft, der Familie, dem Freundeskreis, der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz: Wir sehen dann immer nur den Splitter in den Augen der anderen, nicht aber die Balken in unseren eigenen, weil die schlechte Gewohnheit uns blind gemacht hat für das Gute, das Gott in jeden legt und das uns täglich durch sie geschenkt wird. Der so Verblendete dankt weder Gott noch den Menschen, sondern nimmt alles Gute für selbstverständlich, während auch das kleinste Opfer ihn gleich zum Klagen bringt!

Schlimmer noch ist die Verblendung durch die Gewohnheitssünden, jene schäbigen Angewohnheiten, die unsere Seele beschmutzen, ohne dass wir es so recht bemerken.  Fast unbemerkt haben wir sie angenommen, weil sie so üblich sind und so häufig, ganz wie Mittelmäßigkeit und schlechter Durchschnitt. Das sind z.B. die ständigen Lügen in kleinen Dingen, um Dinge zu beschönigen oder uns zu entschuldigen; die üble Nachrede, die uns immer wieder auf die Zunge kommt, obwohl wir nicht besser sind als die anderen; das vorschnelle Urteil über Menschen, die wir gar nicht richtig kennen; der kleinliche Geiz;  erbärmlichen Grauzonen im sechsten Gebot und viele andere große und kleine Gewohnheitssünden, die sich wie Staub auf unsere Augen legen. Sie verblenden unser Herz und machen den Blick auf das Wahre, Gute und Schöne Gottes dunkel; wir sehen unsere eigene Wirklichkeit und die des Nächsten nicht mehr klar. So denken wir in eingebildeter Verblendung über uns selbst: „Wirklich, ich bin eigentlich ein guter Mensch!“, während alle anderen eher das Gegenteil bemerken. Durch die Verblendung durch die oft nicht bekämpften Gewohnheitssünden werden wir wie der Pharisäer auf die anderen herabblicken und nicht merken, dass wir selbst in Wirklichkeit der letzte Zöllner sind, der nur das Recht hätte, sich an die Brust zu klopfen und zu sagen: „Herr, ich bin nicht würdig!“ Gewohnheitssünden sind daher oft der Grund für innere Verblendung, der Grund für die Unmöglichkeit, sich zu bekehren und der Grund dafür, dass wir die Herrlichkeit der Gnade Gottes in unserem Leben und in dem Leben des anderen nicht mehr klar sehen.

Muss uns das mutlos machen? Gibt es gegen diese verschiedenen Arten der Verblendung denn überhaupt ein Heilmittel? Können wir eigentlich etwas dagegen machen, wenn wir, wie es scheint, blinder und blinder werden und von Blinden umgeben sind, die Blinde führen?

Der hl. Paulus weist klar auf das einzige Heilmittel gegen die Herzensblindheit(cf. 1 Kor 13, 1-13): Geradezu das Allheilmittel gegen alle Verblendung, das Heilmittel, das uns statt der Ideologie die Wahrheit lehrt, das Heilmittel, das uns statt Hass und Neid Zuneigung und Großzügigkeit eingibt, das Heilmittel, das uns von der Blindheit der Routine und allen schäbigen Gewohnheitssünden befreit und uns aus der Dunkelheit in das Licht Gottes treten lässt, ist die große Liebe Gottes! Sie ist kein zu oft zitierter Gemeinplatz, kein sentimentales Gefühl, sondern ein göttliches Geschenk, das wir uns nicht selber schaffen müssen! Das Allheilmittel der Liebe ist uns vielmehr bereits in der Taufe eingegossen worden!

Jeder Getaufte hat das Geschenk der Liebe Gottes erhalten, in der hl. Firmung ist es gestärkt worden und bei jeder hl. Beichte wird es uns wiedergegeben und erneuert. Es ist nicht etwas, das wir selbst hervorbringen können, sondern es ist in unseren Herzen, solange wir im Stande der Gnade sind. Wir sollen es nur leben, wir sollen diesem Geschenk keine Hindernisse setzen, wir müssen es nur aus unserem Herzen hervorkommen lassen durch die täglich in Gebet und guten Werken erneuerte Gottes- und Nächstenliebe: Statt Lüge Wahrheit, statt Hochmut Demut, statt Hass Vergebung, statt Neid Großzügigkeit, statt schlechter Gewohnheit Dankbarkeit und Bekehrung!

Für ein solches christliches Leben fehlt uns Gottes Gnade nie. Mit ihr können wir alle Verblendung der Welt und unseres eigenen Herzens überwinden. Nicht nur das, wir können auch klar wissen, ob wir so leben, denn der Maßstab, den der hl. Paulus uns gibt, ist eindeutig. Hören wir noch einmal den Beginn des 13. Kapitels aus seinem ersten Brief an die Korinther, denn darin wird für jeden von uns erkennbar, wann wir aus Liebe und wann wir aus Verblendung handeln: „Die Liebe nämlich ist geduldig, die Liebe ist gütig, die Liebe neidet nicht, sie handelt nicht prahlerisch, sie bläst sich nicht auf, sie ist nicht ehrgeizig, nicht selbstsüchtig, sie lässt sich nicht erbittern, sie denkt nichts Arges, sie freut sich nicht über das Unrecht, sie hat Freude an der Wahrheit, sie trägt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.“

Lesen wir diese Worte oft nach! Vergleichen wir unser eigenes Tun mit dem göttlichen Maßstab, der uns in diesen Worten offenbart wird: Jedes Mal, wenn uns die Verblendung des Herzens zu einer der Liebe entgegengesetzten Haltung verführt hat, haben wir hier den eindeutigen Maßstab, zu dem es sofort zurückzukehren gilt! Bleiben wir nicht verblendet, sondern fangen wir neu an und lassen das Licht Gottes und Seiner Gnade in unsere Augen und unser Herz scheinen! Die Liebe ist ein Geschenk Gottes, das wir alle bereits erhalten haben. Je mehr die Liebe regiert, desto mehr wird die Verblendung des Herzens verschwinden!

Diejenigen, die so verblendet sind, dass sie das nicht mehr begreifen können, können trotzdem von der Liebe bekehrt werden: von der betenden Liebe, von der opfernden Liebe, von der duldenden Liebe, von der stellvertretenden Liebe Christi und der Christen!  Wie sehr wird nicht der Sünder davon berührt, wenn wir ihm ein gutes Wort sagen, wenn wir seine wenigen guten Taten anerkennen, wenn wir uns nicht von ihm abwenden, wenn wir für ihn beten und leiden! Wenn wir das tun, wenn wir also das Geschenk der Liebe auch denen bringen, die verhärtet sind, dann können sie sich bekehren, dann können sie plötzlich sehen, was Christus dem Blinden getan hat, und sie werden sagen wie er: „Domine, ut videam; Herr, mach mich sehend!“

Beten wir gegen alle innere Verblendung auch selbst jeden Tag dieses Gebet des Blinden: „Ut  videam, mach mich sehend!“ Doch fügen wir ein anderes, größeres Gebet aus der Tiefe unseres Herzens hinzu, um durch die Gnade die Blindheit unserer Seele gänzlich zu überwinden: „Domine, ut amem, Herr, mach mich liebend!“ Nur wenn wir lieben, werden wir auch sehen. Amen.

Predigt Msgr. Prof.DDr. Rudolf Michael Schmitz am 6. Januar 2023 (Epiphanie)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

„Denn sieh, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker“ (Is 30, 1-2). Dunkel ist es nicht nur wegen des Winters, dunkel ist es auch wegen einer fortschreitenden Banalität unseres Lebens. Je materialistischer unsere Gesellschaft wird, desto langweiliger und eintöniger wird sie. Man versucht zwar mit allerlei künstlichen Freudenausbrüchen diese Eintönigkeit und diese Langeweile zu übertönen, aber im Grunde ist es immer dasselbe. Immer dieselbe Arbeit, immer dasselbe Leid, immer dieselbe Sucht nach Materiellem und nach Lust, und wenn man alles bekommen hat, dann ist einem immer noch langweilig.

In diese Langeweile, in diese Banalität des Materiellen tritt das Geheimnis Gottes ein wie ein großes Licht. Wenn wir heute die Erscheinung des Herrn feiern, dann feiern wir nicht nur ein einziges Fest, nicht nur die Anbetung der Könige, sondern wir feiern verschiedene Momente des Lebens Jesu, in denen die Herrlichkeit des Herrn, Sein Licht, Sein Glanz eintritt in die Banalität des menschlichen Lebens, die von der Sünde geschaffen ist.

Wir feiern nämlich im heutigen Fest nicht nur die Erscheinung des Herrn, sondern wir sehen das gesamte, trinitarische Geheimnis des allmächtigen Gottes in unsere Welt eintreten. Die Kirche feiert heute die Anbetung der Könige, die den Herrn in der Krippe erscheinen sehen. Sie feiert aber auch seit alters her, ja fast noch vor dem heutigen Festgeheimnis, dieses Hochfest als das Fest der Taufe Jesu, als den Moment, wo der Herr selbst als der Sohn des ewigen Gottes offenbart wird. Die Kirche begeht heute ebenso von alters her das Gedächtnis des ersten Wunders des Herrn bei der Hochzeit von Kana, in der Er sich offenbart als der, der Er ist: der große, allmächtige Gott! In diesen drei Festmomenten des heutigen Tages offenbart sich jeweils die Größe und der Glanz der Heiligen Dreifaltigkeit.

Zunächst folgen die Könige, die weisen Magier aus dem Morgenland, dem Zeichen, das sie in den Sternen des Schöpfergottes gesehen haben. Sie folgen dem Naturgesetz, das nicht erlaubt, Dinge fest vorauszusehen, wenn man in die Sterne blickt, das aber doch gewisse Gesetzmäßigkeiten aufscheinen lässt, in denen Ereignisse von großer Bedeutung sichtbar werden. Die heiligen drei Könige wissen das, weil sie gelernt haben, in der Schöpfung des Vatergottes zu lesen. Sie kommen dann von weit her, angeleitet durch die Führung des Geistes, der vor ihnen den Stern der Weisheit aufgehen lässt. Der Geist Gottes führt sie durch die Wüsten ihrer Heimat, durch unwegsames Gelände, durch die Vorurteile ihrer Zeit bis an die Stufen des Thrones dessen, der Jesus in Judäa am meisten hasste, Herodes, der ganz der Banalität der Welt ergeben ist. Selbst dieser aber kann dem Wirken des Geistes nicht Einhalt tun, so dass sie schließlich durch den Stern an die Krippe gelangen. Dort offenbart sich ihnen, nachdem sie der Eingebung des Vaters gefolgt sind, nachdem sie der Geist geleitet hat, die Herrlichkeit des Sohnes, und sie beten an und geben Ihm ihre Gaben.

Bei der Taufe Jesu im Jordan sehen wir ebenso die Herrlichkeit der Dreifaltigkeit in die Banalität der Welt eintreten. Johannes tauft den demütig sich neigenden Herrn. In diesem Moment kommt der Heilige Geist in Gestalt einer Taube auf Ihn nieder und die Stimme des Vaters sagt: „Das ist mein Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe.“ Was viele als Taufe der Buße über sich ergehen ließen, das wird plötzlich Epiphanie, Gotteserscheinung, und wir sehen, dass der demütige Herr, der sich vor Johannes neigt, in Wirklichkeit der Messias, der göttliche Gesandte des Dreifaltigen Gottes in dieser Welt ist.

Schließlich werden wir bei der Hochzeit von Kana gewahr, wie stark die Macht des Vaters ist, der damals wie heute in unsere Welt hineinwirken kann. Der Herr wirkt Sein erstes Wunder in der Allmacht des Vaters, mit dem Er ganz eins ist. Er wirkt es durch das Tun des Hl. Geistes, der überall da anwesend ist, wo der Herr auftritt. Gerade dadurch merken alle: Jesus ist kein gewöhnlicher Prophet; Er ist der Erlöser der Welt, dem die Elemente gehorchen und der verwandeln kann, wo den Menschen keine Möglichkeit mehr gegeben ist. Er verwandelt nicht nur Wasser in Wein, Er verwandelt gleichsam uns alle in Kinder Gottes und der Kirche dadurch, denn er uns statt Brot sein Fleisch und statt Wein Sein eigenes Blut zu schenken bereit ist.

Die Heilige Dreifaltigkeit wird an diesem Tag dreimal im Handeln Jesu Christi und im Handeln der Kirche sichtbar, die diese Festgeheimnisse geheimnisvoll wieder aufleben lässt.

Gleichzeitig sehen wir in den geheimnisvollen Gaben, die die Heiligen Drei Könige heute bringen, die ganz besondere Gegenwart des allmächtigen Gottes unter uns. Sie bringen Gold, Weihrauch und Myrrhe. Schon von Anfang an haben die hl. Kirchenväter dieses außergewöhnliche Ereignis interpretiert. So sagt der hl. Irenäus: „Die Magier haben durch die Geschenke angezeigt, wer es war, den sie anbeteten.“ Gold haben sie gebracht als Zeichen für das Königtum des Herrn, der da, demütig wieder, in der Krippe liegt. Weihrauch haben sie gebracht: Daran sehen wir die Gottheit des Herrn, die wie Weihrauch aufsteigt in der Kälte der Zeit, um den Vater zu preisen. Sie haben Myrrhe gebracht, um bereits anzudeuten, dass die Menschheit unseres Herrn Jesus Christus eines Tages mit Myrrhe gesalbt wird, wenn sie für unser Heil gestorben ist. Wir wissen deswegen, dass der König der Krippe nicht nur wahrer Gott ist, sondern auch wahrer Mensch.

Die Väter haben in diesen Zeichen noch mehr geschaut. Sie haben gesehen, dass der Herr ganz Gott ist, erkennbar an dem Gold, das die Könige bringen. Aber der Herr ist auch Priester, denn der Weihrauch Seines ganzen Lebens steigt auf, um ein Sühneopfer für unsere Sünden zu sein. Der Herr ist ebenso der Seelenarzt, der mit der Myrrhe Seiner Barmherzigkeit unsere Seelen salbt, damit sie geheilt werden von den Sünden. Wir können darin wieder das Wirken der Dreifaltigkeit erkennen: Das Gold steht für den Vatergott, der seinen Glanz den anderen Personen der Heiligen Dreifaltigkeit mitteilt. Der Weihrauch steht für den Heiligen Geist, der, sich verbrennend in Liebe, ständige Gebete zum Vater und zum Sohne hervorbringt, die Ihm in Liebe antworten. Und die Myrrhe steht für den Sohn, der Sich ganz den anderen schenkt, der von Ihnen ganz gesalbt ist, damit nichts, was Seine Menschheit ausmacht, die Größe Seiner Gottheit vermindert. Hier ist nichts banal und langweilig, sondern alles groß, bedeutungsvoll und ewig!

Deswegen lädt uns die Kirche heute ein, unsererseits Gaben zu bringen: Gaben, die auch uns aus der Banalität unseres Lebens befreien; Gaben, die die Gegenwart des Dreifaltigen Gottes anerkennen, der uns in der Welt immer neu erscheint; Gaben, die ebenso an den Gaben der Heiligen Drei Könige ablesbar sind.

Da ist zunächst das Gold unseres Glaubens, das alles, was wir im Leben tun, sei es auch vordergründig noch so banal und klein, zum Glänzen bringt. Wer glaubt, ändert das Leben, und zwar nicht nur sein eigenes, sondern ebenso das der anderen und das der Welt, weil der Glanz des ewigen Vaters durch seinen Glauben sein tägliches Leben und das Leben aller erhellt. Dann kommt die Gabe des Weihrauchs: Weihrauch steht bei uns für das Gebet, das den Tag beginnt, das ihn begleitet und das ihn beschließt. Wer betet, der ist kein banaler Mensch. Wer betet, dem wird es niemals langweilig. Wer betet, der kann auch in den kleinen Geschehnissen, die der Welt so nichtig erscheinen, das Wirken Gottes erkennen. Wer betet, der öffnet sich der großen Liebe der Dreifaltigkeit, denn sein Herz gibt zurück, was er empfangen hat. Schließlich geben wir die Myrrhe der guten Werke: Wenn wir den Glauben in uns stärken, wenn wir im Gebet mit Gott Kontakt halten, dann werden wir leichter die Nächstenliebe leben, dann werden wir die Bedürftigen wirklich in Gott lieben, wie Er uns liebt, und wir werden gerne mit ihnen die Geschenke teilen, die wir selbst von Gott erhalten haben.

Das alles vermindert die Banalität der Welt, vermindert die Kälte und den Egoismus, die alles langweilig und eintönig machen. Wer glaubt, wer betet, wer Gott und den Nächsten liebt, der wird immer etwas Neues und Wunderbares in dieser Welt finden, und er wird selbst jedes Opfer gerne bringen, weil es eine Gabe ist, die er an die Krippe unseres Dreifaltigen Gottes bringen kann, um die Größe Gottes anzuerkennen und zu verherrlichen.

So werden wir alle durch dieses Fest der Erscheinung des Herrn mit seinem dreifachen Sinn und seinen dreifachen Gaben an die Gegenwart des Dreifaltigen Gottes in dieser Welt erinnert. Diese Geheimnisse nehmen uns alle Langeweile, retten uns vor aller flachen Banalität, bringen uns die Herrlichkeit des Herrn und führen uns in das Abenteuer eines Lebens, das ganz Ihm geschenkt ist. Wo immer eine solche christliche Existenz gelebt wird, wird sie dem gleich sein, was die Magier aus dem Orient erlebt haben, denn jedes Leben, klein oder groß, wird dann die Zeichen, die der Vater setzt, erkennen, wird dem Stern des Heiligen Geistes folgen und wird mit den Heiligen Drei Königen, den Hirten der Weihnachtsnacht und der ganzen Kirche die Krippe finden, reiche Gaben bringen und dort anbeten ohne Ende. Amen.

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am 25. Dezember 2022 (1.Weihnachtsfeiertag)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wenn etwas ganz Unglaubliches geschieht, etwas, mit dem niemand mehr gerechnet hatte, etwas, das sich unserem täglichen Menschenverstand entzieht, dann gibt es eine Reihe unterschiedlicher Reaktionen darauf.

Die einen – nach dem Motto „Was nicht sein darf, das nicht sein kann“ – leugnen, dass ein Mensch plötzlich gesund werden kann, dass jemand, den man schon für verloren geglaubt hatte, wiedergefunden wird, dass irgendetwas ganz Besonderes passiert, das ihr Leben ändert. Man leugnet einfach, man weiß es besser, man schaut in eine andere Richtung, man will es nicht wahrhaben.

Die anderen meinen, all diese besonderen Ereignisse würden in das Märchenreich gehören. Das sei nur etwas für Kinder. Man könnte sich sicherlich damit trösten, aber mit der Wirklichkeit habe das wenig zu tun. Es wird manchmal dann wohl weitererzählt als eine unglaubliche Geschichte, aber keiner schenkt dem so richtig Glauben.

Schließlich aber gibt es Menschen, die wissen – entweder, weil sie aus Weisheit und Klugheit die Dinge besser durchschauen oder weil sie ein einfaches, klares, unverstelltes Herz haben – , dass Gott größer ist als die Menschen und tun kann, was wir nicht für möglich halten und was im menschlichen Bereich ohne Ihn auch nicht möglich wäre.

Genau diese drei Möglichkeiten zu reagieren, finden wir heute vor der Krippe in Bethlehem wieder. Da sind zunächst die, die immer auf den Messias gewartet haben, die Ihn aber nicht annehmen, als er dann kommt, als dann die Zeichen des Himmels auf ihn hinweisen, als Er dann vom Himmel her in die Mitte des wartenden Volkes tritt, das Jahrtausende lang durch die Propheten auf ihn hingewiesen worden ist. Sie finden noch nicht einmal einen Platz für Ihn in der Herberge. Alle ihre Gelehrten und alle diejenigen, die die heiligen Schriften meinen genau kennen zu können, sind gegen ihn: Weil nicht sein darf, was nicht sein kann! Noch heute können die Halbweisen, die Halbgebildeten, die sich für klug halten, aber Gottes Zeichen nicht lesen wollen, alle die sich auf pseudowissenschaftliche Vorurteile zurückziehen, den Herrn als den Messias nicht erkennen und nicht annehmen. Sie mögen an den Fakten vielleicht nicht zweifeln, kommen aber nicht zum richtigen Urteil.

Die anderen, und dazu gehören wieder viele unserer Zeitgenossen, verweisen die Menschwerdung unseres Herrn in das Reich des Märchens. Das ist etwas für Kinder, das geht zu Herzen der Kleinen an der Krippe. Da können wir ein paar Kerzchen anmachen und wir können uns eine halbe Stunde wohlfühlen, wir können ein paar alte Lieder singen. Dann ist alles wieder gut und wir gehen zum täglichen Leben über. Es ist nur ein frommes Märchen, es hat gar nicht wirklich stattgefunden, meinen sie. Das bedeutet praktischerweise nämlich auch, dass wir unser Leben nicht zu ändern brauchen und alles weitergeht wie bisher. Wir alle kennen diese Haltung, denn wir sind alle davon bedroht, durch die falsche Verniedlichung des Weihnachtsgeheimnisses, wie den Weihnachtsmann und allerlei andere kitschige Albernheiten, diese falsche Haltung zu übernehmen.

Doch, da sind auch die, die wirklich weise sind, die wirklich die Schrift tief erkannt und die Zeichen der Zeit gelesen haben. Da sind die Weisen, die aus dem Morgenland herkommen, weil sie wissen: Alle Voraussagen sind wahr, alles deutet darauf hin, dass jetzt geschieht, was das Drama der Menschheit vollendet, dass jetzt der Erlöser kommt, dass Er dort in Bethlehem, in der verachteten Stadt geboren wird. Sie sind die Sehenden! Der Stern, den ihre Weisheit ihnen gezeigt hat, offenbart es ihnen: In Bethlehem ist der Erlöser, dort ist der König, der Messias. Die ganz Weisen, die Großen, die wirklich die Geschichte verfolgt haben, erkennen die Wahrheit und beten den Heiland an. So auch die Gottesmutter, die von göttlicher Weisheit tief und innerlich erleuchtet, sofort weiß: Ihr Sohn ist es, der angekündigt wurde, der Erlöser, der König, der Erretter nicht nur des Volkes Israel, sondern der ganzen Welt.

Ebenso kommen auch die, die einfachen Herzens sind, die sich nicht von falschen Ideologien ihren Geist verschließen lassen, die nicht – weil etwas nicht sein kann, was ihr Leben ändern würde – einfach die Wirklichkeit leugnen oder das Geheimnis passend verniedlichen. Da sind die, die sich ein einfaches Herz, eine offene Seele und einen klugen Geist bewahrt haben, die Hirten, die das Wort der Engel hören und sofort glauben. Sie eilen an die Krippe und sie sehen! Es ist Wirklichkeit geworden: Der Retter ist da, für die Menschheit ist das Elend zu Ende und das Heil beginnt.

Zu dieser dritten Gruppe wollen wir gehören und gehören wir, weil wir heute gekommen sind, nicht, um den Messias zu verleugnen in einer falschen hochmütigen Pseudo-Weisheit, nicht, um eine Stunde Gefühlsduselei zu erleben, sondern um den Messias anzubeten, der vor 2000 Jahren wirklich Mensch geworden ist. Er ist der große, der rettende Gott, der alles erschaffen hat, der so klein wird, dass wir Ihn in unserer Armseligkeit begreifen und umarmen können. Er liebt uns in Seiner Barmherzigkeit so sehr, dass Er in jedes Herz kommen will, dass Er in jeder Wohnung Seine Wohnstätte aufschlagen will, dass Er niemanden allein lässt, sei er auch alt, sei er auch krank, sei er auch hilflos und nicht geehrt von dieser Welt.

Der Heiland ist einer von uns geworden! So sehr, dass Er in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt und dort arm und einsam wäre, wenn nicht diejenigen, die wirklich etwas verstehen und diejenigen, die ein gutes Herz haben, von weit herkämen, um Ihm Gesellschaft zu leisten. So sind wir alle gekommen, um den Herrn anzubeten, anzubeten mit der ganzen Kirche, anzubeten mit denen, die die ganze Wahrheit verstanden haben, weil sie auf die Stimme Gottes hören. Ihn, unseren Messias, wollen wir heute anbeten mit der hl. Jungfrau, dem hl. Joseph, den Heiligen Drei Königen, den Hirten und allen Heiligen der Kirche. Amen.

Predigt Msgr. Prof.DDr. Rudolf Michael Schmitz am Fest der Unbefleckten Empfängnis, dem 8. Dezember 2022

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

„Ein unbeschriebenes Blatt!“ Wenn man das von einem Menschen sagt, dann meint man, dass er keine große Vorgeschichte hat, dass er in seinem Leben vor allem nichts Böses getan hat, dass man ihm nichts vorwerfen kann, dass sein ganzes Leben noch vor ihm liegt, dass er offenbar als ein guter, ja ein heiligmäßiger Mensch erscheint.

Die Allerseligste Jungfrau ist das unbeschriebenste Blatt, das wir uns vorstellen können. Ein ganz weißes Blatt, ein reines Blatt, ein wunderbar schönes Blatt, das Gott selbst wie das feinste Büttenpapier geschöpft hat, damit Er auf ihm jenen einzigartigen Vertrag schreiben kann, mit dem Er von neuem unser Heil ermöglicht. Dieser Vertrag ist kein Vertrag unter Gleichen, denn Gott gibt alles, und wir empfangen alles. Er gibt vor aller Zeit in Seinem göttlichen Plan alles der Gottesmutter, die voll der Gnade ist, und macht sie zu diesem ganz reinen Blatt, auf dem nur Er schreiben kann. Er gibt alles damit aber auch der Menschheit: Eine neue Zukunft, eine neue Hoffnung, weil auf diesem reinen und unbefleckten Blatt mit goldenen göttlichen Lettern geschrieben steht: „Ich werde euch erlösen.“

Der Moment, in dem dieses weiße Blatt der Seele der reinsten Jungfrau Maria beschrieben wird, ist die Empfängnis ihres Sohnes. Sie selbst, ganz unbefleckt empfangen im Schoße ihrer Mutter Anna, empfängt ebenso ohne Makel in ihrem Schoß das göttliche Wort, jenes Wort, das sie allein aufnehmen kann, jenes Wort, das den Vertrag verwirklicht, den Gott selbst eingeht, als Er in Ihrem Schoß Mensch wird. Mit goldenen Lettern wird wiederum geschrieben: „Ich bin Emmanuel, der Gott mit euch, und Ich bin so sehr mit euch, dass Ich im Schoße einer Jungfrau selbst einer von euch werde, nämlich Mensch wie ihr.“

Jeder Vertrag aber braucht ein Siegel. Der Siegelsetzer ist in diesem Fall nicht irgendein Notar und ein anderer Beamter, sondern es ist Gott selbst. Das Siegel, das unter dieses reine Blatt, makellos von Anfang an, gesetzt wird, das unter diesem Vertrag, der durch das göttliche Wort in ihren Leib geschrieben wird, erscheint, ist die Geburt unseres Herrn Jesus Christus. Der Herr kommt in diese Welt gleichsam als das Abschlusssiegel unter jenen feierlich verfügten Willen Gottes, der uns selbst mit Seinem Sohn die Rettung bringt. Maria, ganz reines Dokument der göttlichen Gnade, beschrieben nur durch das Wort Gottes, wird durch diese Geburt besiegelt und es wird allen klar: Sie ist nicht nur die Unbefleckt Empfangene, sie trägt nicht nur das Wort Gottes in ihrem Schoße, sondern sie wird auch tatsächlich und leiblich durch die Fülle der Gnade, die nur ihr geschenkt ist, die Mutter des allmächtigen Gottes. Dieses Siegel der Erlösung wird in der Krippe für uns alle sichtbar!

Aber jeder Vertrag heischt nach Erfüllung. Das unbefleckte Blatt, die goldene Schrift, das wunderbare Siegel, alles das könnte ornamentales Werk sein, wenn es von Menschen käme, und zu weiter nichts führen. Wie viele menschliche Verträge sind in der Geschichte nicht schon gebrochen worden, obwohl mit goldenen Buchstaben auf Pergament geschrieben und mit schweren Siegeln bewehrt. Aber Gott bleibt treu! Er bereitet nicht nur das herrliche Dokument der Gnade vor, Er beschreibt nicht nur das unschuldig weiße Blatt mit Seinem Ewigen Wort, Er besiegelt es nicht nur durch Sein Kommen in die Welt in der Geburt zu Bethlehem, sondern Er erfüllt auch diesen Vertrag in der harten Stunde des Kreuzes, in der Er für uns alle das Dokument unserer Erlösung nicht nur in goldenen göttlichen Lettern, sondern mit seinem eigenen menschlichen Blut unterschreibt und Sich hingibt für unsere Sünden, für unsere Erbärmlichkeit und für unsere endgültige Erlösung.

Nun ist die Hl. Jungfrau nicht mehr das gänzlich unbeschriebene Blatt des Anfangs. Sie bleibt zwar ganz unschuldig und rein, aber sie umfasst jetzt jenen Vertrag, der ihr selber auf den Leib geschrieben ist, nochmals mit dem eigenen Leben: Sie wird in diesem Moment die Mutter der Schmerzen! Sie trägt die Schmerzen ihres Sohnes mit. Obwohl sie selbst unschuldig ist wie Er, trägt sie mit, was wir gesündigt und verschuldet haben, damit sie uns in unseren Nöten und Ängsten Mutter bleiben kann bis zum Ende dieser Welt. Sie und Ihr göttlicher Sohn sind zusammen die Garanten der Erfüllung des Vertrages, den Gott in Seiner Barmherzigkeit von neuem mit der Menschheit schließen will.

Wie die Menschheit hineingerufen wird in das Heil, wie wir jetzt in dieser apokalyptischen Zeit, die mit der Geburt Jesu begonnen hat und die am Kreuz sichtbar geworden, alle gerufen sind, dem göttlichen Vertrag treu zu bleiben, so wird die hl. Jungfrau diesem Vertrag, den ihr Sohn in unserem Namen mit dem Vater geschlossen hat, immer treu bleiben, damit er vollendet werde in der Herrlichkeit. So ist sie, und wir sehen es vor allen Dingen im zwölften Kapitel der Apokalypse des Johannes, nicht nur das unbeschriebene Blatt am Anfang des Vertrages, sie stimmt nicht nur der Ausfertigung des Vertrages durch das göttliche Wort mit freier, freudiger Zustimmung bei, sie wird nicht nur besiegelt mit der Geburt Gottes aus ihrem Leib, sie leidet nicht nur mit dem gekreuzigten Gottmenschen, wenn Er den Vertrag erfüllt, sondern an ihr wird die endgültige Erfüllung, deren Vollkommenheit wir uns nicht vorstellen können, die all unser Sehnen übersteigt, bereits sichtbar in apokalyptischer Schönheit und vorweggenommener Vollendung.

Tota pulchra es, Maria, du bist ganz schön, du bist jenes große Zeichen, von zwölf Sternen gekrönt, auf dem Monde stehend, ein Symbol für die innere Schönheit und anfanghafte Vollendung der Kirche, das uns nie verlässt! Wenn wir in allen Nöten der Zeit, in allen Nöten der Kirche, in allen eigenen Nöten auf Maria blicken, dann sehen wir in ihr die Vollendung bereits verwirklicht. Wir sehen, dass aus dem unbeschriebenen Blatt der unbefleckten Reinheit eine große, wunderbare Urkunde unseres Heils geworden ist, mit goldenen Siegeln geschmückt und vollzogen durch das siegreiche Opfer unseres Königs! Maria, die ewige Urkunde der Vollendung des Willens Gottes, gewährt uns durch die Gnade Christi, wenn wir dem treu bleiben, was sie selbst in ihrem Leben vorgelebt hat, dass diese Urkunde und ihr Vertrag auch an uns erfüllt wird. Auch wir werden mit Maria an der Glorie teilhaben, die sie uns mit ihrer Schönheit schon heute zeigt.

Gott ist kein kleinlicher Vertragserfüller! Alle Seine Werke zeigen vielmehr Seine Größe! Wie Er am Anfang mehr getan hat, als wir erwarten konnten, indem Er mit Maria ein ganz neues Blatt der Heilsgeschichte begonnen hat, wie Er in der Fülle der Zeiten uns Seinen eigenen Sohn geschenkt hat, der aus der Herrlichkeit herabgekommen ist, um unser Elend zu teilen, so wird Er uns am Ende nicht nur buchstäblich den Vertrag des Heils erfüllen, sondern Er wird uns mehr geben, unendlich viel mehr, als wir je erwarten können, weil Er selber so groß ist, dass das Universum Ihn und Seine Pracht nicht fassen kann.

Maria hat Ihn in ihrem Leib umfasst. Er hat ihr Seinen Glanz und Seine Größe mitgeteilt. An sie müssen wir uns halten, wenn es uns von unserer Seite schwerfällt, den Vertrag unseres Heils zu halten. Wenn wir unsere Hand von ihr führen lassen, dann wird unsere Unterschrift unter diesen Vertrag deutlich sein. Und wenn wir einmal beginnen, vor den Schwierigkeiten unseres Lebens zu verzagen und unsere Unterschrift undeutlich zu werden droht, dann wird sie unsere Hand halten wie eine gute Mutter und dafür sorgen, dass unser Name im Buch des Lebens klar verzeichnet bleibt. Haben wir Vertrauen zu ihr, dann kann uns nichts passieren!

Die Kirche, unser Institut und wir alle werden unter dem Schutzmantel Mariens die großartige Herrlichkeit Gottes erfahren dürfen, wenn wir immer auf sie schauen und ihr folgen, denn sie ist das fleckenlose Blatt, auf das Gott Seine Verheißung mit den goldenen Lettern der Ewigkeit geschrieben hat. Amen.

Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz ”Benedikt XVI. Eine dankbare Würdigung“ Predigt im Requiem in Maria Engelport am 5. Januar 2023

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wer war Benedikt XVI.? Diese Frage wird bei einer so hochgestellten Persönlichkeit nicht einfach zu beantworten sein.  Deswegen wollen wir Benedikt XVI. selbst erklären lassen, wer er war und ist. Wir wollen dafür den Worten seines geistlichen Testamentes folgen, das er schon kurz nach seiner Wahl zum Papst im August 2006 verfasst hat.

In diesem geistlichen Testament tritt er uns zunächst als der Mensch entgegen, der er geblieben ist, wenn der Herr ihn auch zur höchsten Würde auf Erden emporsteigen ließ. Jeder Papst, wir wissen es vom hl. Petrus, bleibt Mensch. Es sind die Worte eines einfachen Menschen, die uns am Anfang dieses geistlichen Testamentes in die Seele treffen.

Zunächst dankt er als Mensch denen, die ihm das Leben geschenkt haben, nämlich seinen Eltern. Und er findet rührende Worte, weil er ihnen nicht nur das Leben, sondern auch den Glauben verdankt. Er sagt: „Ich danke meinen Eltern, die mir in schwerer Zeit das Leben geschenkt und unter großen Verzichten mir mit ihrer Liebe ein wundervolles Zuhause bereitet haben, das als helles Licht alle meine Tage bis heute durchstrahlt. Der hellsichtige Glaube meines Vaters hat uns Geschwister glauben gelehrt und hat als Wegweisung mitten in allen meinen wissenschaftlichen Erkenntnissen standgehalten. Die herzliche Frömmigkeit und die große Güte der Mutter bleibt ein Erbe, für das ich nicht genug danken kann.“

Wir haben Benedikt XVI. als einen tiefgläubigen Menschen erlebt. Als Universitätsprofessor – und das ist nicht selbstverständlich – hat er sich den Glauben bewahrt, den ihm seine Eltern geschenkt haben. Er hat als Bischof oft über den Glauben und die Volksfrömmigkeit gepredigt und er hat als Papst ein Zeichen unerschütterlichen Glaubens gegeben, derbleibend in seiner Menschlichkeit eingewurzelt war.

Daher dankt er auch mit einer besonderen Innigkeit für seine bayerische Heimat. Wie das Rheinland ist auch Bayern trotz mancher Wirren lange gläubig katholisch geblieben. Das bayerische Volk hat in einer Volksfrömmigkeit, die bis heute andauert, den Glauben bewahrt. Das jedenfalls ist die Überzeugung Benedikt XVI.. Er sagt: „Danken möchte ich dem Herrn für die schöne Heimat im bayerischen Voralpenland, in der ich immer wieder den Glanz des Schöpfers selbst durchscheinen sehen durfte. Den Menschen meiner Heimat danke ich dafür, dass ich bei ihnen immer wieder die Schönheit des Glaubens erleben durfte. Ich bete dafür, dass unser Land ein Land des Glaubens bleibt, und bitte euch, liebe Landsleute, lasst euch nicht vom Glauben abbringen.“ Diesen Glauben hat er versucht, der ganzen Kirche zu erhalten, den tiefen, echt katholischen Glauben, der von jedem Papst bewahrt werden muss, weil er ihn auch davor bewahrt zu verzweifeln, wenn sein Amt schwer wird und seine hohe Aufgabe ein Kreuz.

Mensch, ein tief glaubender Mensch, ist Benedikt XVI. gewesen. Aber, so weiß er selbst, auch ein sündiger Mensch. Daher endet er diesen Teil seines geistlichen Testamentes mit den Worten: „Alle, denen ich irgendwie Unrecht getan habe, bitte ich von Herzen um Verzeihung.“ Der gläubige Mensch weiß, dass er schwach ist und Grenzen hat. Er muss um Verzeihung bitten und diese Verzeihung wird ihm sicher auch gewährt, wenn er Papst ist, aber als Mensch nicht immer allen Erfordernissen des Papsttums gerecht gewesen sein konnte.

In einem zweiten Teil des geistlichen Testamentes spricht Benedikt XVI. als Theologe. Es spricht aus ihm die akademische Erfahrung, es spricht aus ihm der Universitätsprofessor. Als 29jähriger bereits zur Lehre berufen, war er der Wissenschaft immer verbunden, er war aber, wie hl. Thomas von Aquin, ein betender Theologe. Er hat in Zeiten der allgemeinen Verwirrung nicht immer gleich den richtigen Weg gefunden, aber der Glaube hat ihn auf diesen Weg zurückgeführt und er hat später Fehler eingestanden, die er als junger Professor gemacht hat. Er ist sich sehr bewusst gewesen, dass gerade heute die Wissenschaft oft mehr Verwirrung stiftet als Anleitung gibt. Aus diesem schmerzlichen Wissen sagt er uns: „Lasst euch nicht verwirren. Ich habe von weitem die Wandlungen der Naturwissenschaft miterlebt und sehen können, wie scheinbare Gewissheiten gegen den Glauben dahinschmolzen, sich nicht als Wissenschaft, sondern als nur scheinbar der Wissenschaft zugehörige, philosophische Interpretationen erwiesen. (…) Ich habe gesehen und sehe, wie aus dem Gewirr der exegetischen Hypothesen wieder neu die Vernunft des Glaubens hervorgetreten ist und hervortritt. Jesus Christus ist wirklich der Weg, die Wahrheit und das Leben – und die Kirche ist in all ihren Mängeln wirklich Sein Leib.“

Dieses Zeugnis des Glaubens zeigt auch, dass er in seinem Leben den Glauben immer hat schützen wollen. Als Erzbischof von München hat er die Glaubensverkündigung zum Mittelpunkt seines Wirkens gemacht, als Präfekt der Glaubenskongregation in Rom hat er den katholischen Glauben mit wertvollen Dokumenten geschützt, wie er das auch in seinen päpstlichen Enzykliken tun wollte, weil er wusste, zwischen dem wahren Glauben und der wahren Wissenschaft kann es nie einen Widerspruch geben. Wenn die Wissenschaft dem Glauben zu widersprechen scheint, dann muss sie vertieft werden, denn erst dann, wenn sie in Harmonie mit dem Glauben steht, kann sie in die Tiefe gehen und die ganze Wahrheit finden.

Daher wundert es uns nicht, wenn ein entscheidender, kurzer Satz, in dem er schließlich als Papst zu allen spricht, wieder die Treue zum katholischen Glauben anspricht: „Ich sage nun zu allen, die meinem Dienst an der Kirche anvertraut waren: Steht fest im Glauben!“ Das hat sein ganzes Papsttum ausgemacht: Er wollte, dass die Welt fest im Glauben steht, er wollte, dass alle, die fern vom Glauben sind, zum Glauben zurückfinden, er wollte, wie Petrus, die Brüder im Bischofsamt im Glauben stärken. Darin ist er nicht immer verstanden worden, darin ist er nicht selten abgelehnt worden, das hat sein großes Kreuz ausgemacht. Aber das ist der Wunsch, den er uns auch heute hinterlässt: „Steht fest im Glauben!“

 Er hat das in seinem Pontifikat vor allem durch zwei Themen der Welt gezeigt. Zunächst hat er uns gemeinsam als Leib der Kirche wieder neu auf unser Haupt, auf Jesus Christus, konzentriert. Seine Bücher über Jesus sind vielen ein Grund zur Umkehr und zur Bekehrung gewesen. Seine unermüdliche, tiefe Verkündigung des Glaubens hat vielen den Glauben an die Kirche neu erschlossen.

Besonders aber, und dafür müssen wir als eine Gemeinschaft, die pflegt, was Benedikt XVI die „außerordentliche Form des Römischen Ritus“ genannt hat, besonders dankbar sein, hat er gewusst und verstanden, dass der Glaube auf der feierlichen Liturgie der Kirche aufbaut. Er hat bezeugt, dass die Liturgie wirklich „Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens“ ist und dass ohne die Fülle der Liturgie der Glaube nicht gelebt werden kann. Das großartige Dokument Summorum Pontificum, das wir ihm verdanken, ist deswegen ein Grundstein seines Pontifikates, für den er in der Geschichte besonders erinnert werden wird. In diesem epochalen Dokument ist alles zusammengefasst, der Glaube an Jesus Christus, der Glaube der Kirche aus ihrer unveränderten Überlieferung, der Glaube, der sich in strahlender Schönheit als Abbild des Himmels in der seit Jahrtausenden von der Kirche zu Ehren Jesu Christi gefeierten Liturgie und dem darin immer erneuerten Sühnopfer auf unseren Altären widerspiegelt. Dass Papst Benedikt XVI. der Liturgie aller Zeiten die Normalität wiedergeschenkt hat, dass er das, was die Kirche immer als ihren Mittelpunkt gefeiert hat, wieder in diesen Mittelpunkt gestellt hat, das ist sein großes, sein ewiges Verdienst in der Geschichte der Kirche.

Papst Benedikt war Mensch, Theologe und Papst. Ein Mensch, der viel gelitten hat, ein Mensch, der nicht immer alles richtig gemacht hat, ein Mensch, der auch furchtsam war und uns deswegen zu Anfang seines Pontifikates gebeten hat, für ihn zu beten, wenn die Wölfe kommen. Er war ein tief gebildeter Theologe: Die katholische Lehre war ihm ein großes Herzensanliegen und er hat sie auch als Papst mutig vertreten. Er war aber vor allem für viele Jahre Stellvertreter Jesu Christi, der Vikar des Herrn auf Erden: Was er als solcher getan hat, um den Glauben und die Liturgie zu bewahren, wird für immer bleiben!

Benedikt XVI. hat sein geistliches Testament mit den Worten geendet: „Endlich bitte ich demütig: Betet für mich, damit der Herr mich trotz all meiner Sünden und Unzulänglichkeiten in die ewigen Wohnungen einlässt. Allen, die mir anvertraut sind, gilt Tag um Tag von Herzen mein Gebet.“ Wir beten weiter dankbar und treu für Benedikt XVI. und dürfen hoffen, dass sein Gebet aus der Ewigkeit nicht nur uns im Glauben stärkt, sondern die ganze Kirche, so wie er es auf Erden immer gewollt hat. Amen.