Predigt am Passionssonntag, dem 21 März 2021, von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am 21. März 2021

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Was ist das Geheimnis der Kirche? Sind es unveröffentlichte Akten? Sind es diözesane Bankkonten? Sind es immer wieder aufgeschobene und angekündigte Reformpläne? Die Medien und kleine progressistische Gruppierungen der Kirche können uns wohl kaum sagen, was das Geheimnis der Kirche ist. Nicht auf sie sollen wir hören, sondern auf die Heilige Schrift, die uns eindeutig auf das Zentrum des Geheimnisses der Kirche hinweist, wie heute im Hebräerbrief: Jesus Christus “ist nicht durch das Blut von Böcken oder Kälbern, sondern durch Sein eigenes Blut ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen und hat eine ewige Erlösung erworben. Nun aber, am Ende der Zeiten, ist Er ein für alle Mal erschienen, um durch Sein eigenes Opfer die Sünde auf Sich zu nehmen“ (Hebr 9, 12 f.).

Das eigentliche Geheimnis der Kirche ist demnach das Kreuzesopfer Christi. Es ist dieses Opfer, das das ganze Lebensopfer Jesu Christi zusammenfasst, erhöht und vollendet. Die Passion, das Leiden und vor allem der Opfertod Christi, den uns die Kirche in der Passionszeit und besonders in den Kartagen besonders vor Augen stellt, bilden das tiefste Geheimnis der Kirche, das wir nie vergessen dürfen.

Braucht Gott Opfer? Nein, Gott braucht kein Opfer. Aber wir, Geliebte, die wir von den Folgen der Erbsünde tief verletzt sind, wir, die wir unter der eigenen Sündenschuld täglich leiden, wir brauchen notwendig das Opfer Christi. Wir brauchen Gott, der Mensch wird, um Sich stellvertretend für uns am Kreuz hinzugeben! Der Tod Jesu Christi ist ein stellvertretender Sühnetod, mit dem Christus unsere Schuld auf Sich nimmt, durch den Er uns unsere Sünden vergibt und unsere Missetaten wiedergutmacht. Wer daran zweifeln wollte, der müsste an der ganzen Heiligen Schrift verzweifeln, denn wenig ist deutlicher darin ausgedrückt als der Sühnecharakter des Opfertodes unseres Herrn am Kreuz.

Der hl. Johannes sagt in seinem ersten Brief: „Er ist die Sühne für unsere Sünden. Nicht nur für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt“ (1 Jo 2, 2). Paulus ruft uns im ersten Korintherbrief zu: „Christus ist für unsere Sünden gestorben“ (1 Kor 15, 3). Ebenso sagt er im dritten Kapitel des Römerbriefes (3, 24-25) : „Ohne es verdient zu haben, werden sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus. Ihn hat Gott dazu bestimmt, Sühne zu leisten mit seinem Blut, Sühne, wirksam durch Glauben.“

Der Herr Selbst war sich klar der Tatsache bewusst, dass Er in diese Welt gekommen war, um uns durch Sein Opfer zu erlösen. Jedes Mal, wenn Sein Opfer unblutig auf unseren Altären erneuert wird, hören wir die Worte Christi, der sagt: „Trinket alle aus diesem Kelch, das ist das Blut meines Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26, 27). Und noch eindeutiger sagt Er: „Der Menschensohn ist gekommen, um Sein Leben als Lösegeld hinzugeben für viele“ (Mt 10, 45).

Ja, Sein Blut ist Lösegeld! Lösegeld, mit dem unsere Sündenschuld bezahlt wird, Lösegeld, mit dem wiedergutgemacht wird, was wir Gott durch unsere Sündhaftigkeit nicht an Ehre und Liebe bezeigt haben. Das Lösegeld für unsere Sünden wird uns durch die Kirche vermittelt. Darum versammeln wir uns jeden Sonntag und so oft wir können, um das Heilige Messopfer zu feiern und so das Sündopfer Christi unter uns sakramental zu erneuern. Darum hat Christus den Aposteln beim letzten Abendmahl befohlen: „Tut dies zu Meinem Gedächtnis“ (Lk 22, 19; 1 Kor 11, 23). Denn der Herr weiß, dass wir ohne dieses Opfer nicht sein können. Ohne das Opfer Christi gehen wir verloren!  Ja, die ganze Welt würde verloren gehen, wenn Er sich nicht als Sühnopfer für unsere Sünden hingegeben hätte und dieses Sühnopfer nicht der Kirche hinterlassen hätte, damit sie es durch seine Vollmacht jeden Tag auf ihren Altären geheimnisvoll gegenwärtig setzt und zeichenhaft erneuert.

Das aber, Geliebte, ist nur möglich, weil Christus Gott ist!  Darum geht es in der Kirche und nicht um all den oberflächlichen Unsinn, den wir uns oft anhören müssen. Nicht um all die Nebenfragen, mit denen der böse Feind uns vom Eigentlichen ablenken will. Es geht darum, dass wir wissen: Christus ist Gott. Er ist in diese Welt gekommen, um uns zu erlösen. Er hat sich aus Liebe für uns am Kreuz so völlig geopfert, dass Er sein ganzes Blut für uns vergossen hat – obwohl jeder einzelne Tropfen gereicht hätte, um uns zu erlösen.

Wir müssen also den Glauben an die Gottheit Christi jeden Tag erneuern. Er offenbart uns seine Gottheit eindeutig im heutigen Evangelium mit ewigen Worten: „Bevor Abraham war, bin Ich“ (Jo 8, 58). Nur Gott kann uns das durch den Mund des Gottmenschen Jesus Christus sagen. Nur Gott kann uns durch das Opfer, das Christus gibt, alle Schuld wegnehmen, unsere Sünden vergeben und wieder gutmachen, was wir durch unsere Missetaten verbrochen haben. Nur Gott hat diese Kraft, und diese Kraft hat Gott Seiner Kirche durch Christus weitergegeben. Genau diese Kraft wird gegenwärtig auf unseren Altären, und in dieser Kraft dürfen wir das hl. Messopfer feiern, um den Opferaltar Jesu Christi vereinigt, der nichts anderes ist als Golgotha, auf dem sich Christus einmal für immer für uns geopfert hat.

Als Christus sah, dass die Juden nicht an Seine Gottheit glaubten, ging er aus ihrer Mitte fort: „Er aber verbarg sich vor ihnen“ (Jo 12, 37). Wenn wir in der Kirche an der Gottheit unseres Herrn Jesus Christus zweifeln und nicht mehr sehen, dass Sein Kreuzesopfer, das auf unseren Altären erneuert wird, das Zentrum des Glaubens ist, dann geschieht uns das Gleiche: Dann verbirgt sich Christus vor uns. Am Passionssonntag verbirgt die Kirche alle Kreuze sowie Bilder und Statuen vor uns, um uns an die vom Unglauben verursachte Verborgenheit Christi zu erinnern. Wenn wir nicht mehr glauben, dass Christus Gott ist, dass Er sich für uns geopfert hat und dass dieses Opfer auf unseren Altären für unsere Sünden dargebracht wird, dann verbirgt er sich und wir verblenden. Diese geistliche Blindheit, diese Verblendung führt dazu, dass wir das Wesen der Kirche und ihr eigentliches Zentrum, den geopferten Christus in der Eucharistie, nicht mehr sehen, weil wir nicht mehr glauben wollen.

Deswegen danken wir der Kirche, dass sie uns in diesen letzten Kartagen daran erinnert, dass alles auf das Opfer Christi ankommt. Erneuern wir unsren Glauben und sagen wir mit der Kirche aller Zeiten dem Herrn: Wir glauben daran, dass Du Gott bist; ja wir wissen, Du bist für unsere Sünden und zu unserem Heil am Kreuz gestorben aus reiner Liebe; wir wissen, dass dieses Opfer unter uns gegenwärtig wird und dass in jeder heiligen Messe das Heilsgeheimnis Christi und Sein Opfertod sich zu unserem Heil erneuern! Wenn wir diesen Glauben leben, dann erkennen wir das eigentliche Geheimnis der Kirche, dann wird der Herr sich nicht vor uns verbergen, sondern wir werden Ihn sehen, „wie er ist“ (1 Jo 3,2), jetzt und in Ewigkeit. Amen.

Predigt an Mariae Verkündigung, dem 25. März 2021, von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Ecce ancilla Domini, fiat mihi secundum verbum tuum. Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach Deinem Wort (Lk 1, 38). In diesen wohlbekannten Worten der heiligen Jungfrau ist das ganze Heilsgeheimnis eingeschlossen. Das heutige Fest, das wir oft fast im Verborgenen feiern, und das in seiner Wichtigkeit von vielen noch nicht richtig erkannt ist, zeigt uns die Beziehung der Gottesmutter zum gesamten Geheimnis der göttlichen Trinität. Darin können wir ebenso unsere eigene Beziehung zu Gott, dem Vater, zu Gott, dem Sohn und zu Gott, dem Heiligen Geist erkennen. Das Wort, das wir gerade gehört haben, drückt nämlich die innere, vollkommene Ganzhingabe der Gottesmutter aus. Ganzhingabe ist eine Haltung, die nicht nur die Gottesmutter, die sie ganz vorgelebt hat, verwirklichen sollte, sondern zu der wir, jeder einzelne, in unserem ganzen christlichen Leben berufen sind.

Ganzhingabe ist zunächst ein Werk des himmlischen Vaters. Denn niemand, auch die Gottesmutter nicht, kann ohne Seine vorgängige Gnade sich ganz hingeben. Die Gottesmutter musste durch die Gnade Gottes von Anfang an von jedem Makel der Erbsünde bewahrt bleiben. Nur deswegen konnte sie in dem Moment, wo Gott der Menschheit Sein Heilsangebot erneuert hat, sich ganz hingegeben und ohne Vorbehalt Ja zum Willen Gottes sagen. Wir Menschen wissen, dass Ganzhingabe etwas Menschenunmögliches ist. Jeder von uns ist im Tiefsten ein Egoist. Wir wollen uns nicht weggeben, wir wollen uns nicht schenken, wir wollen behalten und nehmen. Nur mit der Gnade ist es möglich, dass wir den Willen Gottes erfüllen, uns ganz hinzugeben.

Deswegen gibt es Lebensstände, die jedem einzelnen diese Ganzhingabe erleichtern. Die Ehe zum Beispiel, in der wir dem Ehepartner versprechen, uns ganz mit dem, was wir sind und haben, ihm anzuvertrauen, weil er sich uns anvertraut. Diese Ganzhingabe in der Ehe ist nur möglich, weil Gott die Ehe zum Sakrament erhoben hat; weil Er im Ehebund die Eheleute segnet und weil Er ihnen in schwierigen Momenten die Standesgnade gibt, ihrem Versprechen der gegenseitigen Ganzhingabe treuzubleiben, wenn sie aus dem Glauben leben.

Ebenso ist es mit den Ordensleuten und Priestern, die Gott auf je eigene Weise versprechen, sich Ihm ganz hinzugeben. Menschliche Versprechen dieser Art sind immer zu hoch gegriffen. Nur die Gnade macht es möglich, solche Versprechen ein Leben lang zu halten: Jede Ordensfrau, jeder Ordensmann, jeder Priester kann sein je eigenes Versprechen nur halten, weil er durch die Standesgnade, die ihm geschenkt ist, die Kraft dazu erhält, und wenn durch persönliche Heiligung auch in schwierigen Momenten der von der Gnade getragene Wille nicht fehlt, mit allen angebotenen Ganden mitzuarbeiten, um Gott in der freiwilligen Ganzhingabe treu zu bleiben

Jeder von uns persönlich kann und soll sich Gott ganz hingeben. Dazu sind wir im Taufgelübde gerufen und in der Firmung gestärkt: Wir sind als Christen Gott ganz versprochen! Der große Heilige Louis Grignion de Monfort ruft uns deswegen auf, wie Maria, mit Maria und in Maria uns Gott ganz hinzugeben, damit Er in uns das Werk der Gnade erfüllen kann, zu dem wir geschaffen sind. Ganzhingabe ohne Gnade, ohne das Wirken des himmlischen Vaters, ohne die Kraft, die Er uns gibt, mit der Er uns überschattet, ist unmöglich.

Diese Ganzhingabe wird aber durch die Gnade Christi erwirkt. Nur durch Ihn können wir reiche Frucht tragen. Auch hier ist Maria unser Vorbild. Ihre Beziehung zu Christus, und damit die jungfräuliche Mutterschaft Mariens waren nur möglich, weil sie sich ganz Christus geschenkt hat. Sie hat deswegen solch wunderbare Frucht getragen, die Frucht der Erlösung, die Frucht schließlich der Miterlösung, weil sie sich durch die Gnade bewegt, ohne jedes Zögern und ohne jede Angst Gott in die Hand gegeben hat und Mutter Christ geworden ist.

Wenn wir das in unserem jeweiligen Lebensstand tun, ebenfalls von der Gnade Christi gestärkt, dann werden auch wir reiche Frucht tragen. Die Frucht der gegenseitigen ehelichen Liebe und des Kindersegens; die Frucht eines erfüllten Ordens- und Priesterlebens, in dem reiche Gnaden anderen geschenkt werden; die Frucht eines wirklich innigen christlichen Lebens, in dem wir nicht nur für uns selbst, sondern auch für die anderen die Früchte der Gottes- und Nächstenliebe ernten dürfen. Das ist nur möglich durch die Ganzhingabe an Christus; das ist nur möglich, weil wir wie Maria unser Herz Christus öffnen, damit Christus in ihm neu geboren werden kann.

Schließlich führt die Ganzhingabe auch zur Vollendung im Heiligen Geist. Denn zur Vollendung sind wir alle geschaffen. Vollendung bedeutet aber ewige Ganzhingabe. Eine besondere Gabe des Heiligen Geistes ist jenes endgültige Geschenk Gottes, durch das wir uns für immer Ihm öffnen dürfen, die unverdienbare Gnade der Beständigkeit. Der Geist der Gnade will uns in aller Ewigkeit beschenken und in das nie endende Licht der Glorie einführen. Durch den Heiligen Geist ist Maria, unbefleckt empfangen, jungfräuliche Mutter geworden und ist, ohne die Verwesung zu schauen, in den Himmel aufgenommen worden.

Wenn wir uns hier auf Erden ganz hingeben als Eheleute, als Ordensleute und Priester, als Weltlaien in unserem jeweils eigenen Lebensstand und in unserer Lebenssituation, dann sind auch wir für diese Vollendung offen durch den Heiligen Geist offen. Dann wird auch uns eines Tages jene Vollendung zuteil, die nur das Sichwegschenken geben kann. Nur wenn das Weizenkorn stirbt, kann es Frucht bringen. Nur wenn wir unser Herz ganz öffnen und ganz hingeben, dann bringen wir die Frucht, für die wir geschaffen sind; dann bringen wir in diesem Leben die Frucht, die Gott für uns bestimmt hat, und in der Ewigkeit erhalten wir jene, die Gott uns schenken will, in einer Freude ohne Ende.

So sehen wir, dass in dem heutigen Fest, dem Fest der Ganzhingabe Mariens, das ganze Heilsgeheimnis eingeschlossen ist. Das Wirken des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes an ihr und an uns stellt uns die Kirche heute vor Augen.

Danken wir Gott für das Geschenk der Gnade, die eine solche Ganzhingabe möglich macht; danken wir für die vielen Früchte dieser Hingabe, die wir schon in diesem Leben ernten dürfen und für das strahlende Beispiel der Gottesmutter, das uns Mut macht und Gnade verleiht. Bitten wir darum, dass die Früchte der Gnade in unserem Leben so reich sind, dass uns einst die völlige Ganzhingabe geschenkt werden kann. Dann werden wir die Gottesmutter an der Seite ihres göttlichen Sohnes sehen und wir werden mit ihr für immer sprechen können: „Siehe, ich bin eine Magd des Herrn, mir geschehe nach Deinem Wort.“ Amen.

Predigt am vierten Fastensonntag Laetare, dem 14. März 2021, Von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Im Namen dieser großen Worte, die sich die Französische Revolution auf die Fahnen geschrieben hatte, sind in den vergangenen 200 Jahren große Verbrechen verübt worden. Man könnte sogar meinen, dass Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit für den Menschen niemals geringer gewesen sind. Wir merken auch in unseren Tagen, dass die Freiheit bedroht ist, von der Gleichheit und der Brüderlichkeit ganz zu schweigen. Deswegen müssen wir uns mit dem heiligen Paulus in der heutigen Lesung aus dem Brief an die Galater darüber klarwerden, was Freiheit eigentlich bedeutet. Wer ist wirklich frei und woher kommt die Freiheit, deren wir uns rühmen?

Der hl. Paulus sagt es ganz klar: „Sumus filii liberae, qua libertate Christus nos liberavit“ (Gal 4, 31). Wir sind die Kinder der Freien, also der Kirche, durch die Freiheit, mit der uns Christus befreit hat.

Natürlich sind wir alle durch Gott, den Vater, frei geschaffen worden. Wir alle haben keine absolute Freiheit, denn wir bleiben Geschöpfe des Vaters. Wir sind immer von Seiner Güte und Seiner Führung und Seinen Geboten abhängig. Aber Er hat uns die Freiheit gegeben, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und entsprechend zu handeln. Wir besitzen das liberum arbitrium, die freie Entscheidung, Seinem Willen zu folgen oder nicht.

Diese Freiheit aber, wie wir alle aus eigener, oft schwerer Erfahrung wissen, ist von der Sünde geknechtet. Oft wollen wir das Gute tun, aber unsere Schwäche, die von der Sünde kommt, erlaubt es uns nicht, obwohl wir sehen, was das das Gute wäre, und dann trotzdem oft gerade das Gegenteil tun. Deswegen musste Christus uns befreien, Er musste uns die Freiheit zurückgeben, die wir durch die Sünde verloren haben. So können wir uns nicht selbst rühmen, sondern müssen jene Freiheit rühmen, mit der uns Christus befreit hat. Sein Tod am Kreuz war der Akt jener Befreiung, die uns die Freiheit zurückgegeben hat, das Gute zu tun und das Böse zu meiden durch die Kraft Seiner Erlösung, also durch Gnade.

Was aber, so müssen wir weiter fragen, ist der Maßstab dieser Freiheit? Was sollen wir tun und wie sollen wir uns verhalten, damit wir der Freiheit, die Gott uns wiedergeschenkt hat, gerecht werden können? Auch hier gibt uns die Heilige Schrift wieder eine Antwort. Im 8. Kapitel des Johannes-Evangeliums heißt es ganz klar: „Veritas liberabit vos“, es ist die Wahrheit, die euch befreit. Nicht irgendeine These, nicht irgendwelche Meinungen, die wir finden können oder uns selbst in den Kopf setzen, sondern die Wahrheit, die von Gott kommt, die Wahrheit, die von oben kommt, die Wahrheit der göttlichen Offenbarung, die uns in der Lehre der Kirche und in den Geboten Gottes begegnet. Wenn wir nicht wissen, wie wir mit unserer Freiheit entscheiden sollen, wenn unsere Freiheit, durch die Sünde geschwächt, in die falsche Richtung gehen will, dann müssen wir uns an der göttlichen Wahrheit orientieren; dann müssen wir den Maßstab des Glaubens zum Maßstab des Handelns und der Freiheit und machen; immer dann dürfen wir Gott danken, dass Er uns klare Gebote und einen eindeutigen Weg in Seiner Kirche gegeben hat, der uns zu Ihm und Seiner Gnade führt.

Nur die Wahrheit, nichts anderes wird uns frei machen! Immer dann, wenn diese Wahrheit und damit die Freiheit gefährdet ist, soll unser Maßstab der Glaube sein. Damit sehen wir, was der eigentliche Ursprung der Freiheit ist. Sie ist, wie die Heilige Schrift uns im Römerbrief (8, 21) sagt: „Libertas gloriae filiorum Dei.“ Es ist nicht, wie oft falsch übersetzt wird, die Freiheit der Gotteskinder, sondern es ist die Freiheit der gnadenvollen Herrlichkeit der Kinder Gottes. Die wahre Freiheit kommt nicht aus uns selbst! Die wahre Freiheit entsteht nach dem Sündenfall aus keiner bloß menschlichen Ordnung, die diese Freiheit vielmehr oft eher bedroht und manipuliert. Die wahre Freiheit kommt aus der Gnade Gottes!  Wir können sie dadurch erkennen, dass sie zur Glorie führt: Wenn wir unsere Freiheit so benutzen, dass sie der Gnade nicht im Wege steht, dann führt sie durch die Gnade zur Glorie. Wenn sie nicht zur Glorie führt, wenn sie also eine Freiheit der Sünde ohne Gnade ist, dann ist sie nicht die wahre christliche Freiheit.

Wenn wir heute die Freiheit betrachten, dann dürfen wir uns glücklich schätzen, dass wir die Gnade der Freiheit von Christus empfangen haben, die uns zu dieser Glorie führt. Deswegen können wir mit dem heiligen Louis Grignion de Montfort sagen: „Tibi servire libertas“, Dir, Christus, zu dienen ist die wahre Freiheit. Der Dienst an Christus, im Licht der Gebote Gottes und der Lehre der Kirche in der Kraft der Sakramente: Das ist die wahre Freiheit!

Daher, Geliebte, kommt auch alle wahre christliche Freude. Die Freiheit, die von der Sünde geknechtet ist, die Freiheit, die sich von Gott abwendet, bringt niemandem echte Freude, bestenfalls Spaß und Ausgelassenheit. Wir sehen es in unserer Gesellschaft: Die Freude ist künstlich und die Freiheit bedroht. Wenn wir uns aber an der Freiheit der Gnade und Herrlichkeit der Kinder Gottes orientieren, die aus dem Glauben kommt, dann können wir uns freuen. Dann werden wir auch in schweren Tagen die Hoffnung nicht verlieren, denn die Freiheit, die uns gegeben wurde, verlässt uns auch nicht in äußerer Not. Diese auch im Dunkel bleibende Freude, die Vorfreude auf die Glorie ist, erkennen wir mitten in der Fastenzeit am heutigen Sonntag Laetare an der frohen Farbe der liturgischen Gewänder und an der Musik, die uns aus der Orgel entgegenklingt. Die Freiheit gibt uns Freude; und die Freude der Kinder Gottes führt wieder zur Freiheit der Gnade.

Danken wir Gott, dass Er uns in der Wahrheit des Glaubens den Maßstab der Freiheit gegeben hat. Wenn wir wirklich in Freiheit, in Brüderlichkeit und vor Gott in Gleichheit leben wollen, dann orientieren wir uns an dieser einen wahren Freiheit aus Glaube und Gnade, der Freiheit der Kinder Gottes: Wir werden frei, wenn wir Christus dienen, und diese Freiheit bringt uns zu Ihm. Amen.

Predigt zum Fest des Allerheiligsten Namens Jesu am 3. 1. 2021, von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Namen.

Niemand von uns möchte namenlos sein. Namenlosigkeit macht Angst. Man spricht sogar von der namenlosen Angst. Wenn wir etwas nicht definieren können, wenn wir es nicht erklären können, wenn wir einer Situation keinen Namen geben können, sind wir unsicher und fühlen uns leicht bedroht. Andererseits sagen wir von jemandem, der eine besondere Persönlichkeit ist und etwas Besonderes geleistet hat, zu Recht: Er hat sich einen Namen gemacht.

Der Name des Menschen ist ein wesentlicher Teil seiner Existenz. Der Mensch braucht einen Namen. Wir geben unseren Kindern von Anfang an einen Namen und dieser Name wird bestätigt, erhöht und geheiligt durch die Taufe, in der er feierlich verliehen wird. Der Name des Menschen ist unveränderlich. Nach der klassischen Rechtsprechung ist dieser unveränderliche Name mit der Identität des Menschen eng verbunden. Nur wer einen Namen hat, kann gekannt werden. Nur wer einen Namen hat, kann angesprochen werden. Deswegen ist der Name exklusiv. Wir dürfen den Namen der anderen nicht missbrauchen. Wir dürfen unseren eigenen Namen nicht mit Dingen oder Taten verbinden, die nicht die unseren sind. Mit dem persönlichen Namen verbinden wir diese Exklusivität der Identität, die das Gesetz schützt und die verhindert, dass wir in die gefährliche Namenlosigkeit verfallen.

Auch gibt uns der Name die Möglichkeit, Beziehungen herzustellen. Wenn man sich begegnet, stellt man sich einander mit dem Namen vor. Durch den Namen erkennen wir Familenzugehörigkeiten. Geliebte Menschen und Familienmitglieder nennt man gerne beim Vornamen. Aber auch, wenn jemand etwas verbrochen hat, wenn etwas nicht gut war, fragen wir nach dem Namen, damit wir den identifizieren können, der verantwortlich ist. Sogar wenn wir beten, wenden wir uns nicht an namenlose Geister, sondern wir wenden uns an Gott, Seine Engel und Heiligen mit den Namen, die wir aus Schrift und Tradition kennen. Selbst wenn die Kirche in der Macht, die Christus ihr gegeben hat, Exorzismen über die Dämonen betet, dann muss der Priester nach dem Namen fragen, denn wenn der Name fällt, dann hat die Kirche Gewalt, den Dämon auszutreiben. Der Name, auch der Name der gefallenen Engel ist so stark, dass Macht damit verbunden ist, ihn zu wissen.

Aber über allen diesen Namen, über den Namen der Menschen, über den Namen der Engel, über den Namen der Heiligen steht jener Name, den die Kirche uns heute vorschreibt zu feiern: Der Name Jesu, der Name, vor dem sich alle Knie beugen, der Name, in dem allein Heil ist. Jesus ist eine Verkürzung des hebräischen Namens Joschua, Gott ist der Retter, Gott ist der Befreier, Gott ist der Herr. Im 1. Kapitel des Matthäus-Evangeliums wird darin zurecht eine Erfüllung jener Prophezeiung gesehen, dass der Erlöser Emmanuel ist, nämlich der Gott mit uns, der nahe Gott, der Sich um Seines Namens willen jedes Einzelnen erbarmt, der uns beim Namen gerufen hat, der unseren Namen kennt und dessen Name uns gegeben ist, damit wir gerettet werden können.

Jesus ist wirklich ein naher Gott, deswegen hat er für uns einen menschlichen Namen angenommen. In diesem Namen handelt die Kirche. Sie betet im Namen Jesu, sie spendet die Taufe im Namen Jesu und der anderen göttlichen Personen. Die Sakramente werden niemals gespendet, ohne dass der Name des Herrn über uns ausgerufen wird. Der Name Jesu Christi ist der Name, der gleichsam in jedem Tabernakel fleischgeworden gegenwärtig ist, der Name der Kraft, der Gewalt, der Größe Gottes. Wegen dieser Majestät des göttlichen Namens wurde im Alten Testament der Name Gottes selten ganz geschrieben und niemals ausgesprochen.

Wir aber haben einen menschgewordenen Gott. Er hat uns Seinen Namen gegeben, damit wir Ihn rufen können. Er hat Sich uns mit Seinem Namen vorgestellt. Er hat uns gleichsam durch Seine Barmherzigkeit in der Anrufung Seines Namens Macht über Sich gegeben, und Er hat diesen Namen ausgerufen, damit Sein heiliges Volk, die Kirche, in diesem Namen geschützt wird. Wir dürfen sogar im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes beten und mit Jesus ausrufen: Abba, Vater!

Die ganze Majestät der göttlichen Namen aber ist im Namen Jesu vereint: Als während der Türkenkriege des 17. und 18. Jahrhunderts die Franziskaner den Namen Jesu und seine Verehrung verbreitet haben, da haben die Christen diesen Namen angerufen, um die große weltliche Gefahr zu bannen, in der sie standen. Als dann nach der entscheidenden Schlacht Innozenz XIII. auf Betreiben Kaiser Karls VI. das Fest des heiligen Namens Jesu 1712 in der ganzen Kirche eingeführt hatte, wussten die Menschen: Wenn wir den Namen Jesu aussprechen, dann haben wir Schutz, dann sind wir unter der behütenden Macht des Herrn Selber, dann wissen wir, dass Seine Kraft und Seine Gnade siegen, dann gibt eine keine namenlose Angst!

Deswegen wollen wir auch heute, an diesem Festtag und an jedem Tag des Neuen Jahres den Namen Jesu auf uns herabrufen. Das ist der Name, in dem alle Gewalt des Himmels und der Erde beschlossen ist und vor dem sich alle Knie beugen sollen, im Himmel und auf Erden. Wenn wir diesen Namen täglich oft aussprechen im Jesusgebet, im Kreuzzeichen, als Stoßgebet, wenn wir diesen Namen mit Ehrfurcht behandeln und ihn nicht missbrauchen in gedankenloser Rede, wenn dieser Name uns voranleuchtet, dann wissen wir: Ja, Gott ist unser Retter, Gott ist unser Befreier, Gott ist der Herr, der Emmanuel, der Gott-mit-uns: Er verlässt uns nicht! Sind wir sicher mit der ganzen Kirche, der Herr hat Sich einen Namen gemacht, einen einzigartigen Namen, der alle dunkle Namenlosigkeit bekämpft und in dem wir gerettet sind, denn dieser heiligste Name wird von der Kirche täglich über uns ausgerufen und wir alle stehen unter Seinem Schutz!

Amen.

Predigt zum 5. Sonntag nach Ostern, dem 14. Mai 2023, Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

„Seid Befolger des Wortes und nicht nur Hörer, sonst betrügt ihr euch selbst.“ (Jak 1,22) Diese oft erlebte Dichotomie, diese Spaltung zwischen dem Glauben, den wir wohl bekennen, und unserem Leben, das diesem bekannten Glauben dann doch nicht folgt, liegt an unserer gefallenen Natur. Diese sündhafte Trennung zwischen Glauben und Leben müssen wir ein ganzes christliches Leben lang zu überwinden suchen. Der heilige Papst Johannes Paul II. sagt das in seiner berühmten Enzyklika Veritatis splendor ganz eindeutig: „Kein Riss“, so sagt der Papst, „darf die Harmonie zwischen Glauben und Leben gefährden. Die Einheit der Kirche wird nicht nur von den Christen verletzt, die Glaubenswahrheiten ablehnen oder verzerren, sondern auch von jenen, die die sittlichen Verpflichtungen verkennen, zu denen sie das Evangelium aufruft.“

Wir müssen das Wort Gottes also nicht nur hören, sondern wir müssen es tun. Die Bedingung dazu, dass wir das Wort hören und es befolgen können, ist aber, dass wir es verstanden haben, dass wir die Wahrheit, die das Wort Gottes enthält, wirklich erkennen und nicht in eine falsche Richtung gehen und meinen, wir könnten nach unserem eigenen Gutdünken und unserer eigenen Interpretation der Schrift folgen. Man kann nicht dem Willen Gottes entsprechend leben, wenn man die Schrift alleine nach eigenem Gutdünken auslegt oder die Auslegung der Kirche, die allein vom Heiligen Geist als die wahre garantiert ist, ablehnt und sich selber neue Lehren zurecht macht. Es ist deswegen eine wichtige Bedingung des richtigen Verstehens des Wortes und der richtigen Ausführung des verstandenen Wortes, dass wir uns an die reine katholische Lehre halten.

Gestern hat die Kirche den großen heiligen Kardinal Robert Bellarmin gefeiert, der in einer Zeit, wo die sogenannte Reformation die Heilige Schrift nach eigenem Gutdünken erklären wollte, uns darauf hingewiesen hat, dass zum richtigen Glauben und zum richtigen Handeln die Reinheit der Lehre gehört. Er sagt in einer seiner Predigten: „Die Reinheit des Glaubens ist es also, wodurch sich unsere Religion vor allem Weltlichen besonders auszeichnet. Denn während alle Religionsgesetze der Philosophen, Heiden und Ketzer neben einigen Wahrheiten viele offenbare Lügen und der Frömmigkeit und Ehrbarkeit sicher widerstrebende Regeln enthalten, kann sich nur unsere heilige Kirche rühmen, dass sie das untadelhafte Gesetz des Herrn ohne die Hinzusetzung eines Irrtums besitzt, was ein ausreichender Beweis dafür ist, dass nur allein unser Gesetz Gott zum Urheber hat.“

Wenn wir wissen wollen, was das Wort Gottes beinhaltet und was seine Wahrheit für unser Leben bedeutet, ist es wichtig, dass wir die vom Heiligen Geist inspirierten und getragenen Wahrheiten der Kirche, wie sie sich in der katholischen Lehre seit der Offenbarung durch Jesus Christus immer erhalten haben, genau kennen, dass wir sie leben und dass wir uns ihnen geistig und in unserer konkreten Existenz dankbar unterwerfen. Wenn wir unserem eigenen Wort folgen, wenn wir im Ungehorsam zur Lehre der Kirche leben, dann werden wir vielleicht das Wort Gottes hören, aber wir werden es missverstehen, wir werden in die Irre gehen und werden das Wort Gottes nicht in die Tat umsetzen.

Deswegen ist es außerordentlich wichtig, dass der, der das Wort Gottes hört und es befolgen will, sich als ein Glied der Kirche versteht. Denn die Gliedschaft der Kirche, die Tatsache, dass wir Glieder im mystischen Leib Christi sind, der die Kirche ist, rettet uns davor, selbst zu interpretieren, eigenmächtig zu handeln und einen Glauben zu erfinden, der mit der Lehre Jesu Christi nichts mehr gemein hat.

Deswegen hat auch das Zweite Vatikanische Konzil, das die Einheit der Kirche und ihre Identität mit dem Leib Christi betont, unsere Verbindung mit der Kirche und ihrem inneren und äußeren Leben unterstrichen. Es zitiert dabei wieder den großen Kirchenlehrer Robert Bellarmin, dessen berühmte Definition für die Kirche auch heute noch gilt. In dem Dekret für die Ostkirchen (Nr. 2) lehrt das Konzil: „Die heilige katholische Kirche ist der mystische Leib Christi und besteht aus den Gläubigen, die durch denselben Glauben, dieselben Sakramente und dieselbe oberhirtliche Führung im Heiligen Geist organisch geeint sind.“

Die katholische Lehre lädt uns ein und hilft uns, wahre Hörer des Wortes zu sein. Die sieben heilswirksamen Gnadenzeichen der Sakramente stehen uns dann bei, das, was wir aus der Lehre der Kirche als wahre Hörer des Wortes verstanden haben, je nach unserem Stand zu leben oder, wenn wir zu schwach gewesen sind, um den Glauben zu leben, in der heiligen Beichte zu Gott zurückzufinden, unser Ohr wieder neu der Wahrheit zu öffnen und unser Leben so zu ordnen, dass wir die Wahrheit nicht nur gehört haben, sondern sie dann durch uns auch verwirklicht wird. Mit Hilfe der Sakramente können wir das dauernde und unveränderte Lehramt der Kirche zu allen Zeiten zum Maßstab unseres Handelns machen. Darüber hinaus dürfen wir erfahren, dass die mit dem göttlichen Gesetz unverbrüchlich verbundene überlieferte hierarchische Ordnung der Kirche uns in unserer Schwäche ebenfalls hilft, nicht nur das Wort zu hören, sondern dieses Wort auch zu tun. Wenn wir mit diesen drei Banden mit der heiligen Kirche, dem mystischen Leib Christi, verbunden bleiben – mit der Reinheit der Lehre, mit der Fülle der Sakramente und mit der bewährten Ordnung -, dann werden wir nicht in die Irre gehen, wir werden die Kraft finden, nicht nur zu hören, sondern auch zu tun.

Auf diese Weise werden wir erleben, dass das Wort Gottes das „vollkommene Gesetz der Freiheit“ ist, wie der Apostel Jakobus lehrt (Jak 1, 25), und uns die „Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8, 21) verleiht, wie der Völkerapostel unterstreicht. Wort und Gesetz Gottes engen uns nicht ein, unterdrücken uns nicht, sondern machen uns frei von Irrtum und Sünde! Sie öffnen unser Herz, machen die Augen unseres Glaubens sehend und stärken das innere Gehör des Gewissens für die Wahrheit. Wer deswegen ganz in der Kirche leben wird, wer sich ihrer Überlieferung in Lehre, Sakramenten und Disziplin öffnet, wird wahrer Hörer des Wortes, und er wird von Gott durch Seine Gnade die Kraft bekommen zu tun, was er gehört hat. Amen.

Predigt zum Sonntag vom guten Hirten, dem 23. April 2023, Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wie meisten von ihnen wissen, halten wir hier in Engelport Schafe. Letztlich haben wir zwei von diesen Schafen eine neue Weide voll frischem Gras und frischen Kräutern gegeben. Trotzdem sind sie durch eine kleine Öffnung im Gitter irgendwohin gegangen, wo es statt Gras nur Dornen gab und wo sie auch nichts zu trinken hatten. Schließlich hat dann einer unserer Kanoniker sie wieder auf die frische neue Weide zurückführen müssen.

Wenn der Herr von Schafen und Hirten spricht, dann weiß Er nicht nur genau über die Schafe Bescheid, denn Er kannte sie wie wohl alle Juden seiner Zeit aus eigener Erfahrung, sondern Er weiß auch genau über uns Becheid. Diesen vielleicht auf den ersten Blick wenig schmeichelhaften Vergleich verwendet Er nämlich, weil wir tatsächlich oft genug mit Schafen zu vergleichen sind. Schafe sind Herdentiere. Sie tun gern, was alle anderen tun und laufen den anderen blökend nach. Wer könnte von sich sagen, dass er das nicht auch schon in seinem Leben getan hätte? Das, was alle tun, das, was keinen Anstoß erregt, das, was gerade modern ist zu tun, das tun wir manchmal alle, so wie die Schafe, die der Herde gedankenlos hinterherlaufen.

Schafe werden leicht ängstlich und verwirrt. Sobald irgendwo ein unbekanntes Geräusch oder gar einen Hund auftaucht, sind sie alle verschreckt, laufen wirr durcheinander und wissen nicht mehr, was sie tun sollen. Wie leicht kann man nicht die Menschen mit Angst und Zweifel in die Irre führen. Wir haben in der Geschichte unseres Volkes im vorigen Jahrhundert und wieder ganz kürzlich erlebt, wie stark die Angst als Instrument der Herrschaft sein kann. Wir sind dann wie Schafe, nicht weniger verwirrt, nicht weniger kopflos, und wir wissen nicht mehr, was wir tun sollen.

Die Schafe folgen ihrem Nahrungstrieb und ihren anderen Instinkten. Auf der anderen Seite des Zaunes glauben sie immer, dass das Gras grüner und die Blumen schöner blühen. Wie oft sind nicht auch wir von unseren niederen Instinkten bewegt! Wir glauben, dass es anderswo besser ist, besonders weg von den Geboten Gottes. Wir vergessen, dass wir überall da, wohin wir in dem Glauben gehen, dass es dort besser ist, auch uns selbst mitbringen und auch dort sind wir dann nicht wirklich in der Lage, unsere Leidenschaften zu zügeln. Wir sind wie die Schafe, die aus dem Zaun der Gebote ausbrechen, weil sie glauben, draußen sei es besser und dann doch nur Durst und Dornen finden.

Schafe sind nicht immer vernünftig. Man sagt nicht umsonst von jemandem: Du bist ein dummes Schaf. Aber sind wir immer vernünftig? Lassen wir uns nicht oft von Hass, Neid und Lust bestimmen, so dass unsere Vernunft nicht mehr die erste Geige spielt, sondern alle möglichen anderen Beweggründe uns dazu bringen, etwas Unvernünftiges und schließlich für uns und andere Schädliches zu tun? Handeln wir nicht auch da wie die vom Instinkt getriebenen Schafe?

Schließlich sind die Schafe immer verletzlich und gefährdet. Hier, wo offensichtlich die Wölfe wiederkommen, müssen wir unsere Schafe beschützen. Wir wissen, sie können sich nicht selbst verteidigen. Sie können manchmal sogar den Wolf und andere Gefährdungen nicht erkennen und setzen sich Dingen aus, die ihnen das Leben kosten könnten. Wie oft ist es nicht in unserem Leben auch so gewesen? Wir wissen ganz genau, dass wir gefährdet sind und verletzlich sind. Nicht nur von Krankheiten, nicht nur vom Tod, sondern von vielen anderen geistigen Gefahren und Irrtümern, die wir nicht gleich erkennen und denen wir zum Opfer fallen. Auch wenn wir die Gefahren erkennen, handeln wir oft genug unvernünftig und kurzsichtig, eben wie Schafe.

Das sind die Gründe, warum der Herr uns mit den Schafen vergleicht. Darum brauchen wir wir alle einen guten Hirten brauchen! Es gibt keine autonomen Schafe, genauso wenig wie es autonome Christen gibt. Wenn wir uns selbst zu bestimmen versuchen, dann werden wir wie die Schafe der Herde nach in die Irre laufen. Wir brauchen deswegen einen guten Hirten, der die Schafe genau kennt, der weiß, wie die Herde sich bewegt, der jedes einzelne Schaf beim Namen rufen kann und der manchmal auch seinen Hirtenstab verwendet, um diejenigen, die besonders widerspenstig sind, auf den guten Weg zurückzuführen.

Der gute Hirte leitet und beschützt die Schafe, und zwar manchmal auch vor sich selbst. Denn wir wissen aus eigener Erfahrung, auch aus der Erfahrung in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, dass die Menschen oft vor sich selbst geschützt werden müssen. Sie sehen den Sinn der Gebote Gottes, die sie doch beschützen und zum jetzigen und zum ewigen Heil führen, nicht ein. Jugendliche wissen oft alles besser, selbst Gott gegenüber.  Aber wenn wir ihnen, manchmal sogar mit heilsamem Zwang, den richtigen Weg zeigen, dann tut ihnen das gut. Am Ende ihres Lebens sind sie denen, die sie erzogen haben, dankbar, dass man sie nicht den Dornen ausgeliefert hat. So ist es mit allen Christen, gleich welchen Alters und Standes!

Der gute Hirte weiß nämlich besser als die Schafe, was gut für sie ist. Die Schafe denken immer, woanders schmecke das Gras besser. Wir denken leicht, wo Gott uns scheinbar nichts zu sagen hat oder wo wir gleichsam durch die kleine Öffnung im Zaun seiner Gebote schlüpfen können, da wird es uns dann richtig gut gehen. Aber in Wirklichkeit schaden wir uns!  Wir wissen nicht, was auf der anderen Seite auf uns wartet. Wir haben den Wolf nicht in seiner ganzen Grausamkeit erkannt. Wenn wir aber den Geboten Gottes nicht folgen, wenn wir meinen, unseren eigenen Willen und unseren eigenen Kopf durchsetzen zu müssen, dann gehen wir in die Irre und stürzen den Abgrund herab, der gleich hinter der vermeintlich grünen Wiese beginnt. Vertrauen wir also dem guten Hirten und verstehen wir endlich, dass Er es besser weiß als die Schafe! Deswegen hat Gott uns die zehn Gebote gegeben, deswegen gibt es die göttliche Offenbarung, deswegen gibt es die Lehre der Kirche, damit wir trotz unserer Kleinheit und Beschränktheit den größeren, besseren, gesünderen Weg für unseren Leib und unsere Seele finden, den Weg des Heils, den der gute Hirte uns anleitet zu gehen.

Schließlich dürfen wir sicher sein, dass dieser gute Hirte, der Bischof unserer Seelen, keine Angst hat, für uns Sein Leben zu geben. Er hat es verloren am Kreuz, damit wir es gewinnen. Er hat, damit wir an Ihn glauben, klar gezeigt, dass Er der Sieger über den Tod ist und ist von den Toten auferstanden, Er wird uns immer mit seinem Leben verteidigen, Ihm sollen wir folgen! Nicht der kopflosen Menge, nicht alten Irrtümer und billigen Verführungen, sondern der wahren Lehre Jesu Christi, so wie sie uns in den Geboten Gottes und in den Verkündigungen der Kirche aller Zeiten klar mitgeteilt wird.

Für die menschlichen Schafe, die wir alle sind, und auch für die menschlichen Hirten, die nicht weniger Schafe sein können, gilt das Gebot der Klugheit, nicht der Menge, sondern dem einen guten Hirten ohne Zögern zu folgen. So hat es schon Gott dem Moses im Buch Exodus (23,2) offenbart: „Non sequeris turbam ad faciendum malum nec in iudicio plurimorum adquiesces sententiae, ut a vero devies“; „Du sollst nicht der Menge folgen zum Bösen, noch dich einem Urteil der Mehrheit anschließen, sodass du von der Wahrheit abweichst.“

Nicht die Menge, nicht die Masse, nicht die große Herde führt uns den richtigen Weg! Es ist vielmehr der eine Hirt, Jesus Christus, der Herr, dem wir folgen sollen; der eine Hirt, der Gottmensch, der uns klare Worte, Gebote, Lehren und heilswirksame Zeichen in Seiner Kirche hinterlassen hat; der eine Hirt, der wahre Erlöser, der die Schafe, die ihm folgen, zu der einen klugen Herde macht und dann dahin führt, wo in Ewigkeit immer grünes Gras wächst und immer frischer Trank zu haben ist.

Der gefallene Mensch, d.h. jeder von uns, ist immer davon bedroht, ein dummes Schaf zu werden und den Instinkten, der Macht und der Angst zu folgen. Deswegen sollen wir uns gesagt sein lassen: Sei kein Schaf! Folge nicht der blinden Menge, folge nicht der lauten Masse, sei kein dummes Schaf. Folge Jesus Christus, unserem Gott und Herrn, dem einzigen, wahren, guten Hirten! Er allein führt zum Heil! Amen.

Predigt zum Fest der Hl. Familie, am 10. Januar 2021, Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Warum wird die Familie heute immer heftiger angegriffen? Sie wird angegriffen, weil sie, sei es als natürliche oder christliche Familie, eines der größten Geschenke Gottes an die Menschheit ist.

Jeder wird in einer Familie geboren und diese Familie hat so viele gute Seiten, dass wir ohne sie weder sein noch leben könnten; ohne sie wären wir nicht, was wir sind; ohne sie würden wir nicht lernen, in Gemeinschaft zu leben und ohne diese Familiengemeinschaft auch Gott in der Kirche nicht richtig verehren. Die Familie ist von so großer Wichtigkeit, dass unser alter Feind, der uns nur Böses will, sie angreift, wo er eben kann. Am Fest der Heiligen Familie wollen wir uns daher auf das große Geschenk besonders der christlichen Familie besinnen, denn Gott Selbst hat entschieden, in einer Familie Mensch zu werden, damit wir sehen können, dass die Familie so wichtig ist, dass Er durch Seine Gegenwart in der Heiligen Familie die natürliche Familie besonders heiligen und mit übernatürlichen Gaben stärken wollte.

Zunächst schenkt uns die Familie Gemeinschaft. Wir wissen, dass der Mensch ein Gemeinschaftswesen ist, dass er nicht allein leben kann. Wenn wir vereinzelt sind, dann sind wir verletzlich! So brauchen wir gleich von Anfang an, gerade dann, besonders wenn wir als Kleinkinder und Kinder, als Jugendliche verletzlich sind, den Rahmen der Familie. Wir brauchen diejenigen, die uns schützen, die uns helfen, die uns zur Seite stehen, die uns erziehen, damit wir eben nicht vereinzelt und manipulierbar sind, sondern einer Gemeinschaft leben können, die uns hilft, menschlich zu handeln und die uns als Christen zu Gott führt. Die Familie gibt uns eine außerordentliche Geborgenheit. Wer alleine leben muss, der weiß, wie schwierig das oft ist. Auch wer allein ist, wird durch die weitere Familie und den Freundeskreis Geborgenheit suchen.

Die Familie gibt uns aber jene Geborgenheit, die wir brauchen, damit wir uns nicht in der Kälte dieser Zeit verlieren. Sie gibt uns die Geborgenheit des Zuhauses, des Behütetseins, des Umgebenseins von liebenden Menschen, an die wir uns wenden können, wenn wir allein sind oder uns traurig fühlen. Selbst wenn in keiner auch noch so guten Familie alles ideal ist, wenn die Familienmitglieder schwache Menschen mit Grenzen und Fehlern sind, so gibt der Zusammenhalt der Familie doch eine Kraft, die wir allein schwer erringen können

Darüber hinaus gibt die Familie uns das, was der Staat uns nicht geben kann, nämlich persönliche Sicherheit. In der Familie, besonders der christlichen Familie, kann sich der eine auf den anderen verlassen. Das mag nicht immer ohne Spannungen abgehen, aber im Letzten hält doch die Familie meist zusammen, wenn es darum geht, Schwierigkeiten zu überwinden und auch ganz einzigartige Situationen zu ertragen. Wie viel einfacher ist es nicht, in einer Familie zusammen zu sein, wenn der Tod an die Türe klopft? Wieviel einfacher ist es nicht, sich in der Krankheit behütet zu fühlen, wenn die Familienmitglieder sich um uns kümmern? Wie viel einfacher ist es nicht, sich in Sicherheit zu wissen, wenn wir selbst uns in Schwachheit und Alter nicht mehr um unsere eigenen Dinge kümmern können, aber die anderen Familienmitglieder uns zur Seite stehen, damit wir besser leben können. Die christliche Familie schenkt uns diese einzigartige gegenseitige Hilfe, denn diese gegenseitige Hilfe ist leider nicht mehr selbstverständlich. Manchmal muss man sich überwinden, auch in der Familie, um dem anderen gegen den eigenen Egoismus beizustehen. Jeder muss sich gleichsam zurücknehmen, damit er in der Familie dem anderen Hilfe leisten kann. Diese Hilfe ist eben keine bezahlte, sondern eine opferbereite Hilfe. Sie ist eine Hilfe, die wir freiwillig leisten, weil wir uns in dem Rahmen der Familie gegenseitig stützen. Wir tun das in der berechtigten Hoffnung, dass die Familie auch uns zur Seite steht und uns ebenso hilft, wenn wir sie brauchen.

Die Familie schenkt uns ebenfalls eine einzigartige Eingebundenheit. Wir sind nicht allein, sondern wir sind in einem großen Ganzen eingebettet, einem Ganzen, das nicht nur die kleine Familie umfasst, sondern, wie wir es an der Heiligen Familie sehen, auch die Großfamilie, die wir in diesem besonderen Fall die Heilige Sippe nennen. Wir sehen, dass sich die Heilige Familie auch auf den weiteren Familienkreis verlässt. Der Herr, der verloren gegangen scheint, wird zuerst im Familienkreis gesucht, sucht, schon vorher besucht die hl. Jungfrau ihre Cousine Anna, oft befindet sich die Gottesmutter im Familienkreis, gegenseitig stützt, die Apostel sind teilweise Vettern des Herrn, der auch in eine Großfamilie eingebunden ist. So könne auch wir, wenn es schwierig wird, dem christlichen Glauben zu folgen, in der größeren Familie, ja in der Familie der Kirche Stütze finden, denn es findet sich immer jemand, der uns hilft, der mit uns glaubt und für uns betet.

Die Wichtigkeit der Familie aber zeigt sich in einer ganz besonderen Weise dadurch, dass die Familie für viele auch das Tor zur Kirche ist. Denn weil die christliche Familie auf das Sakrament der Ehe aufbaut, weil die Familie uns einführt in den Glauben, weil die Familie dafür sorgt, dass die Kinder getauft werden, deswegen ist die Familie auch das Tor zu jener größeren Familie, zur Familie der Kirche. Die Familie der Kirche wiederum ist eine geistliche Familie, in der viele Familien Platz haben, die so, wie unser Institut Christus König, die heilige Familie nachzuahmen suchen. In der Familie der Kirche sollen wir uns in einem gemeinsamen Streben nach Heiligkeit gegenseitig darauf hinweisen, dass jede Familie, sei es die natürliche Familie, sei es die christliche Familie, sei es die geistliche Familie, offen ist auf die Gemeinschaft mit Gott und letztlich ohne diese Gemeinschaft nicht leben kann.

Um das zu verwirklichen, müssen wir in der Familie Demut und Selbstvertrauen lernen. Wenn wir wirklich die Gemeinschaft der Familie erhalten, dann findet jeder darin seinen Platz. Das bedeutet aber, dass jeder sich in der Demut übt, dass er sich nicht an den Platz eines anderen stellen will, dass er sich nicht wichtig machen will, dass er nicht immer recht haben will, dass er auch demütig verzeihen und Verzeihung entgegennehmen kann, das er Opfer bringen muß. Wir können nur dann in der Familie leben, wenn wir auf unserem eigenen Platz sind und an unserem Platz unsere Pflicht erfüllen. Familienleben gibt uns deswegen die Möglichkeit, Demut und Opferbereitschaft zu lernen.

 Dadurch, dass die anderen in der Familie ebenso ihren Platz ausfüllen und uns gleichzeitig an unserem Platz das Gefühl geben, gebraucht zu werden, gibt uns die Familie auch Selbstvertrauen. Denn ohne die Familie wären wir nichts. Ohne die Familie wären wir nur ein kleines anonymes Rad im Gesamt eines kalten Staates. Wir wären nur noch Teil des Arbeitsprozesses und kalkulierbarer Konsument! Weil wir aber in der Familie demütig unseren Platz einnehmen und ausfüllen, weil wir so anderen helfen und dienen, werden wir gebraucht und haben das Selbstvertrauen des Familienzusammenhaltes, das nicht leicht erschüttert werden kann, wenn wir als Einzelne uns in die christliche Familie einordnen. Das gibt uns dann auch jene emotionale, gefühlsmäßige Stabilität, die wir brauchen, um in der Härte des Lebens zu bestehen.

Als Erzieher junger Menschen merken wir leicht, wenn jemand aus einer gebrochenen Familie kommt. Was für ein großes Geschenk ist es nicht, eine gesunde christliche Familie als Hintergrund zu haben! Die emotionale Stabilität, die die Einheit der Familie von Mutter, Vater und Kindern gibt, kann nur dann weitergegeben werden, wenn wir sie empfangen haben. Deswegen will der böse Feind die Familien zerstören, damit wir unsicher werden und damit wir nicht die christliche Liebe weitergeben können, weil wir sie nicht empfangen haben. Die Familie ist gleichsam der Nährgrund dieser Liebe. Jeder, der durch eine christliche Familie gegangen ist, auch wenn Kreuz und Schwierigkeiten in einer solchen Familie nie fehlen, der kann geben, was er empfangen hat, nämlich die Liebe und Sicherheit, deren Hort die Familie ist.

Wenige Bedingungen, die wir alle leicht erfüllen können, tragen dazu bei, dass unser Familienleben dem Leben der Heiligen Familie täglich mehr gleicht.

Zunächst einmal müssen wir uns vornehmen, miteinander Zeit zu verbringen. Gott hat uns Zeit geschenkt, damit wir sie den einzelnen Familienmitgliedern schenken. Wie wichtig ist es, dass der Vater sich um seine Kinder kümmert! Wie wichtig ist es, dass die Mutter nicht nur immer beschäftigt ist, sondern auch mit den Familienmitgliedern Zeit verbringt! Wie wichtig ist es, dass die Kinder nicht aus dem Haus laufen, weil keiner Zeit für sie hat, sondern wissen: Dort sind Eltern, an die ich mich wenden kann, die Zeit mit mir verbringen und die mir zur Seite stehen! Dann werden die Kinder auch für die alt gewordenen Eltern Zeit haben, weil man Zeit für sie gehabt hat.

Das bedeutet auch, dass wir miteinander reden. Heute sitzen wir viel zu oft vor dem Fernsehen, sind viel zu oft vom Handy oder vom Computer völlig belegt. So entsteht gegenseitiges Unverständnis und ungutes Schweigen: Jeder starrt nur auf irgendeinen Apparat, man blickt sich nicht mehr an, man kennt das Herz des anderen nicht mehr. Schalten wir Fernseher, Computer und Handy ab! Reden wir miteinander! Nur wer redet, dem kann auch geholfen werden, nur wer redet, der kann Verzeihung geben und annehmen. Nur wer redet, der kann den anderen verstehen lernen und seine eigenen Sorgen den anderen mitteilen. Dass wir miteinander reden, dass wir am Tisch zusammen essen, dass wir Dinge gemeinsam tun, die uns die Gelegenheit geben, Familie zu werden und als Familie zu leben, ist entscheidend wichtig.

Aber über allem ist es ganz besonders bedeutend, dass wir wie die heilige Familie auch gemeinsam beten. Dass wir nicht nur die Tischgebete gemeinsam sprechen, sondern dass wir auch jeden Tag wenigstens eine Weile zusammen beten, einen kleinen Augenblick innehalten, um Gott für die Familie zu danken und Ihn darum zu bitten, unsere Familie zu segnen. Die Heilige Familie soll dann in unserer Mitte sein, und wir sollen mit ihr eine Gebetsgemeinschaft bilden, damit wir auch gemeinsam als Familie am Sonntag zur Messe gehen können, um Gott zu loben und zu danken für all das, was Er uns in der Familie geschenkt hat.

Wenn wir das tun, dann ist das Ideal der Familie, das jetzt gezeichnet worden ist, keine Utopie. Sicherlich gibt es in jeder Familie Streit, Auseinandersetzungen, Schwierigkeiten, Tod und vielleicht sogar Not. Aber wenn wir Gott in den Mittelpunkt stellen, wenn wir gemeinsam beten, wenn wir gemeinsam zur Messe gehen, wenn wir ein Glaubenszeugnis geben, auch da, wo man es vielleicht nicht mehr hören will, da beginnt die Familie zu wachsen und wirklich christlich zu werden. Dann haben wir noch mehr Kraft, miteinander zu sprechen und einander zu verzeihen. Dann wird es auch möglich sein, Zeit miteinander zu verbringen, weil Gott in unserer Mitte ist.

Dadurch werden unsere Familien wie die Heilige Familie ein Abbild der Trinität, ein Abbild jener inneren Gemeinschaft Gottes, die ebenso eine Art Familie bildet. Gott ist Gemeinschaft! Gott hat in einer Familie Mensch werden wollen! Je mehr wir unsere Familien als christliche Familien begreifen, je mehr wir uns auf das Fundament besinnen, das Gott uns gegeben hat, desto mehr werden unsere Familien glücklich sein, desto mehr werden wir uns gegen alle Angriffe auf die Familie wehren können und desto mehr wird gelten für unsere Familie: My home is my castle, mein Haus ist meine Burg! Wo Gott im Mittelpunkt der Familie ist, wo alle einander um Gottes willen dienen, wo alle Familienmitglieder sich im Gebet vereinen, bleibt die Familie stark und wird immer mehr zur christlichen, ja zur heiligen Familie! Amen.

NACHRUF auf PROF. DR. DR. h. c. WOLFGANG GRAF WALDSTEIN

Generalgouverneur der Herz Jesu Gemeinschaft im Institut Christus König und Hohepriester

Der Generalgouverneur unserer Herz Jesu Gemeinschaft, Prof. Dr. Dr. hc. Wolfgang Graf Waldstein, ist am 17. Oktober, dem Fest der heiligen Margareta Maria Alacoque, Künderin der Geheimnisse des Herzens Jesu, umgeben von seiner Familie in Salzburg im Alter von 95 Jahren verstorben. Die göttliche Vorsehung hat gewollt, dass zur gleichen Zeit unser Generalprior in Neapel das Dankamt anlässlich der Einkleidung von weiteren fünf Novizinnen unserer Anbetungsschwestern zelebrierte, die gerade von S. Eminenz Dominique Kardinal Mamberti, dem Präfekten des Obersten Tribunals der Apostolischen Signatur in Rom, eingekleidet worden waren. Die tiefe Verbindung Wolfgang Graf Waldsteins zu unserem Institut wurde dadurch nochmals vom Wirken der Gnade unterstrichen.

Prof. Waldstein war seit seiner Studentenzeit mit der ursprünglichen Herz Jesu Gemeinschaft auf das engste verbunden und hat oft davon erzählt, wieviel er ihr und ihren Mitgliedern verdankte. Er hat sie bereits früh kennengelernt, vor allem von Prof. Eduard Seifert und Prof. Hofrat Ernst Wenisch zu ihr hingeführt. Prof. Dietrich von Hildbrand und Prof. Balduin Schwarz wie auch die große Wohltäterin des Institutes, Frau Dr. Karla Mertens, gehörten ebenso zu seinen engen Freunden. Er hat durch seine profunden Vorträge, durch seine tiefe Liebe zur Wahrheit, durch sein großes rechtswissenschaftliches, philosophisches und theologisches Wissen ebenso zum Wachstum der Gemeinschaft beigetragen wie durch sein Bespiel absoluter menschlicher Integrität, liebenswürdigster Nächstenliebe, starker Willenskraft und tiefsten kindlichen Glaubens. Ihm verdankt die Herz Jesu Gemeinschaft unter vielem anderen ihre ersten grundlegenden Konstitutionen wie auch die Anthologie der für die Gemeinschaft wichtigen Schriften. Uns sind er und seine uns allen so sehr an Herz gewachsene liebe Frau Marie Theresa „Esi“ Waldstein unvergesslich als ein Ehepaar, das sich immer den Glanz der ersten ehelichen Liebe und Zuneigung bewahrt hat und diesen Glanz mit anderen, auch den geistig und materiell Bedürftigen, großzügig geteilt hat. Nicht nur waren beide gute und selbstlose Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, sondern auch treue und hingebungsvolle Freunde für viele in und außerhalb der Herz Jesu Gemeinschaft.

Da beide von großer persönlicher Bescheidenheit waren und wenig von sich selbst zu sprechen pflegten, ist es gut, an Wolfgang und Marie Theresa Waldsteins Leben wenigstens in großen Linien zu erinnern, damit ihr Wert als Menschen und Christen noch deutlicher hervortritt:

Der 1900 in St. Petersburg geborene Vater Wolfgang Waldsteins, Ludwig Graf Waldstein von Halben, war Pianist, Musikerzieher und Komponist von Klavierwerken und Kammermusik neuklassischer Richtung sowie von Orgelwerken. Er entstammte der Arnauer Linie des berühmten böhmischen Adelsgeschlechts. Der Großvater diente als kaiserlicher Beamter dem russischen Zaren und war Direktor der Kaiserlichen Theater. Nach der kommunistischen Revolution, die das Zarenreich zur Sowjetunion machte, ging der Vater nach Finnland, wo er seine Frau, eine Finnländerin, eine Angehörige der schwedischen Minderheit in Finnland, kennenlernte. Finnland hatte bis 1917 zum Zarenreich gehört. Nur knapp entging er bei einem Konzert, schwer verletzt, einem politisch motivierten Mordanschlag. Wolfgang Waldsteins Mutter war in erster Ehe mit Fürst Nikolai Paschkow, aus einer ursprünglich aus Litauen stammenden Familie, verheiratet, den die Bolschewiken auf der Krim erschossen hatten.

Wolfgang Graf Waldstein wurde 1928 im mehrheitlich schwedischen Hangö geboren. In Helsingfors (finn. Helsinki) besuchte er die dortige deutsche Schule. Als im Herbst 1939 der sowjetische Angriff auf Finnland einsetzte, emigrierte die Familie nach Salzburg, wo der Vater Professor am berühmten Mozarteum wurde. In der Familie fühlte man sich auch in Finnland, gemäß der Familientradition, als Österreicher. Nichts schien naheliegender als eine Rückkehr in die Heimat, die es der Familie gerade während der Zeit des Nationalsozialismus nicht nur leicht machte, was Wolfgang sehr geprägt hat. Als Jugendlicher und Student hat er Armut und Entbehrung am eigenen Leib kennengelernt.

Wolfgang Waldstein legte in Salzburg das Abitur ab und nahm anschließend ein Studium der Rechtswissenschaften in Innsbruck auf. Nach Studienaufenthalten in den USA wurde er Assistent an seiner Alma Mater, an der er sich 1963 mit einer Arbeit über Römisches Recht habilitierte. Er wurde außerordentlicher Professor in Innsbruck und wechselte 1965 als ordentlicher Professor an die wiedererrichtete Paris-Lodron-Universität. Er war Gründungsdekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät und im akademischen Jahr 1968/69 Rektor der Universität. Damals hatte er große Kämpfe zu bestehen, von denen er mit Schmerz erzählte. Seine Lehrtätigkeit in Salzburg in Römischem Recht und Rechtsphilosophie dauerte bis 1992, als er in den Ruhestand trat. Anschließend nahm er eine Professur an der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom an. 1998 verlieh ihm Papst Johannes Paul II. die Würde eines Komturs des päpstlichen Ritterordens des heiligen Gregor des Großen.

Seinen Schwerpunkt legte Wolfgang Waldstein in seiner Lehre auf das Naturrecht bzw. dessen Wiederbelebung, da es durch den Rechtspositivismus weitgehend verdrängt worden war. Mit vielen Publikationen und Vorträgen wirkte er in diesem Sinn. Zum hl. Papst Johannes Paul II wie auch zu dessen deutschem Nachfolger Benedikt XVI konnte der Salzburger Jurist auch persönliche Beziehungen knüpfen. So war er Gast jener berühmten Frühstücke in der päpstlichen Wohnung im Apostolischen Palast, wo auf ungezwungene und direkte Weise wichtige Themen besprochen werden konnten. Papst Benedikt erinnerte sich zeitlebens an die gute Küche, die er als Kardinal in der römischen Wohnung der Waldsteins aus der Hand der Gräfin genossen hatte.

Sein Werk „Ins Herz geschrieben. Das Naturrecht als Fundament einer menschlichen Gesellschaft“ wurde von dem mit ihm befreundeten Papst Benedikt XVI. mehrfach in dessen Rede vor dem Deutschen Bundestag 2011 zitiert. Papst Johannes Paul II. berief den Rechtsgelehrten und Freund 1994 als Gründungsmitglied in die damals neugegründete Päpstliche Akademie für das Leben.

Wolfgang Waldstein hat sich Zeit seines Lebens, auch schon als junger Mann, der überlieferten Liturgie verbunden gefühlt, die in der Gemeinschaft, auch bevor der Vereinigung mit unserem Institut, nie ganz aufgegeben worden war. Er fühlte sich dem überlieferten Ritus verpflichtet und hat sich selbstlos und zunächst oft auf Unverständnis stoßend um dessen Beibehaltung bzw. Wiederzulassung bemüht. Er war daher überglücklich, als die damalige Gemeinschaft sich einstimmig dem Institut Christus König und Hohepriester anschloss, dem er seit seiner Gründung verbunden war, und damit als Herz Jesu Gemeinschaft zum Laienzweig einer Gesellschaft apostolischen Lebens in kanonialer Form wurde, die ausschließlich den überlieferten Ritus pflegt. Für alle seine Verdienste um die traditionelle Liturgie ernannte ihn die Vereinigung Pro Missa Tridentina ernannte ihn 2007 zum Ehrenvorsitzenden. Schon direkt nach der Vereinigung des Institutes mit der Herz Jesu Gemeinschaft ernannte ihn unser Generalprior Msgr. Dr. Gilles Wach in Ansehung seiner herausragenden Persönlichkeit als Christ und Wissenschaftler zum Generalgouverneur der Herz Jesu Gemeinschaft, was er bis zu seinem Tode trotz schwerer Krankheit bleiben konnte.

Wolfgang Waldstein war, wie schon gesagt, gerne Ehemann und Familienvater. Seine Frau Marie Theresa Fröhlicher, unsere liebe „Esi“, war eine in den USA geborene Schweizerin. Sie ist bereits 2017 im Alter von 87 Jahren heimgegangen. Die direkte Nachfahrin des protestantischen Schweizer Reformators Huldrych Zwingli, deren Familie allerdings katholisch war, ging auf Vermittlung von Dietrich von Hildebrand nach dem Krieg nach Österreich zur Familie Seifert, wo sie ihren künftigen Ehemann kennenlernte. Es war, wie Wolfgang gerne schilderte, „Liebe auf den ersten Blick“. Ihre Hochzeit fand in New Jersey, Marie Theresas Geburtsort, statt. Dietrich von Hildebrand war ihr Trauzeuge. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor. Marie Theresa Waldstein war die große und unermüdlich liebevolle Stütze Wolfgang Waldsteins. Ihre Verbindung war so innig und unverstellt, so beispielhaft und liebenswürdig, dass wir sie, gerade in den späteren Jahren, oft mit Philemon und Baucis, oder, natürlich viel passender, mit Joachim und Anna verglichen haben. Marie Theresa Gräfin Waldstein war lange Jahre Mutter und Seele der Gemeinschaft und setzte sich für das Wohl aller immer großzügig ein.

Für mich als junger Diakon und Priester, – ich durfte Wolfgang und Esi im Sommer 1981 zum ersten Mal bei der jährlichen Tagung der Gemeinschaft in Bayerisch Gmain kennenlernen und später noch besser als geistlicher Leiter der Gemeinschaft, was ich auf Wolfgangs und Dr. Karla Mertens‘ Anregung geworden war -, war das Ehepaar immer ein Unterpfand dafür, dass Heiligkeit auch in der Welt durchaus erstrebt und gelebt werden kann. Wolfgang Waldstein war als passionierter Bergsteiger ein Kämpfer, der viele geistliche und geistige Schlachten überstanden hatte, aber trotzdem nicht hart, sondern immer milder geworden war, auch weil Elisabeth Waldstein mit ihrer mütterlichen Güte, Liebe und Geduld ihm dabei immer zur Seite stand. Die unbedingte Liebe zur Wahrheit, die entschiedene und klug durchdachte Ablehnung des Irrtums, die unverbrüchliche Treue zu Glaube und Moral der heiligen Kirche verband sich bei Wolfgang Waldstein immer mit der, manchmal innerlich erkämpften, aber stets entschlossenen Feindesliebe und dem Versuch, alle, auch die Fernstehendsten, durch Liebenswürdigkeit und freundliche Überzeugungsversuche, zu Gott und Seiner Kirche zu führen. Esi Waldstein war dabei nicht nur oft das ausgleichende Element, sondern immer auch die gute Frau und Mutter, die mit unnachahmlicher Liebenswürdigkeit, Heiterkeit und Herzensgüte, gepaart mit Festigkeit und Weisheit, ihrem Mann, ihren Kindern und allen ihren vielen Freunden zur Seite stand. Freude und Frohsinn fehlten beiden nicht und Wolfgang Waldstein hat uns sehr oft zum Lachen gebracht, vor allem mit seinen berühmten „Limericks“. Tägliches Gebet auch des Breviers, die tägliche Messfeier und der heilige Rosenkranz, die häufige Beichte und die Lektüre der Schriften der Heiligen, vor allem auch der Regel des hl. Benedikt und der „Philothea“ des Heiligen Franz von Sales waren dabei die selbstverständlichen Hilfsmittel und letzter Grund aller Freude, von denen sie nicht viel Aufhebens machten, die sie aber beide ein Leben lang begleitet haben.

Esi Waldstein ist Wolfgang vorangegangen, doch nun dürfen wir hoffen, beide wieder vereint zu sehen. Wir vermissen sie beide, denn sie waren beide besondere Menschen, tiefgläubige Katholiken und uns allen oft ein Beispiel der Nächstenliebe und der Glaubenstreue. Beten wir für sie und danken wir Gott, dem Allmächtigen, zusammen mit ihrer zahlreichen Schar von Kindern, Enkeln und Urenkeln, dass wir diese außerordentlichen und tiefgläubigen Menschen kennen durften und sind wir sicher, dass die Freundschaft und Liebe, die sie mit uns verbindet, nicht enden wird.

  • Das Requiem findet am 31. Oktober um 10.30 Uhr in der Rektoratskirche St. Sebastian in Salzburg statt. Die Beerdigung folgt um 13 Uhr auf dem Friedhof in Salzburg-Aigen. Sein Enkel P. Edmund Waldstein OCist wird das Requiem zelebrieren und Msgr. Schmitz wird predigen.
  • In der Klosterkirche Maria Engelport wird das feierliche Requiem für Wolfgang Graf Waldstein am 31. Oktober   um 17.15 Uhr stattfinden, in der Sankt Ägidi Kirche in Bad Reichenhall am 16. November um 18.30 Uhr.

Msgr. Michael Schmitz